LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2661 22.05.2018 Datum des Originals: 22.05.2018/Ausgegeben: 29.05.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 996 vom 4. April 2018 der Abgeordneten Iris Dworeck-Danielowski und Thomas Röckemann AfD Drucksache 17/2464 Schützt die Landesregierung unsere Kinder vor fragwürdigen Sexideologen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Berliner Senat für Bildung, Jugend und Familie hat im Januar eine Broschüre vorgestellt mit dem Titel „Murat spielt Prinzessin, Alex hat zwei Mütter und Sophie heißt jetzt Ben“. Diese Broschüre soll in den Kindergärten der Stadt dazu dienen, dass sich auch dort bereits mit „sexueller und geschlechtlicher Vielfalt als Thema frühkindlicher Inklusionspädagogik“ beschäftigt wird. In der Broschüre wird vom Erziehungspersonal gefordert, auch kleineren Kindern sexuelle Spielarten vor Augen zu führen und gleichzeitig eine (vermeintliche) eventuelle gegensätzliche Geschlechtsidentität zu erkennen und zu fördern. „Viel Freude und Erfolg beim Einsatz der Materialien“, wünscht im Vorwort Sigrid Klebba, die Staatssekretärin für Jugend und Familie. 1994 wurde von Pro Familia NRW eine ähnliche Broschüre mit dem Titel „Lieben, Kuscheln, Schmusen“ auf den Weg gebracht, die dazu aufforderte, Kinder sexuellen Praktiken zu unterziehen. Viele Initiativen und Eltern organisierten und organisieren daraufhin Protestaktionen aus Sorge vor psychischen Schäden ihrer Kinder. Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 996 mit Schreiben vom 22. Mai 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen sowie dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2661 2 Vorbemerkung der Landesregierung Die Kindertagesbetreuung hat gemäß § 3 des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) einen eigenständigen Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag. Die Bildungs- und Erziehungsarbeit ergänzt die Förderung des Kindes in der Familie und steht damit in der Kontinuität des kindlichen Bildungsprozesses. Die Familie bleibt dabei für das Kind der wichtigste Bezugspunkt. Sie ist der prägende Ort für die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen. Hier werden die Grundlagen gelegt für moralische Orientierungen sowie sozial-emotionale Fähigkeiten und Fertigkeiten. Die Fachkräfte in der Kindertagesbetreuung unterstützen im Rahmen einer guten Erziehungsund Bildungspartnerschaft die Familien in ihrer Erziehungsverantwortung. Pädagogische Kernaufgabe ist, Kinder in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen und individuell zu fördern. Im Mittelpunkt steht also immer das Kind und sein Wohlergehen. Die Bildungsgrundsätze „Mehr Chancen durch Bildung von Anfang an – Grundsätze zur Bildungsförderung für Kinder im Alter von 0 bis 10 Jahren in Kindertagesbetreuung und Schulen im Primarbereich in NRW“ dienen den Fachkräften dabei als pädagogischer Handlungs- und Orientierungsrahmen. In den Bildungsgrundsätzen, die von einem ganzheitlichen Bildungsverständnis ausgehen, sind u.a. die Bildungsbereiche „Körper, Gesundheit und Ernährung“ sowie der „Umgang mit Heterogenität“ enthalten. Im Elementarund im Primarbereich werden Grundwerte des gesellschaftlichen Zusammenlebens in einer von Vielfalt geprägten Welt für Kinder erfahrbar gemacht. Dazu gehören Menschenwürde, Toleranz, Chancengleichheit und Solidarität – Grundwerte, die für unsere Gesellschaft wesentlich sind. Das gilt besonders für das Miteinander von Mädchen und Jungen unterschiedlicher sozialer, ethnischer oder kultureller Herkunft. In § 4 des dritten Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes; Gesetz zur Förderung der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes – Kinder- und Jugendförderungsgesetz – (3. AG-KJHG – KJFöG) ist verankert, dass die Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe