LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2815 12.06.2018 Datum des Originals: 11.06.2018/Ausgegeben: 15.06.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1060 vom 17. Mai 2018 der Abgeordneten Berivan Aymaz und Sigrid Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/2653 Aufenthaltsdauer in Landeseinrichtungen bei lange andauernden Asylverfahren Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Laut „Länderbericht Nordrhein-Westfalen, März 2018“ des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) dauern Asylverfahren insgesamt in NRW derzeit durchschnittlich 8,3 Monate (Bundesdurchschnitt 9,2 Monate). Neuverfahren werden innerhalb von durchschnittlich 3,1 Monaten in NRW (3 Monate im bundesweiten Durchschnitt) entschieden. Bei Altverfahren vergehen in NRW durchschnittlich 25 Monate (bundesweit 26,1 Monate) bis zur Entscheidung über den Asylantrag. Die Verfahrensdauer der Altverfahren hat sich dramatisch verlängert. Noch vor einem halben Jahr, im November 2017, wurden in NRW Neuverfahren durchschnittlich in 2,3 Monaten (bundesweit 2,2 Monate) und Altverfahren in 11,5 Monaten (13,7 Monate bundesweit) entschieden. Im schwarz-gelben Koalitionsantrag heißt es, „Unser langfristiges Ziel ist es, dass nur anerkannte Asylbewerber den Kommunen zugewiesen werden. Personen, deren Asylantrag abgelehnt wird, sollen dann bis zu ihrer freiwilligen Ausreise in den Landesunterkünften untergebracht bleiben (…). Wir werden die maximale Aufenthaltsdauer in Landeseinrichtungen auf über sechs Monate verlängern.“ (S. 112f). In der Integrationsausschusssitzung vom 18.10.2017 bestritt Minister Dr. Stamp, dass die Landesregierung vorhabe, „Flüchtlinge für die Dauer bis zu 24 Monaten in Landeseinrichtungen unterzubringen“ (APr 17/61, S. 11). In einem Bericht für den Integrationsausschuss am 11. April 2018 (Vorlage 17/689 vom 10.04.2018) heißt es „Die Aufenthaltszeiten in Landeseinrichtungen sind von unterschiedlichen Faktoren abhängig, die teilweise durch die Landesregierung nicht beeinflusst werden können. Hierzu gehören u.a. der asylrechtliche Verfahrensstand (…). Dies führt dazu, dass die Aufenthaltszeiten von Asylsuchenden von derartigen Faktoren abhängen und einzelfallbezogen sehr stark variieren.“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2815 2 In dem Asyl-Stufenplan des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration vom 24. April 2018 heißt es, dass kurzfristig die „Aufenthaltszeiten für Asylsuchende mit ungeklärter Bleibeperspektive von drei auf bis zu sechs Monate“ verlängert werden und Familien mit minderjährigen Kindern außerhalb des beschleunigten Verfahrens im vierten Aufenthaltsmonat in die Kommunen – sofern Rückführung, freiwillige Ausreise bzw. Überstellung nach Dublin-Verfahren innerhalb weiterer zwei Monate nicht zu erwarten ist“ den Kommunen zugewiesen werden. Nach einiger Vorbereitung wird die „Aufenthaltszeit in Landeseinrichtungen auf bis zu 24 Monate auf Grundlage von §47 Abs. 1b AsylG bei offensichtlich unbegründeten oder unzulässigen Asylanträgen“ verlängert. Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 1060 mit Schreiben vom 11. Juni 2018 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie viele anhängige Altverfahren gibt es in NRW? (Bitte nach Landesunterkünften und Kommunen differenzieren und die Anzahl der betroffenen Kinder gesondert aufführen.) Das für die Durchführung von Asylverfahren zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gibt zum Stand 30.04.2018 die Zahl der anhängigen Verfahren im Bund mit 51.498 und in Nordrhein-Westfalen mit 12.349 an. Eine im Sinne der Fragestellung differenzierte Aufstellung ist nicht verfügbar. 2. Wie lange verbleiben Personen, deren Asylverfahren andauern, in den Landeseinrichtungen? (Bitte die Aufenthaltsdauer für Familien mit Kindern, von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen gemäß EU-Aufnahmerichtlinie und von Flüchtlingen mit Prüfung gemäß Dublin-Verordnung gesondert aufführen.) 4. Gibt es Anweisungen der Landesregierung, Asylsuchende, deren Verfahren eine bestimmte Dauer überschreiten, noch vor Ende des Verfahrens den Kommunen zuzuweisen? (Bei positiver Antwort bitte die Verfahrensdauer, ab der auch vor Abschluss des Asylverfahrens zugewiesen wird, angeben sowie differenzieren nach Familien mit Kindern, schutzbedürftigen Flüchtlingen gemäß EU- Aufnahmerichtlinie und Flüchtlingen mit Prüfung gemäß Dublin-Verordnung.) Die Fragen 2 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Der rechtliche Rahmen für den Aufenthalt von Personen in Aufnahmeeinrichtungen des Landes wird durch § 47 Asylgesetz (AsylG) bestimmt. Nach § 47 Abs. 1 AsylG sind Asylsuchende, die § 14 Abs. 1 oder § 14 Abs. 2 Satz Nr. 2 AsylG unterfallen, verpflichtet, längstens bis zu sechs Monate in der für ihre Aufnahme zuständigen Einrichtung zu wohnen. Nach Ablauf der Dauer der Wohnverpflichtung hat eine Zuweisung unabhängig vom Stand