LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2628 16.05.2018 Datum des Originals: 15.05.2018/Ausgegeben: 22.05.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 977 vom 10. April 2018 der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky und Thomas Röckemann AfD Drucksache 17/2415 Gehört das Kirchenasyl zu Deutschland? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Auf der Jahrespressekonferenz des Verwaltungsgerichts Düsseldorf äußerte sich ihr Präsident Andreas H. zum Thema Kirchenasyl und übte auch Kritik an den Kirchen. Mehreren Pressemeldungen 1,2,3 folgend, sagte er: „Kirchenfunktionäre, die Kirchenasyl gewähren, gefährden rechtsstaatliche Verfahren“. Laut einer Meldung auf RP-Online sehe er das äußerst kritisch, weil die Kirchen dabei helfen würden, notwendige Abschiebungen zu verhindern. Er ermahnte den Staat, von Gerichten verfügte Abschiebungen konsequenter umzusetzen und durchzuführen. „Wir müssen das vollziehen, sonst kann man sich die Verfahren auch sparen", sagte er. Laut einer Pressemeldung auf NRZ.de, äußerten sich die Richter auch zum Kirchenasyl und dem Werben staatlicher Psychiatrien mit Slogans wie „ (s.o.) Fühlen sie sich von Abschiebung bedroht?" Es wird berichtet, dass bei den Richtern der Eindruck entstanden sei, Aufenthalte im Kirchenasyl oder in der Psychiatrie würden gezielt eingesetzt, um Fristen ins Leere laufen zu lassen. Laut einer Pressemeldung auf idea.de und einem Artikel in der Jungen Freiheit vom 16.03.18 vertrat der Präsident des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, Andreas H., auf der Jahrespressekonferenz des Gerichts am 9. März in Düsseldorf die Auffassung, dass durch die Gewährung von Kirchenasyl staatliche Organe rechtswidrig behindert und Gerichtsurteile missachtet würden. Laut idea.de/ Junge Freiheit forderte der Jurist, dass die Regierungen des Bundes und der Länder gegen die zunehmende Zahl von Kirchenasyl-Fällen vorgehen müssten. Es sei seiner Meinung nach nicht hinnehmbar, dass für „die Kirchen und ihre Funktionäre“ ein Sonderrecht gelte, und sie „dabei auch noch eine höhere Moral für sich in Anspruch nähmen“. Laut einem Artikel im Generalanzeiger vom 14.03.18 äußerte sich der nordrhein-westfälische Justizminister, Peter Biesenbach, gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2628 2 wie folgt: „Das Kirchenasyl gehört zu Deutschland. Diejenigen, die es gewähren werden sich allerdings der Frage stellen müssen, ob die Art und Häufigkeit, in der es gegenwärtig gewährt wird, nicht die Akzeptanz des Kirchenasyls gefährdet.“ Es sei Ausdruck der kirchlichen Tradition in Deutschland. Außerdem wird in diesem Artikel berichtet, dass die Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ von derzeit bundesweit 422 aktiven Kirchenasylen mit 627 Personen ausgeht. 2012 waren es noch 50 Fälle, 2013 waren es 79 Fälle. In einem Focus-Bericht vom 02.04.20184 wird von einer deutlichen Steigerung bei der Anzahl von Kirchenasylen berichtet. In NRW befanden sich danach Ende Februar 2018 160 Menschen in 129 Kirchenasylen. Herkunftsländer der Menschen seien dabei vor allem Irak, Iran und Eritrea. Für die Duldung dieser Praxis durch die Behörden, für einen Vorrang des Kirchenasyls gegenüber den staatlichen Regelungen zur Gewährung von Asyl, gibt es keinerlei rechtliche Grundlage. Für kritische Fälle gibt es die Härtefallkommissionen. In den Härtefallkommissionen haben Vertreter der großen Landeskirchen Sitz und Stimme. Dort können sie sich mit kirchlichen Gesichtspunkten einbringen. Besonderheiten gibt es beim Kirchenasyl im Zusammenhang mit Rücküberstellungen gemäß der Dublin III - Verordnung. Hier ist eine Frist von 6 Monaten vorgesehen, welche das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) durch die Einstufung der betreffenden Personen als „flüchtig“ oft bereits auf 18 Monate verlängert hat. In der Handreichung zum Kirchenasyl der Evangelischen Kirche Rheinland 5 heißt es zu kritischen Fällen bezüglich der Überstellungsfrist: „Da in manchen Fällen auch nach Ablauf der Überstellungsfrist die Abschiebung in das Herkunftsland angedroht wird, sollte das Kirchenasyl fortgeführt werden, bis eine entsprechende Mitteilung des BAMF vorliegt. Es wird empfohlen, eine gute Beratung durch Rechtsanwälte und die kirchlichen und diakonischen Beratungsstellen in Anspruch zu nehmen.