LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2713 29.05.2018 Datum des Originals: 28.05.2018/Ausgegeben: 04.06.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 966 vom 11. April 2018 der Abgeordneten Josefine Paul und Matthi Bolte-Richter BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/2369 Übermittlung von Personendaten nach Russland bei gleichzeitiger Warnung an WM- Touristen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Ausländische Gäste der Fifa-Fußballweltmeisterschaft der Männer benötigen zur visafreien Einreise nach Russland eine sogenannte Fan-ID, welche Online beantragt werden kann. Die Welt berichtete am 20. März 2018 darüber, dass Innenminister Herbert Reul seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darüber informiert habe, dass für die Beantragung der Fan-ID keine dienstlichen E-Mailadressen und Mobilfunknummern verwendet werden dürfen. Auch sei die Angabe der Dienstanschrift als Zustelladresse untersagt. Die erhobenen personenbezogenen Daten würden durch das russische Ministerium für Kommunikation und Medien verarbeitet und an eine zum Sicherheitsbereich gehörende föderale Exekutivbehörde zwecks Überprüfung weitergegeben. Des Weiteren hätte Minister Reul in dem rund drei Seiten langen internen Schreiben auch darauf hingewiesen, „dass auch private IT Ziel einer Ausspähung sein kann. Es wird daher empfohlen, auf die Mitnahme privater IT und Smartphone zu verzichten.“ Die Landesregierung hat auf die kleine Anfrage zur Übermittlung von Personendaten nach Russland (Drucksache 17/2091) geantwortet, dass im Rahmen des Confed-Cup 2017 auch die Datensätze von zwei Personen aus NRW an Russland übermittelt wurden. Nach Sicht der Landesregierung ist die Übermittlung von Personendaten im konkreten Einzelfall rechtmäßig, sofern „eine Begrenzung auf hinreichende Zwecke“ und „die Vergewisserung über einen rechtsstaatlichen Umgang mit diesen Daten im Empfängerland sowie die Sicherstellung einer wirksamen inländischen Kontrolle.“ gegeben sind. Dabei stützt sich die Landesregierung auf die Einschätzung der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI). Wurde die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein- Westfalen (LDI NRW) im genannten Fall nicht um eine Stellungnahmen gebeten, so soll sie laut Landesregierung nun aber sehr wohl bei einem möglichen weiteren Datenermittlungsgesuch durch russischen Sicherheitsbehörden gegenüber deutschen Sicherheitsbehörden anlässlich der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft der Männer 2018 einbezogen werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2713 2 Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 966 mit Schreiben vom 28. Mai 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten beantwortet. 1. Welche Erkenntnisse veranlassten Innenminister Reul ggf. dazu, seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die Gefahr einer Ausspähung in Russland hinzuweisen? 2. Wieso informiert der NRW-Innenminister die Bevölkerung NRWs nicht über seine Bedenken zum rechtstaatlichen Umgang mit Personendaten, die im Rahmen der Onlinebeantragung zur Fan-ID erhoben werden? Die Fragen 1 und 2 werden im Sachzusammenhang beantwortet. Das Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen hat im Jahr 2017 Vorfälle im Zusammenhang mit Grenzkontrollen bei Reisen in die Russische Föderation zum Anlass genommen , den Geheimschutzbeauftragten der Behörden Nordrhein-Westfalens „Allgemeine Sicherheits- und Reisehinweise insbesondere für Reisen in Staaten mit besonderem Sicherheitsrisiko “ an die Hand zu geben. Zielgruppe dieser Reisehinweise war sicherheitsempfindlich eingesetztes Personal. Dieser Personenkreis ist bei Reisen in Staaten mit besonderem Sicherheitsrisiko einer erhöhten Gefährdung durch Anbahnungs- oder Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste ausgesetzt . Die Staaten mit besonderem