LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2640 16.05.2018 Datum des Originals: 16.05.2018/Ausgegeben: 22.05.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 972 vom 16. April 2018 des Abgeordneten Guido van den Berg SPD Drucksache 17/2380 Ist die fehlerhafte Trassenführung der geplanten Stromtrasse durch Hürth eine Chance für eine musterhafte Bündelung von Leitungen in einem Erdkabel? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im vergangenen Monat hat das Bundesverwaltungsgericht die von der Bezirksregierung Köln festgestellten Planungen für eine Höchstspannungsfreileitung im Bereich der Stadt Hürth für rechtswidrig erklärt. Es wäre sicher falsch die notwendige Neuplanung der Trasse ohne Würdigung aller sich anbietenden Alternativen weiter zu betreiben. Die geplante Erhöhung der Höchstspannungsfreileitung nach Energieleitungsausbaugesetzes (EnLAG) zwischen Osterath nach Weißenthurm sollte bei Hürth-Efferen unmittelbar an verdichteter Wohnbebauung gebaut werden. Viele betroffene Anwohner wehren sich gegen die zusätzliche Belastung und hatten die Planungen beklagt. Als Alternative für die Höchstspannungsfreileitung wird von den Anwohnern ein Erdkabel favorisiert, die aber von den Behörden nicht als gleichrangige Alternative geprüft wurden. Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 972 mit Schreiben vom 16. Mai 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung beantwortet. 1. Wie bewertet die Landesregierung das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts und die daraus resultierenden Konsequenzen? Zu dem betreffenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.03.2018 existiert bislang nur eine Pressemitteilung des Gerichts, die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor. Sobald die Begründung vorliegt, wird sie sorgfältig analysiert werden, nicht nur seitens der Landesregierung, sondern auch im Rahmen des regelmäßigen Austausches der Planfeststellungsbehörden untereinander und im Zusammenwirken mit den Vorhabenträgern. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2640 2 2. Wird die Landesregierung für die weiteren Planungen die von den Anwohnern geforderte Erdkabel-Lösung jetzt neu bewerten und prüfen? Ausweislich der erwähnten Pressemitteilung hat das Bundesverwaltungsgericht den Planfeststellungsbeschluss aufgehoben, weil seiner Bewertung nach die Bezirksregierung Köln die Belange nicht ausreichend ermittelt habe, die für eine Umgehung der Ortslage von Hürth entlang einer Alternativtrasse sprechen könnten. Eine Erdkabel-Lösung war demnach nicht Gegenstand der Beurteilung, sie ist auch laut Bericht der Bezirksregierung Köln in der mündlichen Verhandlung nicht thematisiert worden. Ebenso wenig bedeutet die Entscheidung, dass der Leitungsbau in der vorgesehenen Trasse durch Hürth nunmehr ausgeschlossen wäre. Das Gesetz zum Ausbau von Energieleitungen (EnLAG) enthält derzeit sechs sog. Pilotvorhaben, in denen eine Erdverkabelung auf technisch und wirtschaftlich effizienten Teilabschnitten erprobt werden kann. Das Vorhaben Nr. 15 „Osterath – Weißenthurm“ gehört nicht zu diesen Pilotvorhaben, was zur Folge hat, dass eine Erdverkabelung auf dieser Strecke nach aktueller Rechtslage nicht planfestgestellt werden kann. 3. Wie beurteilt die Landesregierung den Umstand, dass in Bayern Erdkabel- Lösungen zum Schutz des Landschaftsbildes für Ortslagen mit einigen hundert Einwohnern gebaut werden, während hier im hochverdichteten Raum mit tausenden von Menschen im Kölner Stadtrand solche Lösungen verwehrt werden? Der Freistaat Bayern hat mittlerweile alle Vorhaben nach dem EnLAG, die sein Staatsgebiet betreffen, mit einer Gesamtlänge von 126 km realisiert, und zwar mit Freileitungen, darunter auch einen Teilabschnitt der sog. „Thüringer Strombrücke“ (EnLAG-Vorhaben Nr. 4 Lauchstädt – Redwitz), der nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 EnLAG eine Verkabelungsoption bot. Ein möglicherweise durch die Fragestellung entstehender Eindruck, in Bayern würde sämtlicher Netzausbau unterirdisch realisiert, träfe mithin nicht zu. Was die Situation speziell in Hürth angeht, so sind