LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2696 28.05.2018 Datum des Originals: 24.05.2018/Ausgegeben: 01.06.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 983 vom 16. April 2018 des Abgeordneten Helmut Seifen AfD Drucksache 17/2427 Deutlich mehr Gewalt an den Schulen in Nordrhein-Westfalen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Unter dieser Überschrift berichtete die Westdeutsche Zeitung v. 16.04.2018 wie folgt: „Laut Polizei gab es im vergangenen Jahr mehr Straftaten. Die Zahl der Straftaten an den nordrhein-westfälischen Schulen ist 2017 um fast fünf Prozent gestiegen. Das waren gut 1000 Taten mehr als im Vorjahr, wie eine Auswertung des Landeskriminalamts ergab. 22 900 Straftaten wurden demzufolge im vorigen Jahr an den Schulen des Landes begangen - nach 21800 im Vorjahr. Der Zunahme von 4,9 Prozent steht eine verbesserte Aufklärungsquote gegenüber: Nach 38,2 Prozent im Vorjahr stieg diese auf 40,2 Prozent. Auffällig ist, dass besonders die Gewaltdelikte an den Schulen zunahmen, während die Fälle von Diebstahl sogar zurückgingen. So nahm die Zahl der Körperverletzungen von 5600 auf 6200 zu. Die Zahl der Vergewaltigungen und sexuellen Nötigungen stieg im Vergleichszeitraum von 40 auf 55 Fälle. Die Zahl der Raubtaten stieg von 91 auf 105. Auch die registrierten Fälle von Nötigung und Beleidigung stiegen. Bei den Hausfriedensbrüchen verzeichnet die Statistik binnen eines Jahres einen Anstieg von 340 auf 440 Taten. Die Zahl der versuchten und vollendeten Brandstiftungen schnellte von 48 auf 75 empor. Verstöße gegen das Waffengesetz wurden 2017 an den Schulen 159 Mal registriert im Vorjahr waren es 122 Fälle. Zwei Tötungsverbrechen wurden 2017 an NRW-Schulen begangen, nach einem Fall im Vorjahr. Auch in diesem Jahr wird die Statistik mindestens einen Fall ausweisen: Ende Januar war in einer Gesamtschule in Lünen ein 14-Jähriger Schüler erstochen“1. 1 http://landtag/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument?Id=20180416069|00000|00000 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2696 2 In der Rheinischen Post v. 16.04. 2018 findet sich ein Hinweis auf die Ursachen: „Woher die steigenden Straftaten speziell an Schulen kommen, zeigt die Statistik zwar nicht, doch die allgemeine Statistik der NRW-Polizei gibt einen Hinweis: Nichtdeutsche Tatverdächtigte machen bei Jugendlichen (14 bis 17 Jahre) einen überproportionalen Anteil der Tatverdächtigten aus.“2 Weniger bemüht, die verordnete „Willkommenskultur“ nicht zu beschädigen, zeigt sich die ostdeutsche Presse, etwa in einem Bericht der Freien Presse in Freiberg v. 14.04.2018. Dort heißt es: „Das Polizeiprotokoll führt den Vorfall vom 3. Mai 2017 als "Körperverletzung - Ausländerbezug". An der Oberschule "Gottfried Pabst von Ohain" geraten zwei deutsche und zwei syrische Schüler aneinander. Von Rangelei ist die Rede, dann folgt der Satz: Ein 48- jähriger Lehrer, der schlichten wollte, ging dazwischen und bekam versehentlich einen Schlag gegen die Schläfe. Der Schulleiter schildert den Fall als Prügelei. Ein Lehrer sei derartig beschimpft und beleidigt worden, dass man die Polizei rief, so D. H. Es war nicht der erste Vorfall dieser Art an der Freiberger Oberschule. Zuvor hatte bereits ein ausländischer Schüler einen Lehrer mit den Worten bedroht: "Ich komme zurück und bringe dich um!"