des Asylverfahrens zu erfolgen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2815 3 Personen, bei denen ein besonderer Schutzbedarf nach der EU-Aufnahmerichtlinie festgestellt wurde, werden grundsätzlich nach einer Einzelfallprüfung entsprechend ihrem jeweiligen Schutzbedarf einer Kommune zugewiesen, sofern diesem weder in einer Aufnahmeeinrichtung noch in einer Zentralen Unterbringungseinrichtung für vulnerable Personen hinreichend Rechnung getragen werden kann. Dies gilt auch dann, wenn das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist oder sich die Person im beschleunigten Asylverfahren befindet. Da es sich hierbei jeweils um eine einzelfallbezogene Entscheidung handelt, ist eine allgemeine Beantwortung der Aufenthaltsdauer nicht möglich. Eine vorzeitige Zuweisung kann auch in den Fällen der §§ 49 und 50 Abs.1 AsylG notwendig sein. Dies gilt insbesondere für Personen, die gegen den negativen BAMF-Bescheid Rechtsmittel eingelegt haben und deren Rechtsmittel aufschiebende Wirkung hat. Das aktuelle Aufnahmesystem in Nordrhein-Westfalen wird zur Umsetzung der Ziele aus dem Koalitionsvertrag umgestellt. Dazu wurde vom Kabinett ein Stufenplan zur Steuerung des Asylsystems beschlossen, welcher nun schrittweise umgesetzt werden soll. Die Schutzbedarfe von Familien mit Kindern und Jugendlichen werden weiterhin berücksichtigt. Im Rahmen der Umsetzung des Stufenplans sollen die bundesrechtlichen Möglichkeiten für eine Wohnverpflichtung unter Berücksichtigung der rechtlichen Einschränkungen für bestimmte Fallgruppen oder in Einzelfällen grundsätzlich ausgeschöpft werden. Um den besonderen Interessen von Familien oder allein sorgeberechtigter Elternteile mit minderjährigen Kindern Rechnung zu tragen, sollen diese im vierten Aufenthaltsmonat in eine Kommune zugewiesen werden, sofern die Ausreise, die Abschiebung oder Überstellung im Dublin-Verfahren innerhalb der nächsten zwei Monate unwahrscheinlich ist. Dies gilt auch dann, wenn das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist. 3. Wie lang ist die tatsächliche maximale Aufenthaltsdauer in den Landeseinrichtungen für Personen in andauernden Asylverfahren derzeit? (Bitte die maximale Aufenthaltsdauer für Familien mit Kindern, von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen gemäß EU-Aufnahmerichtlinie und von Flüchtlingen mit Prüfung gemäß Dublin-Verordnung gesondert aufführen.) Eine Auswertung z.B. zur Aufenthaltszeit von Asylsuchenden sowie der Anzahl von Kindern in den Landeseinrichtungen ist derzeit noch nicht automatisiert möglich. Vielmehr müsste gegenwärtig jeweils eine Abfrage jeder einzelnen Einrichtung erfolgen. Erhebung, Aufbereitung und Fehlerkontrolle der Daten sind dabei personalintensiv und extrem zeitaufwendig, insbesondere, wenn eine Differenzierung nach verschiedenen Gruppen erfolgen soll. Da eine den Anforderungen entsprechende Fachanwendung auf dem Markt nicht zur Verfügung steht, arbeitet die Landesregierung daran, eine Landesdatenbank als Fachverfahren zur informationstechnischen Unterstützung für Nordrhein-Westfalen in den Bereichen Unterbringung, Versorgung, Verteilung, Zuweisung und Rückführung von Flüchtlingen (DiAs NRW) zu entwickeln. Teil der Datenbank wird auch ein Modul zur automatisierten Auswertung von Informationen zu Asylsuchenden (z.B. Geschlecht, Alter, Familienzugehörigkeit, Aufenthaltsdauer, Asylstatus) in den Landeseinrichtungen sein. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2815 4 5. Wie lange verbleiben Personen, bei denen rechtliche oder tatsächliche Abschiebungshindernisse bestehen, in Landesunterkünften? (Bitte differenzieren nach Personen aus den Cluster-Kategorien des Bundesamts für Flüchtlinge, insbesondere den sogenannten „komplexen“ Fällen und aus sogenannten sicheren Herkunftsländern.) Die Clusterkategorien des BAMF sind ein internes Steuerungselement des Bundesamtes und für die Zuweisung im Landessystem unerheblich. Personen, bei denen dauerhaft rechtliche oder tatsächliche Abschiebungshindernisse bestehen, werden nach Entscheidung über ihren Asylantrag oder wenn dieser noch nicht entschieden ist spätestens nach Ablauf der maximalen Wohnverpflichtung von sechs Monaten zugewiesen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 2 und 4 verwiesen. Personen aus sicheren Herkunftsländern verbleiben grundsätzlich bis zum Abschluss des Asylverfahrens und im Falle einer Ablehnung unter den Voraussetzungen des § 30a Abs. 3 AsylG bis zu ihrer Ausreise oder bis zum Vollzug der Abschiebungsandrohung oder - anordnung in den Landeseinrichtungen. Sofern nach Einschätzung der Zentralen Ausländerbehörden eine Rückführung (z.B. aufgrund rechtlicher oder tatsächlicher Abschiebungshindernisse) innerhalb von zwei Jahren oder aus gesundheitlichen oder mit einem besonderen Schutzbedarf einhergehenden Gründen eine Unterbringung in den Aufnahmeeinrichtungen des Landes nicht möglich ist, ist eine Zuweisung vorzunehmen.