LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2970 29.06.2018 Datum des Originals: 28.06.2018/Ausgegeben: 04.07.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1066 vom 18. Mai 2018 der Abgeordneten Arndt Klocke und Johannes Remmel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/2674 Nichtstun ist die Konsequenz aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu möglichen Fahrverboten? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mit der Entscheidung vom 27. Februar 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht über die Einführung von Fahrverboten entschieden und somit eine Rechtsgrundlage für Maßnahmen der Luftreinhalteplanung geschaffen. Ministerpräsident Armin Laschet hat am 09.03.2018 in einer Pressekonferenz mitgeteilt, dass er diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht beabsichtigt umzusetzen. Laut Aussage des Ministerpräsidenten sind Fahrverbote als Maßnahmen der Luftreinhalteplanung unverhältnismäßig und rechtswidrig. Fahrverbote treffen die falschen, nämlich Verbraucherinnen und Verbraucher, die auf die Versprechern der Automobilhersteller vertraut haben. Um dennoch die Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte zu garantieren und die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger entlang von belasteten Straßen zu schützen, ist eine kostentragende Hardware-Nachrüstung seitens der Automobilhersteller konsequent einzufordern. Der Ministerpräsident schließt sowohl Fahrverbote als auch die verbrauchergerechte Hardware-Nachrüstung aus. Die bisher vorgestellten Maßnahmen, die Verkehrsminister Wüst wortreich in der Fragestunde im Plenum am 25. April 2018 erläutert hat, reichen nicht aus, um die Gesundheit der Menschen zu schützen und die Einhaltung der Grenzwerte kurzfristig sicher zu stellen. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1066 mit Schreiben vom 28. Juni 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten, dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie und dem Minister für Verkehr beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2970 2 1. Verkehrsminister Wüst hat in der Beantwortung der mündlichen Anfrage zur Dieselproblematik wörtlich gesagt: „Wir sprechen hier über ein Problem von nur noch wenigen Jahren.“ Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil zum Luftreinhalteplan Düsseldorf festgestellt, „dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Jahr gemittelten Grenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 μg/m³ im Stadtgebiet Düsseldorf enthält.“ Mit wie vielen Jahren rechnet die Landesregierung, bis der Grenzwert in allen Städten in NRW eingehalten wird? Für die Fortschreibung der Luftreinhaltepläne werden die Maßnahmenwirkungen und Entwicklungen für das Jahr 2020 prognostiziert. Eine Antwort auf die Frage, bis wann die Grenzwerte in allen nordrhein-westfälischen Städten eingehalten werden, kann erst dann gegeben werden, wenn die entsprechenden Prognoserechnungen des LANUV vorliegen. 2. Der Gutachter der Stadt Düsseldorf zur Problematik der nicht eingehaltenen Grenzwerte am Messpunkt Corneliusstraße kommt zu dem Schluss, dass nur die Einführung von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge unterhalb der Euro VI-Norm sowie die Einführung einer „Blauen Plakette“ in den nächsten Jahren zu einer Einhaltung der Grenzwerte führen werden. Wenn die Bezirksregierung und die Stadt Düsseldorf diesem Gutachten folgen und Fahrverbote für Dieselfahrzeuge ohne Euro VI-Norm als Maßnahme in den Luftreinhalteplan aufnehmen, was wird die Landesregierung dazu unternehmen? Im Rahmen der Fortschreibung des Luftreinhalteplans Düsseldorf wird ein umfangreiches Maßnahmenpaket geprüft und in der Wirkung abgeschätzt. Dabei wird auch die Wirkung von Dieselfahrverboten untersucht. Das Bundesverwaltungsgericht hat klargestellt, dass die Anordnung von Fahrverboten nur unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen kann. Die Bezirksregierung Düsseldorf erarbeitet den Luftreinhalteplan unter Beachtung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts. 3. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher sind von der Automobilindustrie getäuscht worden und besitzen nun ein Auto, das nicht ihren ökologischen Ansprüchen entspricht. Mit welcher Begründung lehnt die Landesregierung eine Hardware-Umrüstung der Dieselfahrzeuge auf Kosten der Automobilindustrie ab, obwohl mittlerweile selbst Gutachter der Bundesregierung die Nachrüstung für problemlos technisch machbar und durch die Automobilhersteller finanzierbar halten? Die Landesregierung erwartet von den Herstellern, dass manipulierte Fahrzeuge unverzüglich durch Softwareupdates in einen rechts-konformen Zustand gebracht werden. Die Hardware- Nachrüstung ins-besondere von Euro 5-Diesel-Fahrzeugen im Bestand ist aus Sicht des Gesundheits- und Verbraucherschutzes eine sinnvolle Option. Die Landesregierung ist der Auffassung, dass alle technischen Möglichkeiten zur Nachrüstung geprüft werden müssen. Hierzu sind intensive Gespräche mit der Branche notwendig. Inwieweit eine rechtsverbindliche Nachrüstung dieser Fahrzeuge auf Kosten der Hersteller durchsetzbar ist, prüft die Expertengruppe I des Nationalen Forum Diesel. Die Expertengruppe hat ihre Arbeit noch nicht komplett abgeschlossen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2970 3 4. Herr Laschet hat in der o.g. Pressekonferenz und auch in den Plenardebatten zum Thema längerfristig wirkende Maßnahmen zur Reduzierung der Stickoxidbelastung benannt, z.B. den Ausbau der Infrastruktur für E-Mobilität, Ausbau des ÖPNVs usw. Doch welche Maßnahmen können aus Sicht der Landesregierung kurzfristig und damit „schnellstmöglich“ eine Verbesserung herbeiführen? Kurzfristig wirksame Maßnahmen sind beispielsweise die Software-Updates bei Dieselfahrzeugen sowie für die Corneliusstraße in Düsseldorf die vorzeitige Umstellung der Rheinbahn-Busse auf EURO VI-Standard. 5. In einer weiteren Aussage des Ministerpräsidenten macht dieser deutlich, dass die Hintergrundbelastung mit Stickstoffdioxid derart hoch sei, dass selbst die komplette Verbannung von Dieselfahrzeugen aus den entsprechenden Gebieten die Werte nur „unwesentlich verändern“ würde. Unabhängig von der Fragwürdigkeit dieser Aussage, die bspw. im Gegensatz zu dem o.g. Gutachten der Stadt Düsseldorf steht, scheint diese Haltung mit ein Grund für die Untätigkeit der Landesregierung zu sein. Ist die Landesregierung tatsächlich der Ansicht, dass sich die Problematik der Schadstoffbelastung der Luft durch den Dieselverkehr in einem überschaubaren Zeitraum von selbst lösen wird? Die Landesregierung hat zur Verringerung der Emissionen und zur Verbesserung der Luftqualität eigene Fördermöglichkeiten geschaffen und die Anstrengungen der Bundesregierung, im Zuge des Nationalen Diesel-Gipfels umfassende Maßnahmenpakete und Fördermöglichkeiten zu entwickeln, von Anfang an aktiv unterstützt. Die Stickstoffdioxidbelastung der Luft in Nordrhein-Westfalen zeigt eine rückläufige Tendenz, die sich in 2017 deutlich verstärkt hat. Die Ergebnisse der 2017er Luftqualitätsmessungen des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) verdeutlichen dies. Dazu hat die Landesregierung dem Landtag mit Datum von 20.03.2018 (Vorlage 17/650) den Jahresbericht 2017 vorgelegt. Darin ist zur Hintergrundbelastung ausgeführt, dass an den Messstellen im städtischen und ländlichen Hintergrund bei einem durchschnittlichen NO2- Belastungsniveau von 25 µg/m3 in den letzten fünf Jahren eine durchschnittliche Abnahme der Belastung um 2 % pro Jahr beobachtet wurde. Auch in den verkehrsreichen Innenstädten war ein Rückgang der Schadstoffbelastung zu verzeichnen. In fünf Kommunen konnte der EU- Grenzwert von 40 µg/m³ Stickstoffdioxid im Jahresmittel erstmals eingehalten werden. So konnte die Zahl der von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Kommunen von 32 im Jahr 2016 auf 27 im Jahr 2017 reduziert werden.