LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2816 12.06.2018 Datum des Originals: 11.06.2018/Ausgegeben: 15.06.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1031 vom 9. Mai 2018 der Abgeordneten Wibke Brems BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/2583 Wer entscheidet über den weiteren Verbleib der Jülicher Atomkugeln? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In Jülich lagern aktuell 152 Atommüll-Castoren ohne gültige Genehmigung. Die Genehmigung zur Zwischenlagerung ist 2013 ausgelaufen. Eine Verlängerung der Aufbewahrungsgenehmigung konnte bisher nicht erwirkt werden. Im Jahr 2014 wurde die Betreiberin, die bundeseigene Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen GmbH (JEN), vom zuständigen NRW-Wirtschaftsministerium aufgefordert, das Zwischenlager unverzüglich zu räumen. Seit diesem Zeitpunkt prüft die JEN drei unterschiedliche Optionen, um dieser Anordnung nachzukommen: Transport ins Zwischenlager nach Ahaus, Export in die USA und Bau eines neuen Zwischenlagers in Jülich. Laut Aussage von Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart in der Fragestunde des Landtags am 21.März 2018 liegen weiterhin alle drei Optionen für den zukünftigen Verbleib der Castoren auf dem Tisch. Wörtlich sagte er: „JEN konnte bislang keine Festlegung für oder gegen eine der drei von mir eben genannten Optionen treffen.“ Auch in der nachträglichen Beantwortung offen gebliebener Fragen aus der Fragestunde mit Datum 23. April 2018 (Vorlage 17/737) schreibt Minister Pinkwart, dass die JEN GmbH aktuell umfangreiche und sicherungstechnisch aufwendige Untersuchungen zum Export in die USA durchführe. Diese ergebnisoffene Prüfung – auch eines Exportes in die USA – steht im Widerspruch zur Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE (BT-DrS. 19/1385), laut der die Rechtslage zumindest in Bezug auf die Zulässigkeit einer der drei Optionen eindeutig ist. Dort heißt es: „Aufgrund der bestehenden Rechtslage kann keine Genehmigung zur Ausfuhr dieser bestrahlten Brennelemente in die USA erteilt werden.“ Darüber hinaus scheint eine unterschiedliche Auffassung zwischen den Beteiligten über die jeweiligen Verantwortungsbereiche zu bestehen. Die Landesregierung sieht den Bund in der Verantwortung: „Die Zuständigkeit der Landesatomaufsicht ist einzig für die Genehmigung im LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2816 2 Bereich der Verladung der Castorbehälter in Jülich selbst gegeben.“ (Plenarprotokoll 17/22) und „Der Bund als alleiniger Anteilseigner hat hier eine besondere Verantwortung, unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, eine gesetzeskonforme und technisch sichere Perspektive für den Verbleib der Jülicher Castoren zu schaffen“ (Plenarprotokoll 17/22). Die Bundesregierung hingegen sieht die Verantwortung über die Entscheidung beim Minister Pinkwart und ist sogar in der Lage, Aussagen zu den Bewertungskriterien einer solchen Entscheidung zu veröffentlichen: „Die Entscheidung des MWIDE, mit welcher Alternative der Anordnung Folge zu leisten ist, wird nicht von Kostengesichtspunkten geleitet sein.“ (BT-DrS. 19/1385) Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 1031 mit Schreiben vom 11. Juni 2018 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Aus welchen Gründen schließt die Landesregierung nicht wie die Bundesregierung den Export der AVR-Castoren in die USA als Option aus? Die in der Vorbemerkung der Fragestellerin zitierte Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE (BT-Drs. 19/1385), dass „aufgrund der bestehenden Rechtslage (…) keine Genehmigung zur Ausfuhr dieser bestrahlten Brennelemente in die USA erteilt werden (kann)“, bezieht sich nicht auf die „AVR-Castoren“, sondern auf die bereits im Transportbehälterlager Ahaus zwischengelagerten Brennelemente aus dem Thorium-Hoch- Temperatur-Reaktor (THTR-300) in Hamm-Uentrop. 2. Für welche Entscheidungen trägt das Land NRW respektive die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem weiteren Verbleib der AVR-Castoren die Verantwortung? Die in der Vorbemerkung der Fragestellerin unterstellte, scheinbar unterschiedliche Auffassung über die Verantwortungsbereiche der beteiligten Institutionen des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen wurde im Nachgang zur Veröffentlichung der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE (BT-Drs. 19/1385) in einem Schriftwechsel der Staatssekretäre des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) und des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie (MWIDE) thematisiert. In diesem bestätigt BMU, dass es gemeinsames Verständnis zwischen Nordrhein-Westfalen und dem Bund sei, dass die Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen GmbH (JEN) die Umsetzung der angeordneten unverzüglichen Entfernung der Kernbrennstoffe aus dem AVR- Behälterlager in Jülich durchzuführen hat, und dass die Entscheidung, welche der drei Optionen für den Umgang mit den bestrahlten AVR-Brennelementen umgesetzt werden soll, durch die JEN zu treffen ist. Die Zuständigkeiten für die atomrechtlichen Genehmigungen für eine Aufbewahrung in Ahaus oder Jülich, für die Durchführung von Transporten oder den Export liegen bei Bundesbehörden. Das Land Nordrhein-Westfalen hat lediglich die Zuständigkeit für die Erteilung der Verwendungsgenehmigung gem. § 9 Atomgesetz (AtG) in der Verladehalle in Jülich, für deren Erteilung derzeit keine Hinderungsgründe gesehen werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2816 3 3. In welcher Weise sind Vertreter des Landes an der Bewertung der unterschiedlichen Optionen beteiligt? Vertreter des Landes Nordrhein-Westfalen und des Bundes lassen sich regelmäßig von der JEN als Betreiberin über die weitere Umsetzung der Entfernung der Kernbrennstoffe aus dem AVR-Behälterlager informieren. 4. Nach welchen Kriterien erfolgt eine Bewertung der unterschiedlichen Optionen? Es ist in der Verantwortung der JEN, diejenige Räumungsoption zu realisieren, für die die technischen und formalen Voraussetzungen vorliegen. Der Landesatomaufsicht obliegt die Prüfung, ob die Entscheidung der JEN rechtskonform ist und mit der atomrechtlichen Anordnung nach § 19 Abs. 3 AtG in Einklang steht. 5. Welche konkreten Prüfschritte müssen in Bezug auf einen möglichen Ersatzneubau eines Zwischenlagers in Jülich von welcher zuständigen Stelle abgeschlossen sein, um eine abschließende Bewertung (inkl. Kostenschätzungen) vornehmen zu können? (Bitte einzelne Prüfschritte, Zeitpunkt der geplanten Fertigstellung der Prüfung und jeweils für die Bewertung zuständige Stelle angeben) Für einen Neubau eines Zwischenlagers bedarf es einer Genehmigung nach § 6 AtG. Die Zuständigkeit dafür liegt beim Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE). Nach Wissen der Landesregierung liegt derzeit kein Antrag auf einen Ersatzneubau eines Zwischenlagers in Jülich vor.