“3 Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 983 mit Schreiben vom 24. Mai 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Schule und Bildung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung+ Als Datenbasis für die Beantwortung der Fragen 1, 2 und 4 dient die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Die Erfassung von Fällen, Tatverdächtigen und Opfern in der PKS erfolgt nach bundeseinheitlichen, jährlich mit den beteiligten Gremien abgestimmten Richtlinien. Die in der Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage genannten Fallzahlen zum Anstieg der Vergewaltigungen und sexuellen Nötigungen sowie die zu den Körperverletzungsdelikten sind nicht zutreffend. Es gab einen tatsächlichen Anstieg von 40 (2016) auf 45 Fälle der Vergewaltigung/sexuelle Nötigung mit der Tatörtlichkeit Schule und nicht auf 55 in 2017. Die Anzahl der Körperverletzungsdelikte an dieser Tatörtlichkeit stieg insgesamt von 2.841 auf 3.146. 1. Gibt es in der nordrhein-westfälischen Polizeistatistik eine ähnliche Kategorie wie "Körperverletzung - Ausländerbezug" in Sachsen? In der PKS Nordrhein-Westfalen werden gemäß der bundeseinheitlichen Richtlinien die Staatsangehörigkeiten zu Opfern und Tatverdächtigen erfasst. Diese Informationen sind geeignet, um umfassend Auskunft über nichtdeutsche Opfer und die durch Nichtdeutsche begangenen Straftaten zu geben. 2 http://landtag/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/20180416062.pdf 3 https://www.freiepresse.de/LOKALES/MITTELSACHSEN/FREIBERG/Freiberg-eine-Stadt-unter- Druck-artikel10182225.php LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2696 3 2. Wie viele Fälle von Gewaltkriminalität mit Ausländerbezug, die zur Anzeige gebracht wurden, gab es an den Schulen 2017 in Nordrhein-Westfalen? Die Fallzahlen der „Gewaltkriminalität“ an Schulen mit der Beteiligung von nichtdeutschen Tatverdächtigen sowie die Fälle mit nichtdeutschen Opfern sind in der Anlage dargestellt. Die Definition zur Erfassung der Tatörtlichkeit „Schule“ umfasst das Schulgebäude, umfriedetes Gelände der Schule, das unmittelbare Umfeld, den Schulweg und Örtlichkeiten außerhalb des Schulgebäudes, an denen schulische Veranstaltungen stattfinden (z. B. Klassenfahrten, Schulsport). Bei Taten im unmittelbaren Umfeld der Schule, dem Schulweg und bei anderen schulischen Veranstaltungen muss die Tat einen unmittelbaren schulischen Bezug erkennen lassen oder im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Schulbesuch stehen. Taten auf dem Schulgelände oder im Schulgebäude werden auch außerhalb des Schulbetriebs unter der Tatörtlichkeit Schule erfasst. Diese Kriterien haben sich seit Einführung der Tatörtlichkeit „Schule“ im Jahr 2008 nicht verändert. 3. Plant die Landesregierung, Schulleitern die dienstrechtliche Möglichkeit zur Anzeigenerstattung bei Gewaltdelikten an ihrer Schule einzuräumen? Schulleiterinnen und Schulleiter sind bereits gemäß § 29 Abs. 1 Allgemeine Dienstordnung für Lehrerinnen und Lehrer, Schulleiterinnen und Schulleiter an öffentlichen Schulen in Nordrhein- Westfalen sowie gemäß des gemeinsamen Runderlasses „Zusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung der Jugendkriminalität“ seit 2007 verpflichtet, die Strafverfolgungsbehörden zu benachrichtigen, sofern gegen Schülerinnen oder Schüler der Verdacht der Begehung eines Verbrechens besteht. Soweit sich der Verdacht einer sonstigen strafbaren Handlung (Vergehen) ergibt, hat die Schulleitung zu prüfen, ob