Sicherheitsrisiko werden vom Bundesministerium des Innern , für Bau und Heimat als nationale Sicherheitsbehörde festgelegt. Die Sicherheits- und Reisehinweise geben dem sicherheitsempfindlich eingesetzten Personal auf, Reisen in Staaten mit besonderen Sicherheitsrisiken rechtzeitig vor Antritt der Reise der/dem zuständigen Geheimschutzbeauftragten anzuzeigen. Aufgrund entsprechender Reiseanzeigen zur Fußball-WM 2018 in die Russische Föderation hat das Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen die Sicherheits- und Reisehinweise hinsichtlich der visafreien Einreise mit der sogenannten „FAN-ID“ erneuert und konkretisiert , um das sicherheitsempfindlich eingesetzte Personal noch einmal zu sensibilisieren. Die offen für jedermann verfügbaren Regularien zum Anmeldeverfahren für die „FAN-ID“ legen nahe, dass lediglich eine Ersatzmaßnahme für das sonst übliche Visaverfahren geschaffen wurde. In den bereits 2017 herausgegebenen „Allgemeinen Sicherheits- und Reisehinweisen insbesondere für Reisen in Staaten mit besonderem Sicherheitsrisiko“ wurde zudem explizit auf das für generelle Reisehinweise und Reisewarnungen zuständige Auswärtige Amt verwiesen. Die Informationen des Auswärtigen Amtes sind für jedermann, jederzeit und aktuell unter „Reise und Sicherheit“ auf der Homepage des Auswärtigen Amtes abrufbar. 3. Welche der in der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht zum BKAG vom 20.04.2016 (1BvR 966/09 und 1 BvR 1140/09) genannten Mindestanforderungen für eine Datenübermittlung in Drittstaaten sieht die Landesregierung im Falle Russlands als erfüllt an? Sollte das Bundeskriminalamt eine generelle Länderbewertung für Datenübermittlungen nach Russland vornehmen, beabsichtigt die Landesregierung diese Bewertung entsprechenden Datenübermittlungen zu Grunde zu legen. Dieses Vorgehen erfolgt im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung. Das BVerfG führt in der Entscheidung hierzu u.a. aus: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2713 3 (…) „Die Gewährleistung des geforderten Schutzniveaus im Empfängerstaat muss nicht für jeden Fall einzeln geprüft und durch völkerrechtlich verbindliche Einzelzusagen abgesichert werden. Der Gesetzgeber kann diesbezüglich auch eine generalisierende tatsächliche Einschätzung der Sach- und Rechtslage der Empfängerstaaten durch das Bundeskriminalamt ausreichen lassen.“ (…) (BVerfG, BVerfGE 141, 220-378 Rz. 337). Im Übrigen können die seitens des BVerfG in genannter Entscheidung aufgestellten Forderungen nach einer hinreichenden Zweckbegrenzung (einschließlich der Berücksichtigung des Grundsatzes der hypothetischen Datenneuerhebung) und nach einer Vergewisserung über einen rechtsstaatlichen Umgang mit den übermittelten Daten im Empfängerland nicht pauschal , sondern nur einzelfallbezogen geprüft werden. 4. Hat die Landesregierung mittlerweile die Einschätzung der Landesbeauftragten für Datenschutz in der Frage der personenbezogenen Datenübermittlung an Russland eingeholt? Unter Berücksichtigung der Bewertung der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) erfolgt keine pauschale Übermittlung von personenbezogenen Daten an die Sicherheitsbehörden der russischen Föderation durch eine nordrhein-westfälische Polizeibehörde. Eine Einbeziehung der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen (LDI NRW) war vor diesem Hintergrund bislang nicht angezeigt. 5. Wird sich die Landesregierung, im Falle eines möglichen Datenübermittlungsersuchens durch die russischen Sicherheitsbehörden anlässlich der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft der Männer 2018 dafür aussprechen, keine Personendaten an Russland zu übermitteln? Entsprechende Ersuchen werden nach Maßgabe der datenschutzrechtlichen Voraussetzungen geprüft und einzelfallbezogen entschieden. Hierbei wird die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen (LDI NRW) einbezogen.