LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2771 12.06.2018 Datum des Originals: 06.06.2018/Ausgegeben: 12.06.2018 (11.06.2018) Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Neudruck Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1028 vom 4. Mai 2018 des Abgeordneten Dr. Christian Blex AfD Drucksache 17/2544 Werden durch die Zunahme des muslimischen Bevölkerungsanteils in Nordrhein- Westfalen mehr Tiere geschächtet? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage „Halal“ bedeutet, gemäß den strengen muslimischen Glaubensvorschriften bei Lebensmitteln auf Schwein, Blut und Alkohol zu verzichten. Nach dem Koran zu schlachten bedeutet aber auch, dass Lamm, Geflügel oder Rind mit dem Kopf nach unten aufgehängt und der Hals mit einem Hieb durchschnitten wird. Das so genannte Schächten soll das Tier vollständig ausbluten lassen. Unter Muslimen umstritten ist, ob das Fleisch auch dann „halal“ ist, wenn das Tier zuvor kurzzeitig betäubt wurde. So lehnt beispielsweise die „Islamische Gemeinschaft Mili Görus“ die elektronische Kurzzeitbetäubung ab1 und der „Zentralrat der Muslime“ hält das betäubungslose Schächten für zwingend vorgeschrieben.2 Dieser Ansicht schlossen sich der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) und der europäische Fatwa-Rat (EFC) an.3 In Deutschland verbieten das Tierschutzgesetz sowie die Tierschutzschlachtverordnung grundsätzlich, ein Tier ohne Betäubung zu schlachten. Von diesem Grundsatz sind Ausnahmen jedoch möglich. Menschen, denen ihr Glaube das Schächten von Tieren „zwingend vorschreibt", können bei der zuständigen Behörde eine Ausnahmegenehmigung zum betäubungslosen Schächten beantragen. Um die Genehmigung zur Schächtung von Tieren zu erhalten, muss man die genaue Anzahl der zu schächtenden Tiere angeben sowie Auflagen bezüglich der Sachkunde und der Schlachtstätte erfüllen. 1 https://www.igmg.org/ha%C2%A4ufig-gestellte-fragen-und-ihre-antworten-zum-scha%C2%A4chten/ 2 http://www.zentralrat.de/14594.php 3 https://www.islamische-zeitung.de/massentierhaltung-industrie-und-rechtssprechung-gestalten-diesuche -nach-halal-fleisch-schwierig/ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2771 2 „Halal“-Produkte haben sich in den vergangenen Jahren zu einem lukrativen Nischenmarkt in Deutschland gemausert. Branchenexperten schätzen das Marktvolumen derzeit auf mehrere Milliarden Euro, bei einer seit Jahren anhaltend hohen Wachstumsrate. Durch die demografische Entwicklung und durch die ungebremst hohe Migration aus dem muslimischen Kulturkreis ist nach wie vor von einem starken Wachstum in der „Halal“-Branche auszugehen. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1028 mit Schreiben vom 6. Juni 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten und dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Nach dem bundesdeutschen Tierschutzrecht dürfen Tiere grundsätzlich nur geschlachtet werden, wenn sie zuvor betäubt worden sind, so dass eine tiefe Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit eintritt. Eine Ausnahme hiervon ist nach § 4a Absatz 2 Nummer 2 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) nur zulässig, wenn bestimmte religiöse Vorschriften dies zwingend erforderlich machen. Hierfür bedarf es jedoch in jedem konkreten Einzelfall einer behördlichen Ausnahmegenehmigung, für die in Nordrhein-Westfalen die Veterinärämter der Kreise und kreisfreien Städte zuständig sind. An das Genehmigungsverfahren sind sehr hohe Hürden geknüpft. Die religiösen Schlachthandlungen werden von den Veterinärämtern kontrolliert und auch in der Regel koordiniert. So werden zumeist zentral an ausgewählten Schlachtstätten zu vorgegebenen Terminen die Opferschlachtungen durchgeführt. Wichtig ist dabei die permanente Anwesenheit des amtlichen Überwachungspersonals, so dass ein reibungsloser und tierschutzkonformer Ablauf der Schlachtungen erfolgt. 