LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2832 13.06.2018 Datum des Originals: 12.06.2018/Ausgegeben: 18.06.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1049 vom 16. Mai 2018 des Abgeordneten Stefan Kämmerling SPD Drucksache 17/2635 Aktivitäten des Verbandes der Islamischen Kulturzentren e.V. im Stadtteil Mühle der Kupferstadt Stolberg. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Ende April 2018 wurde bekannt, dass der Verband der Islamischen Kulturzentren e.V. (VIKZ e.V.) die Einrichtung eines Studentenwohnheims ausschließlich für männliche Muslime in der in meinem Wahlkreis liegenden Stadt Stolberg plane.1 Bei dem VIKZ e.V. handelt es sich um den ältesten und einen der größten islamischen Dachverbände in Deutschland, dem neun Landesverbände und rund 300 Moscheegemeinden angehören. Der Verband selbst bezeichnet sich als parteipolitisch neutral und bekennt sich öffentlich zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Unter anderem widmet sich der Verband der religiösen Bildung junger Muslime und der Imamausbildung in Deutschland. Zu diesem Zwecke begann der Verband im Jahre 2003 mit der Einrichtung und dem Betrieb von Schüler- oder Studentenwohnheimen. Solche verbandseigenen Wohnheime waren in der Vergangenheit regelmäßig hochumstritten. Immer wieder waren Vorwürfe zu hören, die religiöse Bildung in den Wohnheimen des VIKZ e.V. würde quasi ausschließlich der islamischen Lehre und Einübung islamischer Glaubenspraxis dienen und unseren freiheitlich demokratischen Werten entgegenstehen. Im Auftrag des Hessischen Sozialministeriums wurde im Jahre 2004 ein Gutachten zum Verband der islamischen Kulturzentren e.V. mit besonderer Berücksichtigung von Wohnheimen für Schüler und Schülerinnen in Deutschland erstellt, das die Wohnheimprojekte 1 http://www.aachener-zeitung.de/lokales/stolberg/in-stolberg-entsteht-ein-studentenwohnheim-fuermaennliche -muslime-1.1882626 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2832 2 des VIKZ e.V. im Ergebnis als streng scharia-orientiert und integrationshemmend bezeichnete und gar die These aufwarf, bei Kindern und Jugendlichen, die in den Schülerwohnheimen des VIKZ e.V. diese systematische islamische Indoktrination erfahren, würde die Integration nicht gelingen.2 Im Jahre 2008 zitierten Medienberichte ein Dossier der Kölner Polizei, in welchem dem Verband vorgeworfen wurde, er sei „antiwestlich, antidemokratisch und antijüdisch“.3 Seitens des VIKZ e.V. wurden diese Vorwürfe zurückgewiesen. Auch das Integrationsministerium NRW konnte die Vorwürfe nicht bestätigen, weshalb der Verfassungsschutz nicht eingeschaltet worden sein soll. Bekannt war jedoch auch schon im Jahre 2008, dass der VIKZ e.V. in NRW, aber auch in anderen Bundesländern, Schülerwohnheime ohne Genehmigung betrieben haben und insgesamt eine sehr intransparente Struktur aufgewiesen haben soll.4 Das nun entstehende Wohnheim in Stolberg soll rund 750.000 Euro kosten und Platz für 28 Menschen bieten. Diese 28 Plätze sollen jedoch den aktuellen Medienberichten zufolge ausschließlich männlichen muslimischen Studenten zur Verfügung stehen. Unabhängig von dieser Investition plant der Verband aktuell die Errichtung eines neuen Zentrums in Köln mit Gesamtkosten von rund 70 Millionen Euro. Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 1049 mit Schreiben vom 12. Juni 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten, dem Minister des Innern und der Ministerin für Kultur und Wissenschaft beantwortet. 