LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2702 28.05.2018 Datum des Originals: 25.05.2018/Ausgegeben: 01.06.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1002 vom 23. April 2018 der Abgeordneten Dr. Dennis Maelzer und Jürgen Berghahn SPD Drucksache 17/2483 Mikroplastik in NRWs Flüssen nachgewiesen. Was unternimmt die Landesregierung dagegen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Laut der aktuellen bundesländerübergreifenden Untersuchung in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wurde in allen der 25 getesteten Flüssen im Einzugsgebiet von Rhein und Donau, Mikroplastik in verschiedenen Konzentrationen nachgewiesen. Zudem geht die Untersuchung davon aus, dass die Mikroplastikkonzentration noch weit höher liegen könnte als bei der Untersuchung gemessen. Eine Verbesserung der angewandten Messmethoden und der Analyse seien bei einer erneuten Messung sinnvoll. Ferner könnten die neuen Messmethoden Aufschluss über den gefundenen hohen Anteil von semiquantitativ erfassten, sehr kleinen Partikel geben. Der Minister für Verkehr, zugleich auch für das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, insofern mit der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragte, hat die Kleine Anfrage 2702 mit Schreiben vom 25. Mai 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Das Thema Mikroplastik ist in den letzten Jahren sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene verstärkt in den Fokus gerückt. Während die Verschmutzung der Weltmeere durch Kunststoffmüll seit Jahrzehnten bekannt ist, erfährt das Thema „(Mikro)Plastik in Binnengewässern“ erst in jüngerer Zeit zunehmend Aufmerksamkeit in Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit. Fließgewässer werden nicht mehr nur als potentielle Eintragspfade für Mikroplastik in marine Systeme diskutiert, sondern selbst hinsichtlich ihrer Belastung mit LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2702 2 Mikroplastikpartikeln untersucht. Entsprechend gibt es jedoch noch immer erhebliche Wissenslücken auf nahezu allen Gebieten. Diese beginnen bei fehlenden Definitionen des Begriffes Mikroplastik. Der Begriff „Mikroplastik" bezeichnet gemeinhin Kunststoffteile unterschiedlicher Polymerzusammensetzung, die kleiner als 5 mm sind. Eine Untergrenze ist jedoch nicht definiert. 1. Wie hoch ist die Mikroplastikbelastung der Gewässer in NRW? Vor dem Hintergrund der wenigen Daten zu Mikroplastik in Gewässern und dem Fehlen standardisierter Monitoring-Verfahren hat das Umweltministerium das Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz (LANUV) bereits im September 2014 beauftragt, im Rahmen einer Kooperation mit der Universität Bayreuth durch Probenahme und Analytik eine Beurteilung der Relevanz von Mikroplastik in Binnengewässern Nordrhein-Westfalens zu ermöglichen. Ziel war eine erste Übersicht über den Gehalt von Mikroplastik in den Gewässern in Nordrhein-Westfalen (siehe auch Vorlage 16/3599). Die Untersuchungen erfolgten in enger Abstimmung mit vier weiteren Bundesländern (Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz). Unter Federführung von Nordrhein-Westfalen wurden die Ergebnisse der oberflächennahen Beprobung in einem ersten Bericht zusammengefasst, der seit dem 15.03.2018 über die Internetseite des LANUV öffentlich verfügbar ist. Diese Untersuchungen stellen die bislang umfangreichste Mikroplastik-Studie an Binnengewässern dar. (https://www.lanuv.nrw.de/umwelt/wasser/wasserrahmenrichtlinie/gewaesserueberwachung/ mikroplastik_in_binnengewaessern/). In Nordrhein-Westfalen wurden Proben aus Rhein, Sieg, Wupper, Ruhr, Emscher, Lippe und Weser an der Wasseroberfläche entnommen und analytisch auf Kunststoffobjekte bis zu einer unteren Größengrenze von 20 Mikrometern untersucht. Die folgenden Angaben beziehen sich auf die Gesamtkonzentrationen erfasster Plastikpartikel inklusive Makroplastik – also Plastikobjekten größer 5 Millimeter. In den 11 untersuchten Proben aus Nordrhein-Westfalen wurden folgende Ergebnisse festgestellt: Fluß Entnahmestelle Ergebnis Emscher Mündung in den Rhein 214 Partikel/m³ Lippe Mündung in den Rhein 50 Partikel/ m³ Rhein Kleve-Bimmen 9 Partikel/ m³ Rhein Düsseldorf 7 Partikel/ m³ Rhein Bad Honnef 15 Partikel/ m³ Ruhr uh der Quelle 13 Partikel/ m³ Ruhr 1 km vor Mündung Rhein 11 Partikel/ m³ Ruhr Mündung in den Rhein 173 Partikel/ m³ Sieg Mündung in den Rhein 27 Partikel/ m³ Weser Porta Westfalica 5 Partikel/ m³ Wupper Mündung in den Rhein 54 Partikel/ m³ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2702 3 Die Ergebnisse liegen etwa im Bereich anderer Untersuchungen in Europa und Nordamerika, also Regionen mit vergleichbaren zivilisatorischen Mustern. Ein 1:1-Vergleich mit anderen Studien ist mangels standardisierter Untersuchungsmethoden jedoch schwierig. Bei diesen Ergebnissen handelt es sich um einmalige Momentaufnahmen in den Gewässern, deren Interpretation einer gewissen Vorsicht bedarf. Ein zweiter Berichtsteil, der die Ergebnisse aus weiteren Gewässerkompartimenten darstellen wird, ist derzeit in Bearbeitung. Nur die Betrachtung aller Gewässerkompartimente kann Aufschluss über die tatsächliche Belastungssituation geben. 