LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2717 29.05.2018 Datum des Originals: 29.05.2018/Ausgegeben: 04.06.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1021 vom 2. Mai 2018 der Abgeordneten Alexander Langguth und Marcus Pretzell FRAKTIONSLOS Drucksache 17/2513 Systematischer Missbrauch von Sozialleistungen in Nordrhein-Westfalen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Bereits in unserer Kleinen Anfrage „Massiver Sozialbetrug in Nordrhein-Westfalen. Oder wohnen tatsächlich 6000 Personen in einem Haus?“ (Drucksache 17/2340) haben wir die Landesregierung aufgefordert, uns ihren Kenntnisstand zu dem von GdP-Bundes-Vize Arnold Plickert erwähnten massiven Sozialbetrug in Duisburg mitzuteilen.1 Nun ist es in Duisburg, Essen, Gelsenkirchen und Hagen zu einer großangelegten Kontrollaktion mit 210 Einsatzkräften gekommen. „Überprüft werden die Lebensumstände und Angaben von Leistungsbeziehern“, so die Vorsitzende der Geschäftsführung der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit, Christiane Schönefeld.2 Im Januar erhielten über 13.000 südosteuropäische Zugezogene, die im Fokus der Maßnahme stehen, Sozialleistungen. Darüber hinaus scheinen auch Arbeitgeber, Dolmetscher und Vermieter in den Sozialbetrug involviert zu sein.3 In vielen Fällen seien die Arbeitgeber selbst die Drahtzieher.4 Städtische Mitarbeiter ziehen fast monatlich durch einschlägig bekannte Problem-Viertel, um es den Geschäftemachern ungemütlich zu machen: „permanente Nadelstiche“, wie es die Essener Stadtsprecherin nennt.5 1 https://www.focus.de/politik/deutschland/polizei-gewerkschaften-stimmen-spahn-kritik-zu-berlinerduisburg -koeln-es-gibt-in-bereiche-wo-der-rechtsstaat-handlungsunfaehig-ist_id_8723330.html 2 https://www.waz.de/region/rhein-und-ruhr/grossrazzia-tausende-sollen-sozialleistungen-erschlichenhaben -id214125041.html 3 https://www.n-tv.de/panorama/NRW-geht-mit-Razzia-gegen-Sozialbetrug-vor-article20407005.html 4 https://www.derwesten.de/staedte/essen/nrw-gelsenkirchen-duisburg-essen-hagen-razzia-bilanzsozialbetrueger -id214131433.html 5 https://www.focus.de/politik/deutschland/banden-nehmen-die-stadtkassen-aus-schein-firmen-fuerroma -arbeiter-so-lief-der-sozialbetrug-von-finanzjongleur-ali-k_id_8835840.html LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2717 2 Bereits 2016 sprach die Bundesagentur für Arbeit davon, dass der Umfang an Leistungsmissbrauch in den Bereich der Organisierten Kriminalität hineinreiche.6 Auch der Gelsenkirchener Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) sprach 2016 bezüglich des Sozialbetrugs schon von Organisierter Kriminalität.7 Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 1021 im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, dem Minister des Innern, der Ministerin für Heimat, Kommu-nales, Bau und Gleichstellung sowie dem Minister der Justiz wie folgt: 1. Steht die Großrazzia in Zusammenhang mit der Äußerung des GdP-Bundes-Vize, Arnold Plickert über Meldeadresse mit angeblich 6000 bis zu registrierten Personen pro Haus in Duisburg Marxloh? Die an dem Einsatz beteiligten Kreispolizeibehörden wurden im Rahmen der Amtshilfe für die jeweilige Kommune tätig. Daher liegen den Polizei-behörden keine Informationen zu den Einsatzhintergründen vor. 2. Auf welchen Betrag summiert