bei der Ausgestaltung der Angebote die gleichberechtigte Teilhabe und Ansprache von Mädchen und Jungen ermöglichen und sie zu einer konstruktiven Konfliktbearbeitung befähigen sollen, unterschiedliche Lebensentwürfe, sexuelle Orientierungen und geschlechtliche Identitäten als gleichberechtigt anzuerkennen. Auch im Kinder- und Jugendförderplan 2018 – 2022 ist als Querschnittsaufgabe verankert, junge Menschen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen, sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten gleichberechtigt mit ihren spezifischen Bedürfnissen und Bedarfen in die Angebote der Kinder- und Jugendarbeit einzubeziehen bzw. Angebote zu entwickeln, die diesen Zielgruppen den Weg in die Angebote der Jugendförderung ebnen. Laut einer Auskunft von pro familia NRW wird das Buch „lieben – kuscheln – schmusen“ aus dem Jahr 1994 nicht mehr beworben und ist auch über den Handel nicht mehr zu erwerben. 1. Sind der Landesregierung Institutionen bekannt, welche in oder für Nordrhein- Westfalen gleichartige Projekte entwickeln oder an solchen beteiligt sind? (bitte nach Projekte aufschlüsseln) Die NRW-Fachberatungsstelle „gerne anders!“ befasst sich u.a. mit der Sensibilisierung für unterschiedliche Geschlechterrollen, sexuelle Orientierungen und geschlechtliche Identitäten. Hierfür hat sie Materialien zum Einsatz in der Fortbildung von Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe entwickelt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2661 3 2. Wie viel an Fördermitteln wird aus dem Landeshaushalt für die Entwicklung von derartigen Projekten oder daran beteiligten Institutionen zur Verfügung gestellt? (bitte Haushaltsposten angeben) Die NRW-Fachberatungsstelle „gerne anders!“ wird mit Mitteln in Höhe von 121.280 € jährlich aus dem Kinder- und Jugendförderplan gefördert (Kapitel 07 040 TGr. 61). Zu den Aufgaben der Fachberatungsstelle gehören Beratung und Unterstützung sowie Fortbildung und Sensibilisierung von Fachkräften, haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Teams bei öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe, Jugendeinrichtungen, Jugendverbänden, Jugendberatung und Jugendpolitik. 3. Welche Gefahren für die frühkindliche Erziehung sind der Landesregierung durch Projekte zur Frühsexualisierung, insbesondere in staatlichen Institutionen, bekannt? Der Landesregierung sind keine, insbesondere staatlichen Projekte zur Frühsexualisierung bekannt. 4. Inwiefern hält die Landesregierung es für angemessen, unsere Kinder bereits in Kitas mit Frühsexualisierung zu konfrontieren? Die Landesregierung widerspricht ausdrücklich der Darstellung, dass die verantwortungsvolle und reflektierte Arbeit der in hohem Maße engagierten Fachkräfte in den nordrheinwestfälischen Kindertageseinrichtungen als „Konfrontation mit Frühsexualisierung“ zu bezeichnen ist. Körperliches und seelisches Wohlbefinden ist eine grundlegende Voraussetzung für die Entwicklung und Bildung und ein Grundrecht von Kindern. Die pädagogischen Konzeptionen der Kindertageseinrichtungen nehmen hierauf selbstverständlich Bezug. Die Fachkräfte in den Kindertageseinrichtungen gestalten ihre pädagogische Arbeit zum Thema Körper und Sexualität entwicklungs- und altersangemessen und in verantwortungsvoller Erziehungs- und Bildungspartnerschaft mit den Eltern. 5. Was unternimmt die Landesregierung für durch Frühsexualisierung traumatisierte Kinder? Der Landesregierung sind keine Projekte zur institutionellen Frühsexualisierung bekannt (vgl. die Antworten auf die Fragen 3. und 4.), demzufolge auch keine daraus resultierenden Traumatisierungen. Soweit Kinder in ihrem Wohlergehen beeinträchtigt sind, steht in Nordrhein-Westfalen ein breit aufgestelltes, fachlich fundiertes und ggf. auch spezialisiertes Hilfe- und Unterstützungsangebot zur Verfügung.