2. Was unternimmt das Land NRW um die Konzentration von Mikroplastik zu verringern? Einerseits gilt es Mikroplastik zu vermeiden, wo es vermeidbar ist. Hier setzt die Landesregierung auf kooperative Ansätze wie die Selbstverpflichtung der Industrie zum Verzicht auf Mikroplastik in Kosmetikprodukten. Dieses wird die Landesregierung weiter aktiv einfordern. Gleichzeitig bestehen zum Thema Mikroplastik noch erhebliche Wissensdefizite, die es erschweren, Maßnahmen zielgerichtet zu planen. Die Vielzahl offener Fragestellungen kann nur im Rahmen breit angelegter Forschungsprojekte beantwortet werden. Diese stehen zum Beispiel im Fokus der aktuellen Fördermaßnahme „Plastik in der Umwelt, Quellen, Senken, Lösungsansätze“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Auch die Landesregierung setzt auf Forschung und Erkenntnisgewinn, um effiziente Maßnahmen entwickeln zu können: Aufbauend auf den Ergebnissen der bundesländerübergreifenden Untersuchung werden weitere Gewässer- und Abwasseruntersuchungen durchgeführt. Nordrhein-Westfalen fördert das F&E Projekt „Eintrag von Mikrokunststoffen aus abwassertechnischen Anlagen – Kläranlagen und Mischwasserbehandlungen (MiKaMi)“. Das LANUV unterstützt als Stakeholder zwei geförderte Projekte des BMBF. Im Projekt „PlastX – Mikroplastik in Fließgewässern“ werden neue Bewertungskonzepte zum Risiko von Mikroplastik für Fließgewässerökosysteme entwickelt. Im Projekt „PLAWES – Mikroplastikkontamination im Modellsystem Weser – Nationalpark Wattenmeer: ein ökosystemübergreifender Ansatz“ wird die Kunststoffbelastung eines großen Flusseinzugsgebietes umfassend untersucht und ökosystemübergreifend bilanziert. Zudem tragen weitere nationale und internationale Projekte dazu bei, die großen Wissenslücken über die Eintragspfade und das Umweltverhalten von Kunststoffpartikeln sowie deren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt zu schließen. Nordrhein-Westfalen verfolgt die Entwicklung dieser Projekte, um auf diese Ergebnisse aufbauen zu können. Darüber hinaus bringt sich die Landesregierung auch in Prozesse auf europäischer Ebene ein: Die EU-Kommission hat die Europäische Chemikalienagentur ECHA Anfang Januar 2018 gebeten, einen Vorschlag für eine Beschränkung von Mikroplastik nach der REACH- Verordnung auszuarbeiten. Dieser Prozess wird von der Landesregierung (Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales) fachlich begleitet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2702 4 3. In wie weit können die Kläranlagen in NRW, Mikroplastik aus den geklärten Wasser filtern? 4. Könnten die Kläranlagen in NRW so umgerüstet werden, dass sie die komplette Mikroplastikkonzentration aus dem Abwasser filtern können? (bitte mit Benennung etwaiger Kosten) Die Fragen 3 und 4 werden im Zusammenhang beantwortet. Bislang liegen nur wenige Studien zur Rückhaltung von Mikroplastik in Kläranlagen vor. Diese zeigen generell, dass Mikroplastik in kommunalen Kläranlagen nicht vollständig zurück gehalten wird und somit ein Teil des Mikroplastiks aus den Kläranlagen in die Gewässer eingeleitet wird. Jedoch sind die bisherigen Ergebnisse sehr unterschiedlich – insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass es auch hier noch keine vereinheitlichte Messmethodik gibt und die Ergebnisse damit oft nicht vergleichbar sind. In Nordrhein-Westfalen wurden im Rahmen der oben genannten Länderuntersuchungen die Abläufe von drei Kläranlagen beprobt. Die Ergebnisse werden derzeit ausgewertet und sollen Ende 2018 veröffentlicht werden. Weitere Erkenntnisse zum Verhalten von Mikroplastik in Kläranlagen werden in Nordrhein-Westfalen aus dem derzeit laufenden Projekt MIKAMI, das im Auftrag vom LANUV durchgeführt wird, Ende 2018 erwartet. Bei der Frage nach einem vollständigen Rückhalt von Mikroplastik stellt sich zudem die Frage nach der Definition von Mikroplastik und insbesondere der unteren Größengrenze. Je kleiner die Partikel werden, desto feiner müssen die Rückhaltemechanismen ausgelegt werden. Ohne eine verlässliche Aussage, auf was eine Technik zum Rückhalt auf einer Kläranlage ausgerichtet sein muss, ist die Entwicklung, Planung oder Umsetzung dieser derzeit nicht zielgerichtet möglich. Damit ist auch eine Kostenabschätzung aktuell nicht möglich. 5. Wie unterstützt das Land die Kommunen bei der Umrüstung der Kläranlagen? Die Verfahrenstechnik zur Entfernung von partikulärem Mikroplastik in kommunalen Kläranlagen ist noch nicht als Stand der Technik anzusehen. Aufbauend auf Erkenntnissen (z.B. aus MIKAMI) werden zunächst noch halb- oder großtechnische Untersuchungen auf Kläranlagen notwendig sein. Zur Weiterentwicklung technischer Verfahren unterstützt das Land Nordrhein-Westfalen Forschungsinstitute oder Betreiber von Kläranlagen im Einzelfall durch Anteilsfinanzierung bei konkreten Pilotprojekten, die über den Einzelfall hinaus eine Weiterentwicklung des Standes der Technik erwarten lassen.