1. Wie hat sich die Zahl der Ausnahmegenehmigungen für betäubungsloses Schächten in Nordrhein-Westfalen in den letzten zehn Jahren entwickelt? (bitte aufschlüsseln nach Jahr, geschlachtete Tierart, Anzahl Anträge und Anzahl Genehmigungen) In NRW wurden in den letzten 10 Jahren keine Ausnahmegenehmigungen nach § 4a Absatz 2 Nummer 2 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) für eine Schlachtung ohne vorherige Betäubung erteilt. 2. Wie haben sich die illegalen Schächtungen ohne erteilte Ausnahmegenehmigungen in den letzten zehn Jahren entwickelt? (bitte aufschlüsseln nach Jahr und juristischer Konsequenzen für den Täter) Insgesamt 16 der für die Überwachung von Verstößen gegen das Betäubungsgebot vor der Schlachtung nach § 4a Absatz 1 TierSchG zuständigen Veterinärämter haben für den Zeitraum der letzten 10 Jahre konkrete Fälle von betäubungslosen Schlachtungen ohne die vorgeschriebene Ausnahmegenehmigung gemeldet. Berichtet wurde über 26 Verstöße gegen § 4a Absatz 1 TierSchG im vorgegebenen Berichtszeitraum. Eine Aufschlüsselung nach Jahreszahl wird im Folgenden tabellarisch dargestellt: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2771 3 Jahr Anzahl Verstöße 2008 2 2009 2 2010 5 2011 2 2012 2 2013 2 2014 1 2015 3 2016 3 2017 3 2018 1 In Bezug auf die juristischen Konsequenzen der o.g. konkreten Fälle wurden 13 Vorgänge aufgrund des Verdachts einer Straftat an die zuständige Staatsanwaltschaft abgegeben, von denen manche noch nicht abgeschlossen sind. Die Strafanzeigen erfolgten teilweise aufgrund von Verstößen gegen das Fleischhygienegesetz, teilweise aufgrund von Verstößen gegen das Tierschutzgesetz. In acht Fällen wurde das Verfahren ohne Verurteilung eingestellt. Zwei Verfahren endeten mit der Verurteilung zu einer Geldstrafe. Bei einem Verfahren erfolgte ein Freispruch. Die restlichen Verstöße sowie die Fälle mit eingestelltem Strafverfahren wurden von den Kreisordnungsbehörden in eigener Zuständigkeit als Ordnungswidrigkeit bearbeitet. Meistens wurde dabei ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Die Höhe des Bußgeldes bewegte sich im Rahmen von 50 bis 8.400 Euro, wobei die meisten berichteten Bußgelder im Bereich von 300 - 600 Euro lagen. In einem Fall wurde das festgesetzte Bußgeld im Rahmen eines Gerichtsverfahrens von 300 auf 50 Euro herabgesetzt. In einem Fall wurde ein rechtskräftiges Haltungs- und Betreuungsverbot ausgesprochen. 3. Wie bewertet die Landesregierung den Export von deutschem Vieh, um im Ausland entsprechend der muslimischen Glaubensvorschriften geschlachtet und als Reimport in Deutschland verkauft zu werden? Die Landesregierung steht Lebendtiertransporten in Drittländern grundsätzlich kritisch gegenüber. Unter Einhaltung der einschlägigen veterinärrechtlichen Vorschriften wären derartige Handelsströme jedoch nach Europäischen Recht nicht zu beanstanden. Im Übrigen liegen keine Informationen vor, inwieweit derartig erschlachtetes Fleisch aus Drittländern in den innergemeinschaftlichen Handel gelangt bzw. in Nordrhein-Westfalen im Verkehr ist. 4. Wie steht die Landesregierung zu islamischen Verbänden, wenn diese die elektronische Kurzzeitbetäubung bei der Schächtung ablehnen? Die geltende Rechtslage in Bezug auf Schlachtungen ohne Betäubungen ist einzuhalten. Zudem wird auf die Beantwortung der Frage 1 verwiesen.