LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2836 13.06.2018 Datum des Originals: 13.06.2018/Ausgegeben: 18.06.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1042 vom 8. Mai 2018 des Abgeordneten Markus Wagner AfD Drucksache 17/2607 Ellwangen lässt grüßen! Sind Morddrohungen und Randale im Abschiebegefängnis Büren an der Tagesordnung? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Häftlinge machen Krawall und greifen das Personal an: In Deutschlands größtem Abschiebegefängnis eskaliert nach SPIEGEL-Informationen die Lage. In der Haftanstalt in Büren gäbe es fast täglich massive Zwischenfälle. Das ginge aus internen Berichten hervor, die dem SPIEGEL vorlägen. Demnach komme es häufig vor, dass Häftlinge randalieren und das Personal angreifen. Manche Insassen seien so aggressiv, dass sie in besonders gesicherte Hafträume verlegt und dort über Nacht gefesselt würden. In einem Bericht über einen Ägypter heißt es: "Der Untergebrachte zerstörte den Fernseher, bewaffnete sich mit Scherben und drohte wiederholt damit, Kollegen umbringen zu wollen." Ein anderer Insasse soll einem Bediensteten mit einem Faustschlag den Kiefer gebrochen haben. In den Dokumenten sei auch von "ernst zu nehmenden Suizidabsichten" unter den Häftlingen die Rede. Über einen Marokkaner wird berichtet: "Durch das Beobachtungsfenster des Haftraums konnte festgestellt werden, dass der Untergebrachte seinen gesamten Oberkörper mit Schnittverletzungen unter Zuhilfenahme einer Rasierklinge übersät hatte." Ein anderer Häftling soll Besteck verschluckt haben, um so seine Abschiebung zu verhindern.1 Probleme gibt es jedoch nicht nur in Büren: Mit Gewalt haben afrikanische Asylbewerber die Abschiebung eines 23-jährigen Mannes aus Togo aus der Flüchtlingsunterkunft in Ellwangen (Baden-Württemberg) verhindert, so berichtet die WELT.2 1 Vgl. http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/bueren-bei-paderborn-randale-in-deutschlandsgroesstem -abschiebegefaengnis-a-1205128.htm. 2 Vgl. https://www.welt.de/politik/deutschland/article176009395/Abschiebung-Ellwangen-Dannrotteten -sich-rund-150-mutmassliche-Fluechtlinge-zusammen.html. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2836 2 Die Polizei musste die Aktion nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in der Nacht zum Montag abbrechen, weil die Situation für die Streifenwagenbesatzungen zu gefährlich wurde. Unterstützung durch andere Polizeikräfte sei nicht in Sicht gewesen, da die Organisation und Anfahrt dafür mehrere Stunden gedauert hätte, hieß es. Rund 140 Flüchtlinge sind im Bürener Abschiebegefängnis untergebracht. Sie sind nicht wegen Straftaten in Haft, sondern weil sie in Deutschland kein Bleiberecht haben. In Büren warten sie auf ihren Abschiebeflug. Der Anstaltsleiter sagt, das Gewaltpotenzial unter den Häftlingen sei zuletzt gestiegen. "Mehr als die Hälfte der Insassen hat eine strafrechtliche Vorgeschichte." In den vergangenen Wochen konnten fünf Insassen aus der Abschiebehaft entkommen. Einer wurde bei der Flucht aufgegriffen, nach den anderen wird gefahndet. Die nordrhein-westfälische Landesregierung habe kürzlich beschlossen, das Gesetz zur Abschiebehaft zu verschärfen. Demnach soll es dem Personal in Büren künftig möglich sein, gefährliche Häftlinge härter zu bestrafen.3 Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 1042 mit Schreiben vom 13. Juni 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern beantwortet. 1. Erkennt die Landesregierung Ähnlichkeiten zwischen Büren und den jüngsten Vorkommnissen in Ellwangen? 2. Welche konkreten Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um ein „Ellwangen in Büren“ oder bei sonstigen Abschiebungen aus NRW zu verhindern? Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Aussage, in der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige (UfA) in Büren eskaliere die Lage und es komme fast täglich zu massiven Übergriffen ist unzutreffend. Die in dem in Bezug genommenen Zeitungsartikel genannten Vorfälle haben sich in einem Zeitraum von 2016 bis heute ereignet. Vorkommisse wie in Ellwangen haben sich in Nordrhein-Westfalen in vergleichbarer Weise nicht ereignet. Bei anstehenden Rückführungen aus der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige (UfA) in Büren werden untergebrachte Personen im Regelfall einen Tag vor der geplanten Rückführung in der sogenannten Transportabteilung untergebracht. Hierdurch findet keine gemeinsame Unterbringung mit den übrigen Häftlingen statt. Diese Maßnahme dient einer reibungslosen Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Da es sich bei Rückführungen um besonders belastende Maßnahmen für die Betroffenen handelt, sind die nordrhein-westfälischen Ausländerbehörden angehalten, bei der Planung und Durchführung besonders sensibel und mit Augenmaß vorzugehen. Sofern Anhaltspunkte für eine Gefährdung vorliegen, kann durch die Landespolizei Vollzugshilfe geleistet werden. 