pädagogische/schulpsychologische Unterstützung, erzieherische Einwirkung beziehungsweise Ordnungsmaßnahmen ausreichen oder ob wegen der Schwere der Tat eine Benachrichtigung der Polizei oder der Staatsanwaltschaft erforderlich ist. Dies ist regelmäßig der Fall bei • gefährlichen Körperverletzungen • Einbruchsdiebstählen • Verstößen gegen das Waffengesetz • Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz • gefährlichen Eingriffen in den Straßenverkehr • erheblichen Fällen von Bedrohung, Sachbeschädigung oder Nötigung sowie • politisch motivierten Straftaten. Die Polizei ist darüber hinaus zu benachrichtigen, soweit der Schulleitung oder einer Lehrperson zureichende tatsächliche Anhaltspunkte auf bevorstehende erhebliche Straftaten vorliegen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2696 4 4. Welche Informationen liegen der Landesregierung über die Entwicklung von Gewaltdelikten an Privatschulen vor? Die Tatörtlichkeit „Privatschule“ wird in der PKS Nordrhein-Westfalen nicht gesondert erfasst. Seitens der Ersatzschulen in freier Trägerschaft werden auch dem Ministerium für Schule und Bildung keine Informationen über die Entwicklung von Gewaltdelikten gemeldet. 5. Welche Schlussfolgerungen zieht die Landesregierung über die Ursachen der Steigerung massiver Gewaltdelikte auch mit Todesfolge an den Schulen des Landes? Ein möglicher Grund für steigende Fallzahlen kann unter anderem in einer zunehmenden Sensibilisierung und dem gewachsenen Problembewusstsein für derartige Vorkommnisse in der Schule gesehen werden, wonach diese heute häufiger gemeldet werden. Das Ministerium für Schule und Bildung bietet im Bereich der Gewaltprävention und Krisenintervention bewährte Unterstützung und Hilfe für Schulen an, beispielsweise über die schulpsychologischen Dienste, Schulsozialarbeit und Beratungslehrkräfte. Die Landesstelle Schulpsychologie und Schulpsychologisches Krisenmanagement bei der Bezirksregierung Arnsberg hat den Auftrag, die Schulen gemeinsam mit den Bezirksregierungen und den Schulämtern landesweit zu unterstützen. Kernaufgabe ist die landesweite Entwicklung und Durchführung von Fortbildungen und Supervisionsveranstaltungen. Ein Arbeitsschwerpunkt liegt im Bereich der Prävention und Intervention bei Gewalterscheinungen jeder Art. Hier wurde die Personalausstattung von drei auf sechs Stellen verdoppelt. Die Landespräventionsstelle gegen Gewalt und Cybergewalt an Schulen in Nordrhein- Westfalen, die das Ministerium für Schule und Bildung gemeinsam mit der Landeshauptstadt Düsseldorf und der Bezirksregierung Düsseldorf eingerichtet hat, ist für Schulen eine zentrale Anlaufstelle und unterstützt diese systematisch in ihrem Engagement gegen Gewalt. Sie bietet auch betroffenen Lehr- und Fachkräften Unterstützung und Informationsmaterial an (www.duesseldorf.de/lps.html). Das Land unterstützt die Landespräventionsstelle mit zwei Lehrerstellen. In einigen Städten sind bereits Häuser des Jugendrechts eingerichtet, um die Wege zwischen Ordnungsbehörde, Justiz und Polizei zu verkürzen. Diese Netzwerkarbeit ist eine wesentliche Voraussetzung für die Abstimmung und Durchführung wirksamer Präventions- und Interventionsmaßnahmen. Die Landesregierung hat es sich zum Ziel gesetzt, diese gewinnbringende Zusammenarbeit der unterschiedlichen Institutionen auf das gesamte Land auszudehnen. Das Ministerium für Schule und Bildung hat den Notfallordner Hinsehen und Handeln für Schulen