LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2903 21.06.2018 Datum des Originals: 20.06.2018/Ausgegeben: 26.06.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1083 vom 28. Mai 2018 des Abgeordneten Alexander Langguth FRAKTIONSLOS Drucksache 17/2708 Finanzielle Folgen für Unternehmen und das Land NRW aus der paritätischen Teilung des Zusatzbeitrags der Gesetzlichen Krankenversicherung Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung von CDU, CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode sieht unter dem Abschnitt VII „Soziale Sicherheit gerecht und verlässlich gestalten“ die Einführung der paritätischen Finanzierung des Zusatzbeitrags der Gesetzlichen Krankenversicherung zum 01. Januar 2019 vor. Diese Änderung der aktuellen Regelung, unter der der Zusatzbeitrag vollständig vom Arbeitnehmer zu tragen ist, führt unzweifelhaft zu einer Erhöhung der Arbeitskosten. Derzeit müssen Arbeitgeber bis zu der Beitragsbemessungsgrenze für die Kranken- und Pflegeversicherung von 53.100 € jährlich 19,375 Prozent auf den gezahlten Bruttolohn aufschlagen, um die Lohnkosten, die ein Arbeitgeber für einen Mitarbeiter zahlen muss, zu erhalten. Der durchschnittliche Zusatzbeitrag der Gesetzlichen Krankenkassen liegt 2018 bei 1,0 Prozent; in der Spitze erreicht er 1,7 Prozent. Wenn der Zusatzbeitrag künftig dem Koalitionsvertrag entsprechend paritätisch von Arbeitnehmer und Arbeitgeber getragen wird, bedeutet dies, dass der Aufschlag für Arbeitgeber auf durchschnittlich 19,875 Prozent ansteigen wird. Dieser Schritt entspricht aus Arbeitgebersicht einer staatlich verordneten Gehaltserhöhung um ca. 0,42 Prozent. Die Entlastung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Deutschland geht zu Lasten der Unternehmen. Für die Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung um 0,3 Prozentpunkte, welche keine politische Leistung, sondern das Ergebnis einer kostendeckenden Sozialversicherung ist, wird hingegen kein genauer Zeitpunkt definiert. Diese Maßnahme senkt die Lohnkosten und ist im Interesse von Arbeitgebern und Arbeitnehmern schnellstmöglich umzusetzen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2903 2 Neben den finanziellen Folgen für die Lohnkosten entsteht eine finanzielle Folge, welche dem Land NRW nach Art. 106 GG höhere Steuereinnahmen beschert. Die paritätische Teilung des Zusatzbeitrags bedeutet für Arbeitnehmer, dass die vom ihm getragenen Sozialversicherungsausgaben um den Wert sinken, um den die Lohnkosten steigen. Hierdurch kommt es gemäß § 10 EStG zu einem Anstieg der einkommenssteuerpflichtigen Einkünfte aus Arbeit. Unter den Annahmen: 1 Prozent Zusatzbeitrag, keine Kirchensteuer, Steuerklasse 1 und kein Kinderfreibetrag bedeutet die paritätische Aufteilung des Zusatzbeitrags für ein Bruttojahreseinkommen von 24.000 € einen Anstieg der Lohnkosten von 120 €, welcher zu einem Anstieg des Nettoeinkommens von 87,24 € führt. Die Differenz von 27 Prozent geht dem Arbeitnehmer durch die gestiegene Einkommensteuer verloren, sofern kein steuerlicher Ausgleich geschaffen wird. Für Einkommen an der Beitragsbemessungsgrenze bedeutet dies, dass 39 % des ersparten Zusatzbeitrags über die Einkommensteuer die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen erhöht. Die Landesregierung muss sich zur Einhaltung der Aussage „Wir werden die Steuerbelastung der Bürger nicht erhöhen“ aus Zeile 2437 des Koalitionsvertrags der Bundesregierung einsetzen. Der Minister der Finanzen hat die Kleine Anfrage 1083 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales und der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung beantwortet. 