LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2874 18.06.2018 Datum des Originals: 18.06.2018/Ausgegeben: 21.06.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1086 vom 28. Mai 2018 der Abgeordneten Dr. Christian Blex und Helmut Seifen AfD Drucksache 17/2721 Politische Neutralität von Lehrern im außerschulischen Kontakt zu Schülern Vorbemerkung der Kleinen Anfrage § 2 Absatz 8 des Schulgesetzes verpflichtet Lehrkräfte zu politischer Neutralität gegenüber den ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schülern. Politische Äußerungen sind selbstverständlich nicht ausgeschlossen, unterliegen jedoch einem Gebot von ausgewogener Darstellung und Zurückhaltung. Im Rahmen der Digitalisierung und der neuen Medien wandelt sich auch die Praxis des Umgangs zwischen Lehrern und Schülern. Durch soziale Netzwerke besteht die Möglichkeit eines ständigen und intensiven Kontakts zwischen Lehrkräften und den ihnen anvertrauten Schülern. Dadurch werden sowohl die Grenzen zwischen Schulbetrieb und Freizeit der Schüler als auch die Regeln zum Verhalten der Lehrer gegenüber ihren Schülern unklar. Hinzu kommt die Möglichkeit, dass die Lehrkraft im Rahmen ihres Engagements für eine Partei im Lichte der Öffentlichkeit steht. Die in diesem Rahmen getätigten Aussagen, insbesondere in der Bewertung von mit der eigenen Partei konkurrierenden politischen Gruppierungen, entsprechen selten dem Gebot der ausgewogenen Darstellung und Zurückhaltung. Dann ist auch die Grenze zwischen Politischer Bildung und Indoktrination nicht länger gewahrt. Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 1086 mit Schreiben vom 18. Juni 2018 beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Lehrerinnen und Lehrer genießen – wie alle Bürgerinnen und Bürger – das Recht auf Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes. Bei der Ausübung dieses LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2874 2 Rechtes haben sie allerdings – wie alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst – Einschränkungen zu beachten, die sich aus dem Beamtenverhältnis als öffentlich-rechtlichem Dienst- und Treueverhältnis oder aus einem bestehenden tariflichen Arbeitsverhältnis ergeben. Zu den beamtenrechtlichen Pflichten gehört auch, das Amt unparteiisch und gerecht zu führen. Bei politischer Betätigung sind Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren. Darüber hinaus verpflichtet § 2 Absatz 8 des Schulgesetzes Lehrerinnen und Lehrer zu politischer Neutralität gegenüber den ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schülern. Politische Meinungsäußerungen von Lehrkräften sind nicht ausgeschlossen, unterliegen jedoch einem Gebot von ausgewogener Darstellung und Zurückhaltung. 1. Wie bewertet die Landesregierung den Kontakt zwischen Lehrern und Schülern über soziale Netzwerke, wie bspw. Facebook, außerhalb der Schulzeit? Als Lernplattform zur Organisation von Unterrichtsprojekten und zum Austausch von Unterrichtsergebnissen ist Facebook aus Datenschutzgründen nicht zulässig. Die Nutzungsbestimmungen von Facebook unterliegen nicht dem europäischen Recht. Wer sich als Lehrerin oder Lehrer in seiner Freizeit in sozialen Netzwerken bewegt, wird auch Freundschaftsanfragen von Schülerinnen und Schülern erhalten. Ob diese Anfragen angenommen werden, liegt im persönlichen Ermessen. Wenn Lehrerinnen und Lehrer Freundschaftsanfragen ihrer Schülerinnen und Schüler annehmen, müssen sie sich dabei ihrer professionellen Rolle bewusst sein. Aus datenschutzrechtlichen Gründen dürfen auf keinen Fall personenbezogene Daten veröffentlicht werden. Schülerinnen und Schüler benutzen soziale Netzwerke häufig unbedarft. Der Medienkompetenzrahmen Nordrhein-Westfalen enthält deshalb die Kompetenz „Verantwortungsvoll mit persönlichen und fremden Daten umgehen, Datenschutz, Privatsphäre und Informationssicherheit beachten“. Ziel des Medienkompetenzrahmens ist es, alle Kinder und Jugendlichen zu einem sicheren, kreativen und verantwortungsvollen Umgang mit Medien zu befähigen und ihnen neben einer umfassenden Medienkompetenz auch eine informatische Grundbildung zu vermitteln. 2. Ist die Landesregierung der Ansicht, dass Lehrkräfte sich auch im direkten, außerschulischen Umgang mit ihren Schülern an den Beutelsbacher Konsens halten müssen? Auch im außerschulischen Umgang mit Schülerinnen und Schülern besteht grundsätzlich eine Mäßigungs- und Zurückhaltungspflicht. Ob ein außerdienstliches Verhalten mit diesen Pflichten vereinbar ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu bewerten. Das außerschulische Engagement von Lehrkräften in politischen Parteien, in Gewerkschaften oder Nicht-Regierungsorganisationen ist davon unberührt. 3. Wie bewertet die Landesregierung im Allgemeinen die einseitig negative Darstellung bestimmter politischer Parteien durch Lehrkräfte im Unterricht? Nach dem Beutelsbacher Konsens aus dem Jahre 1976, einer bundesweiten Festlegung von Grundlagen und Zielsetzungen für den Bereich der politischen Bildung, dem auch die Kernlehrpläne für die Allgemeinbildenden Schulen in Nordrhein Westfalen in ihren Bildungsund Erziehungszielen folgen, ist „es [ist] nicht erlaubt, den Schüler - mit welchen Mitteln auch LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2874 3 immer - im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der "Gewinnung eines selbständigen Urteils" zu hindern. Hier genau verläuft nämlich die Grenze zwischen Politischer Bildung und Indoktrination. Indoktrination aber ist unvereinbar mit der Rolle des Lehrers in einer demokratischen Gesellschaft und der - rundum akzeptierten - Zielvorstellung von der Mündigkeit des Schülers.“ (zit. aus: http://www.bpb.de/die-bpb/51310/beutelsbacher-konsens) Dies bedeutet jedoch nicht, dass politische Meinungsäußerungen von Lehrkräften ausgeschlossen sind. Sie unterliegen jedoch einem Gebot von ausgewogener Darstellung und Zurückhaltung. Es bedeutet auch nicht, dass alle Positionen als gleichberechtigt dargestellt werden müssen, beispielsweise wenn sie sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten oder die dort niedergelegten Grund- und Menschenrechte in Frage stellen. Auf diesem Grundsatz politischer Bildung im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat und der damit verbundenen Zielsetzung der Bildung und Erziehung zu mündigen, an den Werten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung orientierten, handlungsfähigen Bürgerinnen und Bürgern basieren die geltenden Kernlehrpläne in Nordrhein-Westfalen, die für Schulen und Lehrkräfte bindend sind. Ob die Darstellung einer politischen Partei im Unterricht gegen diesen Grundsatz verstößt, ist im jeweiligen Einzelfall zu bewerten. 4. Wie bewertet die Landesregierung im Allgemeinen die einseitig negative Darstellung bestimmter politischer Parteien durch Lehrer außerhalb der Unterrichtszeit? siehe Antworten zu den Fragen 2 und 3 5. Wie schätzt die Landesregierung die Hemmschwelle für eine Beschwerde durch Schüler oder Eltern aufgrund vermuteter Verstöße von Lehrern gegen die politische Neutralität oder den Beutelsbacher Konsens ein? Der Landesregierung sind keine Anhaltspunkte bekannt, die auf eine solche Hemmschwelle hindeuten.