1. Wie bewertet die Landesregierung vom VIKZ in Nordrhein-Westfalen betriebene Projekte vor dem Hintergrund ihrer integrationsfördernden Eignung (bitte einzeln aufgeführt nach Einrichtungen des VIKZ in NRW, die der Landesregierung bekannt sind)? Es wird darauf hingewiesen, dass die in Nordrhein-Westfalen erteilten Betriebserlaubnisse gemäß § 45 SGB VIII nicht dem Dachverband VIKZ NRW e.V. erteilt wurden, sondern den Vorortgemeinden, die Mitglieder im Dachverband VIKZ NRW e.V. sind. Der in der Kleinen Anfrage benannte Träger in Stolberg betreibt eine Wochenend- und Ferienbetreuung mit insgesamt 90 Plätzen. Die Betriebserlaubnis wurde zum 22.09.2009 erstmalig für 30 Plätze erteilt und zum 01.06.2012 auf 90 Plätze (15 Plätze für 10-12 Jahre; 75 Plätze für 12-16 Jahre) erweitert. Eine Bewertung aller mit Betriebserlaubnis versehener Angebote der VIKZ Vorortgemeinden in Nordrhein-Westfalen kann nicht vorgenommen werden. Das Betriebserlaubnisverfahren nach § 45 SGB VIII sieht einen Rechtsanspruch der Träger auf den Erhalt einer Betriebserlaubnis vor. Die Prüfung berücksichtigt konzeptionelle, personelle, räumliche und wirtschaftliche Kriterien. Handlungsleitend ist hierbei die Gewährleistung des Kindeswohls. Das Kindeswohl gilt als gewährleistet, wenn die oben genannten Kriterien verantwortlich umgesetzt werden. In den abgeschlossenen Betriebserlaubnisverfahren, in denen auch das konzeptionell zu prüfende Kriterium 2 http://www.spiegel.de/politik/deutschland/islamismus-verfassungsschuetzer-sollen-vikz-beobachtena -547860.html 3 https://www.ksta.de/politik-greift-islamverein-vikz-an-13470192 4 http://www.taz.de/!5180842/ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2832 3 „Unterstützung der gesellschaftlichen und sprachlichen Integration“ gemäß § 45 Abs. 2 S. 2 SGB VIII beachtet wurde, konnten keine kindeswohlgefährdenden Aspekte festgestellt werden. Die Träger des Dachverbands VIKZ NRW e.V. werden im Kontext der §§ 45 ff. SGB VIII insofern wie alle anderen Träger mit Betriebserlaubnis behandelt. 2. Welche Erkenntnisse wurden von der Kölner Polizei in der „Arbeitsgruppe VIKZ“ gesammelt? Es wurden Informationen aus den Bereichen Finanzermittlungen, Wirtschaftskriminalität sowie der organisierten Kriminalität zusammengeführt und deliktsübergreifend betrachtet. Festgestellt wurde, dass die Anzahl der bestehenden Gemeinden bundesweit erhöht und neue Schülerwohnheime errichtet werden sollten. Dieser Ausbau sollte mit Hilfe des Immobilienvermögens des VIKZ e.V. realisiert werden. Es bestand der Verdacht, dass der VIKZ e.V. dabei Steuervorteile im Rahmen der Gemeinnützigkeit rechtswidrig ausnutzte. Staatschutzrelevante Erkenntnisse lagen nicht vor. 3. Wie wird der Verband der Islamischen Kulturzentren e.V. vor dem Hintergrund enorm hoher Investitionen einer offensichtlich aktiven Expansion finanziert? Nach Eigenangaben des VIKZ e.V. erfolgt die Finanzierung durch monatliche Beiträge der Gemeindemitglieder und durch regelmäßige Spenden von Muslimen. 4. Warum wurden in der Vergangenheit Genehmigungen zur Einrichtung von Internaten durch den VIKZ e.V. von den zuständigen Behörden, wie beispielsweise dem Landesjugendamt Rheinland, nicht erteilt? Weder das LVR-Landesjugendamt Rheinland noch das LWL-Landesjugendamt Westfalen haben in der Vergangenheit einen Antrag des VIKZ-Zentralträgers in Köln oder einer örtlichen VIKZ-Gemeinde auf Erteilung einer Betriebserlaubnis zur Einrichtung von Internaten abgelehnt. 5. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung bezüglich der in der Vergangenheit von Dritten verfassten Aussage, die Studenten- und/oder Schülerwohnheime des VIKZ e.V. seien integrationshemmend, weil sie junge Menschen (fast ausschließlich Männer) von der westlichen Grund- und Werteordnung isolieren? Wie andere Migrantenorganisationen und andere Moscheevereine auch hat der Verband der Islamischen Kulturzentren e.V. sein Aufgabenspektrum auf die Bildungsarbeit erweitert. Die Bildungsarbeit umfasst Hausaufgaben- und Lernhilfen in den Moscheegemeinden sowie Angebote im Bereich der Freizeitgestaltung für Kinder und Jugendliche, auch verbunden mit Bildungsangeboten. Die Besonderheit im Bildungsangebot des Verbandes der Islamischen Kulturzentren e.V. ist die Einrichtung und Unterhaltung von Schülerwohnheimen. Hätten die gesetzlich vorgegebenen Voraussetzungen für die Erteilung der erforderlichen Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII nicht vorgelegen, wären die entsprechenden Erlaubnisse nicht erteilt worden.