LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2683 24.05.2018 Datum des Originals: 23.05.2018/Ausgegeben: 29.05.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1008 vom 25. April 2018 des Abgeordneten Markus Wagner AfD Drucksache 17/2491 Strengere Regeln in der Abschiebehaftanstalt Büren - Von „Kuschelkurs light auf Kuschelkurs strict“? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach Medienberichten, z.B. in der Westfalenpost vom 05.01.17, sei in der einzigen NRW- Abschiebehaftanstalt in Büren die Bewegungsfreiheit für die untergebrachten Ausreisepflichtigen eingeschränkt worden1. Die Initiative „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren“ prangert einen eklatanten Personalmangel in Nordrhein-Westfalens einziger Abschiebehaftanstalt an. Das habe zur Folge, so deren Sprecher, dass die Haftbedingungen für die in der Einrichtung im Kreis Paderborn untergebrachten abgelehnten männlichen Asylbewerber verschärft wurden. Die zuständige Bezirksregierung Detmold bestätige „geänderte Regeln in den Vormittagsstunden“ seit dem 11. Dezember 2017. Neu sei, dass in der Zeit von 7 bis 14 Uhr der Aufenthalt in fremden Hafträumen und im Außenbereich der Einrichtung nicht möglich ist. Die Insassen der „Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige“ könnten aber vormittags weiterhin Sportangebote wie Fußball oder Gerätetraining sowie den Gebetsraum, die Küchen und das Internet nutzen. „In der Zeit von 14 bis 22 Uhr können sie sich sowohl in den Gebäuden als auch im Außenbereich frei bewegen und diversen Freizeitbeschäftigungen, wie Sportangeboten oder Tischfußball, Billard und Darts, nachgehen.“ Dem Sprecher der Bezirksregierung zufolge sind nach Paragraf 5 Abs. 1, Satz 2 des Abschiebungshaftvollzugsgesetzes NRW „Einschränkungen der Bewegungsfreiheit zulässig, wenn und soweit es die Sicherheit oder Ordnung einer Einrichtung erfordern“. Somit sei die Sache klar: Man argumentiere mit solchen Gefahren, damit man die Zahl der Gefangenen erhöhen könne. Und das, obwohl schon jetzt zu wenig Personal vorhanden sei. 1 https://www.wp.de/region/sauer-und-siegerland/strengere-regeln-in-der-abschiebehaftanstalt-buerenid 213016155.html LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2683 2 „Die Verantwortlichen suchen neue Mitarbeiter, finden aber so gut wie keine.“ Zudem gebe es einen hohen Krankenstand („20 bis 25 Prozent der Beschäftigten“). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2683 3 Das NRW-Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration wolle hingegen von einem Personalmangel nichts wissen. Die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, so ein Sprecher, hätten ihren Grund darin, dass sich die Zusammensetzung der Untergebrachten „in der jüngeren Vergangenheit“ verändert habe: „Zunehmend sind Personen aus problematischen Herkunftsländern und mit schwierigen persönlichen oder kriminellen Biografien aufgenommen worden.“ Dies habe auch zu Zwischenfällen und Störungen in der Einrichtung geführt. Denn hier seien überdurchschnittlich viele Personen in Abschiebehaft: 22,5 Prozent der Flüchtlinge in Deutschland seien auf NRW verteilt, aber 35 bis 40 Prozent der in einer Abschiebehaftanstalt Untergebrachten entfielen auf NRW. Dem Ministeriumssprecher zufolge wird die Einrichtung in Büren - Deutschlands größte Abschiebehaftanstalt - seit Mai 2017 mit einer Kapazität von 140 Plätzen betrieben. Am 31. Dezember 2017 waren 128 Ausreisepflichtige untergebracht. Severin: „Die Abschiebungshaft soll erweitert werden, da mit einem dauerhaft gestiegenen Bedarf an Plätzen gerechnet werden muss.“ Aufgrund der zunehmenden Zahl ablehnender Asylentscheidungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) werde die Zahl der Ausreisepflichtigen und „damit auch der Rückkehrbedarf zeitversetzt“ weiter ansteigen. „Aus diesem Grund soll die Kapazität in Büren auf 175 Plätze erhöht werden.“ Dieses ginge angesichts eines Mangels an qualifiziertem Personal nur, „wenn die Rechte der Gefangenen noch weiter eingeschränkt werden“. Das habe Folgen: Verschlechterte Haftbedingungen führten zu Unzufriedenheit, Unruhe und Konflikten. Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 1008 mit Schreiben vom 23. Mai 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet. 1. Ist die Aussage korrekt, dass nunmehr in der Zeit von 7 bis 14 Uhr der Aufenthalt in „fremden Hafträumen und im Außenbereich der Einrichtung“ nicht möglich ist und sich somit bislang jeder Abschiebehäftling in einer Zelle seiner freien Wahl aufhalten konnte? Freiheitsentziehende Maßnahmen nach ausländerrechtlichen Bestimmungen (Abschiebungshaft) werden nach dem Gesetz über den Vollzug der Abschiebungshaft in Nordrhein-Westfalen (Abschiebungshaftvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen - AHaftVollzG NRW) in der Einrichtung zur Unterbringung ausreisepflichtiger Personen (UfA) in Büren vollzogen. In diesem Gesetz sind die Voraussetzungen für die Gewährung und Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Untergebrachten in den für sie vorgesehenen Bereichen der Einrichtung geregelt. Seit Dezember 2017 gelten zur Sicherung der organisatorischen Abläufe und Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung der Einrichtung in der Zeit von 07.00 – 14.00 Uhr Einschränkungen. Die untergebrachten Personen können in diesem Zeitraum aber weiterhin Sportangebote sowie die Küchen und das Internet nutzen. In der Zeit von 14.00 bis 22.00 Uhr können sich die untergebrachten Personen sowohl in den für sie vorgesehenen Gebäuden als auch im Außenbereich frei bewegen. Damit wird den Anforderungen der Rechtsprechung des EuGH und des BGH zur Abgrenzung des Abschiebungshaftvollzugs im Verhältnis zum Strafvollzug Rechnung getragen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2683 4 2. Wie bewertet die Landesregierung die Aussage des Sprechers „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren“, hinsichtlich eines eklatanten Personalmangels in Nordrhein-Westfalens einziger Abschiebehaftanstalt und der weitergehenden Aussage zu einem Krankenstand von 20 bis 25 Prozent der Beschäftigten? (Bitte aufschlüsseln nach Ist und Soll – Personalschlüssel. Bitte den Krankenstand anhand des effektiven Personalschlüssels im Vergleich zu den Justizvollzugsanstalten NRW aufschlüsseln.) Zur Personalsituation und zum Personalschlüssel verweise ich auf meinen Bericht vom 02. März 2018 zum TOP „Personalsituation in der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige in Büren“ zur Sitzung des Integrationsausschusses am 07. März 2018 (Vorlage 17/592) und den Bericht in der Sitzung des Integrationsausschusses am 09. Mai 2018 verwiesen. Der Krankenstand erreichte im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit einer Krankheitswelle kurzzeitig ca. 20 %, ging aber danach wieder deutlich zurück. Zum Stichtag 30. April 2018 lag der Krankenstand bei 10 %. Der Krankenstand im Justizvollzug lag mit Stand April bei 10,94 %. 3. Entspricht die Aussage, dass die Insassen der „Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige“ sich auf dem Gelände frei bewegen dürfen und dabei sportlichen Freizeitaktivitäten nachgehen dürfen. § 12 AHaftVollzG NRW sieht vor, dass den Untergebrachten ausreichende sportliche Betätigung sowohl im Außenbereich als auch in den Gebäuden einer Einrichtung ermöglicht werden. Sportliche Betätigung findet unter Aufsicht in besonderen Bereichen statt. Im Übrigen wird auf die Antwort auf Frage 1 verwiesen. 4. Was versteht die Landesregierung unter: „Personen aus problematischen Herkunftsländern und mit schwierigen persönlichen oder kriminellen Biografien, einhergehend mit Zwischenfällen und Störungen in der Einrichtung“? In der UfA Büren sind häufig Personen untergebracht, die im Herkunftsland ohne Zukunftsperspektive aufgewachsen und teilweise straffällig geworden sind. Dies trifft insbesondere auf allein reisende junge Männer zu, die auch während ihres Aufenthaltes in Deutschland strafrechtlich in Erscheinung getreten oder in sonstiger Weise auffällig geworden sind. In der Vollzugspraxis kommt es vor, dass Untergebrachte die sozialen Schwierigkeiten ihres Alltages auch auf den Vollzugsalltag während der Unterbringung in der UfA Büren übertragen, was zu Konflikten innerhalb der Einrichtung führen kann. 5. Was versteht die Landesregierung unter „dauerhaft gestiegenen Bedarf an Plätzen“? Bitte aufschlüsseln nach aktuellem Platzangebot und „gestiegenem Bedarf“ für die Jahre 2017-2022 (Prognose). (Gehen Sie bei der Beantwortung der Frage bitte auch darauf ein, ob Veränderungen des Personalschlüssels zu Lasten von Justizvollzugsanstalten erfolgen sollen.) Die zunehmende Zahl an Ausreisepflichtigen, verbesserte Rückführungsmöglichkeiten bei bisherigen Problemstaaten (z.B. Marokko) und veränderte Maßstäbe nach dem Fall Amri führen zu einem steigenden Bedarf an Abschiebehaftplätzen und erfordern einen weiteren Ausbau der Einrichtung zur Erhöhung der Kapazitäten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2683 5 Die Kapazitäten wurden von zunächst 100 über 120 auf 140 Haftplätze erhöht. Für die geplante weitere Erhöhung auf 175 Haftplätze müssen die personellen Voraussetzungen im Bereich des staatlichen Vollzugspersonals geschaffen sowie die organisatorischen Strukturen angepasst werden. Ein Baustein ist auch hier die Novellierung des Abschiebungshaftvollzugsgesetzes (AHaftVollzG). Die Eckpunkte hierzu sind am 11. April 2018 im Kabinett beschlossen worden. Veränderungen des Personalschlüssels zu Lasten von Justizvollzugsanstalten sind hierbei nicht vorgesehen. Im Übrigen wird auf die Beantwortung zur Frage 2 verwiesen.