unabhängig von der zu Frage 2 beschriebenen Rechtslage in den Jahren 2012/2013 im Rahmen eines Runden Tisches des damaligen Umweltministeriums die technischen Möglichkeiten einer Erdverkabelung in dem betreffenden Bereich gutachtlich untersucht worden. Es stellte sich heraus, dass der Trassenraum nicht nur sehr schmal für eine Erdkabelanlage, sondern auch von zahlreichen weiteren Infrastruktureinrichtungen (insbesondere Kabeln und Kanälen) durchzogen ist, was die Verlegung von Höchstspannungs-Erdkabeln technisch ausgesprochen anspruchsvoll und damit wesentlich teurer machen würde als eine Freileitung. Die Überlegungen wurden daher, auch mit Blick auf die geschilderte Rechtslage, nicht fortgeführt. Generell sind Erdverkabelungen insbesondere in den angesprochenen dicht besiedelten Gebieten zumeist mit erheblichen technischen Schwierigkeiten verbunden. So wird für den Bau einer 380 kV-Erdkabel-Anlage mit 2 GW Übertragungskapazität ein Arbeitsstreifen von 35 m Breite benötigt. Selbst wenn ein solcher Korridor gefunden werden kann, finden sich dort oft bestehende Nutzungen (wie auch in Hürth, s.o.), was die Verlegung von Erdkabeln besonders anspruchsvoll macht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2640 3 4. Ist es zutreffend, dass Erdkabel-Lösungen in Bayern auf alle Stromkunden in der gesamten Republik umgelegt werden? Durch das Gesetz zur Änderung von Bestimmungen des Rechts des Energieleitungsbaus vom 21.12.2015 (BGBl. I S. 2490) sind die Möglichkeiten der Erdverkabelung von Hochspannungsleitungen deutlich ausgeweitet worden. Insbesondere wurde die Erdverkabelung von Hochspannungs-Gleichstromübertragungen (HGÜ) zum Regelfall bestimmt, während es bei Drehstrom-(Wechselstrom-)Übertragungs-leitungen beim Pilotcharakter der Erdverkabelung blieb, wenngleich die Zahl der Pilotprojekte auch hier erhöht wurde. Gleichzeitig wurde in § 2 Abs. 5 EnLAG bestimmt, dass die Übertragungsnetzbetreiber die Mehrkosten für Erdverkabelungen gesondert ermitteln und anhand eines Umlagemechanismus, der der Kraft-Wärme-Kopplung-Umlage nachgebildet ist, untereinander verteilen. Die so auf der Übertragungsnetzebene vergleichmäßigten Erdkabelmehrkosten bilden sich als vorgelagerte Netzkosten in den nachgelagerten Verteilnetzebenen ab und enden auf diesem Wege schließlich mit einem geringen Anteil in der Stromrechnung eines jeden Letztverbrauchers. Insofern ist die Frage zu bejahen, allerdings mit der Klarstellung, dass dies nicht nur für Erdkabel-Lösungen in Bayern gilt, sondern für alle Erdverkabelungen nach dem EnLAG und dem Gesetz über den Bundesbedarfsplan (BBPlG), unabhängig von ihrer Belegenheit. 5. Bietet ein Trassenbau in Hürth mit Erdkabel-Variante eine Chance für die Entwicklung einer Musterlösung, bei der auch die anderen Freileitungen mit unter die Erde geführt werden können? Wie bereits erläutert, bietet sich nach geltendem Recht für den Leitungsabschnitt im Bereich Hürth keine Verkabelungsoption. Unabhängig davon hängt die Realisierung von Leitungsbauvorhaben nicht nur hinsichtlich der Trassenführung, sondern auch hinsichtlich der konkreten technischen Ausführung sehr von den örtlichen Gegebenheiten ab, was die Entwicklung von Musterlösungen, die sich mehr oder weniger schematisch auf verschiedene Situationen anwenden lassen, generell erschwert. Wenn – wie im Bereich Hürth – mehrere Freileitungen in einer Trasse verlaufen, liegt der Gedanke, bei einer Erdverkabelung alle Leitungen in den Boden zu verlegen, natürlich nahe. Dabei gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass dies die Erdkabeltrasse noch breiter werden lassen würde. Des Weiteren fehlt bestehenden Freileitungen, die auch nicht verändert werden sollen, naturgemäß der Pilotprojekt-Charakter, den das EnLAG wie erläutert nur bestimmten Leitungsbauvorhaben zuweist. Und schließlich genießen bestandskräftig planfestgestellte oder genehmigte Leitungen Bestandsschutz; insoweit wäre zu klären, ob und ggfs. unter welchen Maßgaben Übertragungsnetzbetreiber bereit wären, auf einen bestehenden Bestandsschutz zugunsten einer Erdverkabelung zu verzichten, soweit diese überhaupt rechtlich zulässig wäre.