1. Welche steuerliche Mehreinnahmen erwartet die Landesregierung aus der Aufteilung der zusätzlichen Einkommensteuer nach Art. 106 GG durch die paritätische Teilung des Zusatzbeitrags? Durch die Halbierung der selbstbezahlten Zusatzbeiträge bei gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmern können diese nur noch im verminderten Umfang als Sonderausgaben bei der Einkommensteuer abgesetzt werden. Die hierdurch entstehenden Mehreinnahmen bei der Einkommensteuer in Bund, Ländern und Gemeinden werden jedoch durch den höheren Betriebsausgabenabzug der Arbeitgeber aufgezehrt, der durch deren Belastung mit dem hälftigen Zusatzbeitrag entsteht. Die Landesregierung geht daher davon aus, dass sich die Maßnahme haushalterisch nicht auswirkt. 2. Welche Mehrbelastungen entstehen dem Land NRW sowie den nordrheinwestfälischen Kommunen durch die Lohnkostensteigerung der tarifbeschäftigten Angestellten insgesamt? Die hälftige Finanzierung des Zusatzbeitrags zur Krankenversicherung (2018 durchschnittlich 1,0%) verursacht Mehrausgaben für den Landeshaushalt in Höhe von jährlich rd. 24 Mio. Euro. Bezüglich der finanziellen Auswirkungen auf die Haushalte der nordrhein-westfälischen Kommunen liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. 3. Welche Auswirkung erwartet die Landesregierung auf die Lohnentwicklung in der nordrhein-westfälischen freien Wirtschaft in den kommenden drei Jahren durch die paritätische Teilung des Zusatzbeitrags? Aus ökonomischer Sicht führt die Wiedereinführung der paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung zu einer Reduzierung der Abgabenlast der Arbeitnehmer. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2903 3 Gleichzeitig erhöhen sich die Arbeitskosten bei Unternehmen. Mittelfristig könnte dies zu höheren Güterpreisen und Lebenshaltungskosten führen. Genaue Angaben oder quantitative Schätzungen zu einer sich daraus ergebenden Entwicklung der Löhne unter Berücksichtigung der skizzierten Wirkungskanäle liegen der Landesregierung nicht vor. 4. Inwiefern wird sich die Landesregierung auf Bundesebene für eine entsprechende steuerliche Entlastung einsetzen, sodass Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen die volle Entlastung zuteil wird? Hierzu besteht kein Bedarf: Der vom Arbeitgeber getragene hälftige Anteil des Zusatzbeitrags würde zwar Arbeitslohn darstellen; er würde dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin voraussichtlich jedoch – als originärer Bestandteil des gesetzlichen Krankenversicherungsbeitrags – nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei zufließen. Der vom Arbeitnehmer/von der Arbeitnehmerin getragene hälftige Anteil des Zusatzbeitrags würde – wie die übrigen Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung – grundsätzlich zu den Beiträgen zu einer Basiskrankenversicherung gehören; er würde im Rahmen des Sonderausgabenabzugs nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 Buch-stabe a EStG steuerlich berücksichtigt. Eine darüber hinausgehende steuerliche Entlastung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Rahmen des Sonderausgabenabzugs wäre sachlich nicht gerechtfertigt. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung dürfen nur solche Ausgaben als Sonderausgaben berücksichtigt werden, durch die der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet ist. Im Falle der paritätischen Teilung des Zusatzbeitrags der gesetzlichen Krankenversicherung wäre der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin nur mit dem hälftigen Beitrag tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet. 5. Inwiefern wird sich die Landesregierung auf Bundesebene für eine schnelle Senkung des Beitragssatzes der Arbeitslosenversicherung um 0,3 Prozentpunkte einsetzen? Die Landesregierung begrüßt die Absicht der Bundesregierung, den Beitragssatz in der Arbeitslosenversicherung im Hinblick auf die positive Rücklagensituation der Bundesagentur für Arbeit abzusenken und so sowohl Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber zu entlasten. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung hierzu bleibt abzuwarten.