“ Die Rechtslage ist auch hier vollumfänglich bekannt – ohne entsprechende Konsequenz. 1 http://www.rp-online.de/politik/verwaltungsgericht-kritisiert-bundesamt-fuer-asyl-aid- 1.7446979 2 https://www.nrz.de/staedte/duesseldorf/richter-kritisieren-zahl-von-abschiebungen-und-fallbivsi -id213674931.html 3 https://www.idea.de/frei-kirchen/detail/duesseldorf-verwaltungsgerichtspraesident-kritisiertkirchenasyl -104574.html 4 https://www.focus.de/politik/deutschland/asylbewerber-611-fluechtlinge-bekommen-schutzkritik -an-kirchenasyl-waechst-nun-wehren-sich-geistliche_id_8700042.html?fbc=fb-shares 5 http://www.ekir.de/www/downloads/kirchenasyl-broschuere.pdf Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 977 mit Schreiben vom 15. Mai 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2628 3 1. Wie steht die Landesregierung zur steigenden Anzahl der Gewährung von Kirchenasylen? In dem auf der 207. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder am 07. und 08.12.2017 gefassten Beschluss wurde das Bundesministerium des Innern gebeten, ein länderoffenes Gespräch mit Kirchenvertretern zu vereinbaren und sich dafür einzusetzen, dass die zum Kirchenasyl getroffene Vereinbarung vom 24. Februar 2015 zwischen der Katholischen Kirche und den Evangelischen Kirchen mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in der Praxis beachtet wird. Die Landesregierung sieht dies als richtigen Weg und beteiligt sich an diesen Gesprächen. 2. Wie viele Rücküberstellungen gemäß Dublin III, in das für die Bearbeitung des Asylverfahrens zuständige EU-Land, wurden seit 2015 durch Kirchenasyl verzögert oder durch die abgelaufene Frist für die Rücküberstellung schlussendlich verhindert? (bitte aufschlüsseln nach Jahr, vorgesehenem EU- Zielland für die Abschiebung und Nationalität der Abzuschiebenden) 3. Wie viele Abschiebungen in die Heimatländer der Abzuschiebenden wurden seit 2015 durch Kirchenasyl verzögert oder verhindert? (bitte aufschlüsseln nach Jahr, vorgesehenem Zielland für die Abschiebung und Nationalität der Abzuschiebenden) Die Fragen 2 und 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Der Landesregierung liegen hierzu keine Angaben im Sinne der Fragestellung vor. Es erfolgt keine statistische Erfassung durch nordrhein-westfälische Behörden. 4. Welche Maßnahmen beabsichtigt die Landesregierung zukünftig zu treffen, um eine Verzögerung von laufenden Abschiebungen durch die Gewährung von Kirchenasyl zu verhindern? In Nordrhein-Westfalen wurden schon 1995 seinerzeit mit Vertretern der Evangelischen Kirche im Rheinland Absprachen für Fälle von Kirchenasyl getroffen. Diese messen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besondere Bedeutung bei. Sie sind darauf ausgerichtet, durch frühzeitige Konsultation und Information zwischen Kirchengemeinde und Ausländerbehörde über relevante Fallumstände bzw. das beabsichtigte Vorgehen im konkreten Fall mögliche Handlungsspielräume im Rahmen des geltenden Rechts sorgfältig auszuloten. Diese Vorgehensweise hat sich bewährt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 5. Wie viele Ermittlungsverfahren und Verurteilungen im Zusammenhang mit Kirchenasyl wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt gemäß §95 Absatz 1 Nummer 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) gab es seit 2015 in NRW? Die erfragten Daten können innerhalb der für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht mit vertretbarem Aufwand erhoben werden. Verfahren im Zusammenhang mit Kirchenasyl werden in den Statistiken und Datenbanken der Justiz nicht gesondert erfasst. Die Erhebung würde eine Einzelauswertung der Akten aller in Betracht kommenden Verfahren erfordern.