sich der finanzielle Schaden durch organisierten Sozialbetrug in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr? Bitte schlüsseln Sie die Antwort nach der Art der Vergehen mit der jeweils dazugehörigen Summe auf! Als Datenbasis zur Beantwortung der Fragen 2 und 3 dient die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Die Erfassung von Fällen, Tatverdächtigen und Opfern in der PKS erfolgt nach bundeseinheitlichen, jährlich mit den beteiligten Gremien abgestimmten Richtlinien. Die PKS weist für Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2017 eine Gesamt-schadenssumme durch Sozialleistungsbetrug von 41.529.084 Euro aus. Eine spezifische Aufschlüsselung der Daten hinsichtlich organisierten Sozialleistungsbetrugs ist auf Grundlage der PKS nicht möglich. 3. Wie hat sich der Gesamtbetrag aus 2. infolge der EU Osterweiterung von 2007 entwickelt? Bis zum Jahr 2015 wurden der Sozialversicherungsbetrug zum Nachteil von Sozialversicherungen und Sozialversicherungsträgern (PKS-Schlüssel 517700) und der sonstige Sozialleistungsbetrug (PKS-Schlüssel 517800) statistisch getrennt voneinander erfasst. Seit 2016 wird keine entsprechende Differenzierung mehr vorgenommen. Der Sozialleistungsbetrug wird seitdem ausschließlich unter dem PKS-Schlüssel 517800 erfasst. 6 https://www.focus.de/finanzen/news/arbeitslosengeld/organisierte-kriminalitaet-millionenschaden-baentdeckt -massenhaftem-sozialbetrug-in-jobcentern_id_5922700.html 7 https://www.zeit.de/2016/31/gelsenkirchen-zuwanderer-rumaenien-bulgariensozialbetrug /komplettansicht LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2717 3 Die Entwicklung der in der PKS erfassten Schadenssumme nach 2007 ist nachfolgender Tabelle zu entnehmen. Jahr Schadenssumme in Euro (Schlüssel 517800) Schadenssumme in Euro Schlüssel 517700) Schadenssumme gesamt in Euro 2008 14.473.500 4.781.034 19.254.534 2009 11.324.203 15.866.708 27.190.911 2010 12.531.768 6.040.139 18.571.907 2011 8.621.963 3.076.249 11.698.212 2012 8.045.292 2.966.135 11.011.427 2013 7.545.042 3.241.526 10.786.568 2014 9.492.464 21.658.968 31.151.432 2015 8.451.337 4.024.590 12.475.927 2016 11.471.332 - 11.471.332 2017 41.529.084 - 41.529.084 4. Wenn die Landesregierung zur Eindämmung dieser Art der (organisierten) Kriminalität aktuell weitere Maßnahmen überdenkt bzw. bereits konkret plant: Welche Maßnahmen sind dies konkret? Am 24. November 2017 beschlossen die Staatssekretäre des Ministeriums der Finanzen, des Ministeriums des Inneren sowie des Ministeriums der Justiz die Einrichtung einer Task Force zur Bekämpfung von Finanzierungsquellen Organisierter Kriminalität und Terrorismus. Die Aufnahme des Wirkbetriebs dieser neu zu schaffenden Dienststelle ist für Herbst 2018 geplant. Eines der identifizierten Kernthemen ist der Umgang mit „Schrott- und Problemimmobilien“ sowie der in diesem Zusammenhang stehende Sozialleistungsmissbrauch. Ansonsten wird hinsichtlich der Frage 4 auf die Antwort zur Frage 3 der Kleinen Anfrage 952 (Drucksache 17/2538) verwiesen. 5. Welche Einflussmöglichkeiten nutzt die Landesregierung aktiv in Bezug auf Maßnahmen zur Eindämmung dieser Kriminalität über die Landesgrenze hinweg? Hinsichtlich der Beantwortung der Frage 5 wird auf die Antwort zur Frage 3 der Kleinen Anfrage 952 (Drucksache 17/2538) verwiesen.