in Nordrhein-Westfalen entwickelt. Allen Schulen wurde empfohlen, Schulteams für Gewaltprävention und Krisenintervention einzurichten, um auf Gewalt- und Krisenereignisse gut vorbereitet zu sein. Neben zahlreichen zentralen Maßnahmen der Landesregierung führen die Schulen eine Vielzahl von Programmen, Aktivitäten und Projekten zur Stärkung des sozialen Zusammenhangs, zur Verhinderung von Ausgrenzung und zur Förderung eines respektvollen, gewalt- und angstfreien Schulklimas durch. Dazu gehören beispielsweise die Projekte „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ und „Schule der Vielfalt – Schule ohne Homophobie“. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2696 5 Im Programm Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK) ist Gewaltprävention ein Schwerpunkt. Auch der Landespräventionsrat hat diesbezüglich umfangreiche Medien erstellt und veröffentlicht. Die vielfältigen Maßnahmen der Landesregierung sind geeignet, Gewalt an Schulen in Nordrhein-Westfalen wirksam entgegenzutreten. Nichtsdestotrotz prüft die Landesregierung, ob über die bereits gefassten Maßnahmen hinaus Handlungsbedarf besteht. Die Zielsetzung der Landesregierung ist klar: Schulen sind Orte, an denen physische und psychische Gewalt keinen Platz haben dürfen. Die Bekämpfung von Jugendkriminalität ist der Landesregierung ein zentrales Anliegen. Der nachweislich konsequenten Umsetzung des gemeinsamen Runderlasses „Zusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung der Jugendkriminalität“ kommt hierbei wesentliche Bedeutung zu. Anlage 1 Kleine Anfrage 983 Delikt Fälle mit Beteiligung von nichtdeutschen TV und/oder nichtdeutschen Opfern Davon: Fälle mit Beteiligung von nichtdeutschen TV Davon: Fälle mit Beteiligung von nichtdeutschen Opfern Gewaltkriminalität (Summenschlüssel) 449 381 192 davon: Gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 StGB auf Straßen, Wegen oder Plätzen 172 144 76 Handtaschenraub gemäß § 249 StGB 1 1 0 Räuberischer Diebstahl § 252 StGB 3 2 1 Schwere Körperverletzung auf Straßen, Wegen oder Plätzen § 226 StGB 1 1 1 Schwerer Raub auf sonstige Zahlstellen oder Geschäfte § 250 StGB 1 1 0 Sonstige räuberische Erpressung § 255 StGB 5 4 1 Sonstige räuberische Erpressung auf Straßen, Wegen oder Plätzen § 255 StGB 10 9 4 Sonstige sexuelle Nötigung § 177 Abs. 1 und Abs. 5 StGB 5 5 3 Sonstige Straftaten gemäß § 177 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 und 4 StGB 7 6 4 Sonstige Tatörtlichkeit bei gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 StGB 212 179 94 Sonstige Tatörtlichkeit bei schwerer Körperverletzung § 226 StGB 1 1 1 Sonstiger Raub § 249 StGB 10 8 5 Sonstiger Raub auf Straßen, Wegen oder Plätzen § 249 StGB 12 12 0 Sonstiger schwerer Raub auf Straßen, Wegen oder Plätzen § 250 StGB 6 5 2 Totschlag § 212 StGB 1 1 0 Vergewaltigung/sexuelle Nötigung durch Gruppen § 177 Abs. 2 Nr. 2 StGB 2 2 0 In der Tabelle allerdings wird dieser Fall sowohl bei den Fällen mit nichtdeutschen TV als auch bei den Fällen mit nichtdeustchen Opfern angegeben. Es würde demnach zu einer Überzählung kommen. Die Fälle mit nichtdeutschen TV und nichtdeutschen Opfern können nicht addiert werden um deren Gesamtzahl zu ermitteln. So kann ein Fall von einem nichtdeutschen TV an einem nichtdeutschen Opfer begangen worden sein. Dies wäre in der PKS als ein Fall zu zählen. Gewaltkriminalität mit Tatörtlichkeit Schule (1. bis 13. Klasse) in NRW