3 Vgl. FN 1. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2836 3 3. Wie definiert die Landesregierung die Möglichkeit, „gefährliche Häftlinge härter zu bestrafen“? (Bitte Aufschlüsseln nach Maßnahmen und Rechtsgrundlagen) Die Zusammensetzung der in der UfA Büren untergebrachten ausreisepflichtigen Personen hat sich seit Betriebsbeginn im Jahr 2015 zunehmend geändert. Vielfach liegen bei untergebrachten Ausreisepflichtigen strafrechtliche Vorerkenntnisse vor, darunter auch im Bereich von Gewaltdelikten. Die Landesregierung hat bereits im vergangenen Dezember auf die neuen Herausforderungen in der UfA Büren reagiert und auf der Grundlage von § 5 Abs. 1 Satz 2 Abschiebungshaftvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen (AHaftVollzG) Einschränkungen der Bewegungsfreiheit angeordnet. Weiterhin ist geplant, die Rechtsgrundlagen für den Vollzug unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH und des BGH zu den Anforderungen im Abschiebungshaftvollzug an geänderte bundesgesetzliche Regelungen und aufgrund praktischer Erfahrungen mit dem derzeitigen AHaftVollzG NRW anzupassen. Das Kabinett hat am 11. April 2018 Eckpunkte einer Novelle des Gesetzes zur Abschiebungshaft beschlossen, wonach u.a. folgende Regelungen vorgesehen sind: - Übermittlung vollzugsrelevanter Informationen an die UfA; bisher fehlen oftmals Informationen über die Untergebrachten, die aus Schutz- und Sicherheitsgründen für alle Beteiligten von Beginn der Unterbringung an relevant sind (z.B. Vorstrafen, Abhängigkeiten, Gefährlichkeit). - Gesetzliche Befugnis zur Anordnung von Sanktionsmaßnahmen bei gravierenden Verstößen gegen Grundregeln für das Verhalten und die Sicherheit in der Einrichtung. - Einschränkungen für (potenziell) gefährliche Personen. Nach dem aktuellen Stand des AHaftVollzG stehen den Untergebrachten eine Vielzahl von Freiheiten zu, die die Abschiebungshaft erheblich von der Strafhaft unterscheiden. Künftig soll bei gefährlichen Personen u.a. die Möglichkeit bestehen, die weitreichenden Bewegungs- und Besuchsmöglichkeiten und die Nutzung eigener Mobiltelefone sowie des Internets einzuschränken. 4. Welche konkreten Sofortmaßnahmen ergreift die Landesregierung, um Bedienstete der Abschiebehaftanstalt Büren besser vor Übergriffen zu schützen? Die Landesregierung hat Maßnahmen zur Verbesserung der Personalausstattung und zur Schulungs- und Qualitätssicherung auf den Weg gebracht. In der UfA Büren findet bereits regelmäßig ein Deeskalations- und Sicherungstechnikentraining (DST) für die Bediensteten statt. Daneben sieht § 20 des Abschiebungshaftvollzugsgesetzes besondere Sicherungsmaßnahmen vor. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2836 4 Hierzu zählen insbesondere: 1. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum, 2. die Fesselung in einem besonders gesicherten Raum, 3. die Fixierung in einem besonders gesicherten Raum, 4. die Fesselung während des Transports, 5. die Verlegung in einen anderen Gewahrsamstrakt und 6. die Beobachtung während des Einschlusses. Zugleich wird durch Maßnahmen der sozialen Betreuung der in der UfA untergebrachten Personen zur Konfliktvermeidung beigetragen. Zu diesem Zweck sind vier Sozialbetreuer tätig, die aufgrund ihrer Sprachkompetenzen in der Lage sind, mit den Abschiebehäftlingen in den gängigen Sprachen zu kommunizieren. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Frage 3 verwiesen. 5. Wie konnten Insassen aus der Abschiebehaftanstalt Büren entkommen? (Bitte aufschlüsseln nach Personenzahl, Datum, Fluchtumstände und Wiederergreifung seit Bestehen der Abschiebehaftanstalt) Im Jahr 2015 gelang zwei untergebrachten Personen über ein temporär aufgebautes Baugerüst die Flucht über die Außenmauer der Einrichtung. Einer der Flüchtigen konnte noch vor Ort festgesetzt werden, während der zweite Flüchtige am 20.10.2015 erfolgreich abgeschoben wurde. Zu den Vorfällen am 03. und 18. April 2018 mit drei bzw. zwei Geflüchteten wird auf die Berichterstattung in den Sitzungen des Integrationsausschusses am 11. April (APr 17/232) und 9. Mai 2018 verwiesen. Vor dem Hintergrund dieser Ereignisse wurden zwischenzeitlich verschiedene bauliche und organisatorische Sicherungsmaßnahmen ergriffen. Beispielsweise wurden Abkantbleche zur Verhinderung des Erklimmens der Außenfassade sowie Sperrdraht an neuralgischen Punkten angebracht.