LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2971 29.06.2018 Datum des Originals: 28.06.2018/Ausgegeben: 04.07.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1034 vom 8. Mai 2018 des Abgeordneten Stefan Kämmerling SPD Drucksache 17/2586 Erlass des Bauministeriums zu Übernachtungen in nordrhein-westfälischen Kindergärten: Entfesselung geht anders! Müssen jetzt die Kleinsten die Regelungswut der Landesregierung ausbaden? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 10. Januar 2018 erreichte das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen ein Schreiben der unteren Bauaufsichtsbehörde Wuppertal, welche sich danach erkundigte, ob das Übernachten in Kindergärten genehmigungspflichtig sei, bzw. eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung darstelle. Speziell ging es um die einmal jährlich stattfindenden Übernachtungen künftiger i-Dötzchen in Kindergärten. Im Antwortschreiben vom 15. Februar 2018 an die Bauaufsichtsbehörde Wuppertal stellte das Ministerium klar, dass immer dann eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung im bauordnungsrechtlichen Sinne vorliege, „wenn sich die neue Nutzung von der bisherigen (legalen) Nutzung dergestalt unterscheidet, dass sie anderen oder weitergehenden Anforderungen bauordnungs-, bauplanungs- oder sonstiger öffentlich-rechtlicher Art unterworfen ist oder unterworfen werden kann“. Weiter heißt es in dem Schreiben: „Falls die Baugenehmigung das Übernachten nicht einschließt, kommen weitergehende Anforderungen in Betracht. In diesem Fall liegt nach der Rechtsprechung eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung vor.“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2971 2 Konkret bezieht sich das Bauministerium in seinem Antwortschreiben auf seine Niederschrift über die Dienstbesprechungen mit den Bauaufsichtsbehörden im Jahr 2011.1 In diesen Dienstbesprechungen habe das Bauministerium am Beispiel von Versammlungsstätten darauf hingewiesen, dass „die Häufigkeit der beantragten Nutzung der baulichen Anlage (einmalig, jährlich, halbjährlich usw.) für die Erteilung der Baugenehmigung nicht ausschlaggebend“ wäre. Auf Nachfrage betonte das Ministerium gegenüber der WZ (Westdeutsche Zeitung, Bericht vom 02.05.182): „Gebäude müssen eine Baugenehmigung haben, in der die Nutzung der Räume geregelt ist. In der Regel ist die Erlaubnis für Übernachtungen – unabhängig von der Häufigkeit – in Kindergärten nicht vorgesehen. Deshalb sind Übernachtungen genehmigungspflichtig.“ Eine Durchschrift dieses Erlass leitete das Ministerium am 15. Februar 2018 an die Bezirksregierung Düsseldorf als obere Bauaufsichtsbehörde weiter, welche sie wiederrum den Kommunen zukommen ließ. Einige Kommunen haben bereits öffentlich bekannt gegeben, dass keine Übernachtungen mehr getätigt werden sollen, da der bürokratische Aufwand zu hoch sei. Je nach Einzelfall müssten neue Brandschutzkonzepte erstellt und dazugehörige Maßnahmen vorgenommen werden. Zahlreiche der 396 Städte und Gemeinden wandten sich in den vergangenen Tagen an politische Mandatsträger und formulierten ihr Unverständnis für die neuen Regulierungsauswüchse bei der Landesregierung. Kritisiert wird zudem insbesondere die Tatsache, dass in Kindergärten selbstverständlich auch jetzt bereits tagsüber Kinder schlafen (insbesondere der Mittagschlaf im U3-Bereich), dies nun aber nach Auffassung der Landesregierung nachts ein Problem darstellen soll. Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung hat die Kleine Anfrage 1034 mit Schreiben vom 28. Juni 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die Übernachtungen zum Abschluss des Kindergartenjahres sind und bleiben in nordrheinwestfälischen Kindertagesstätten erlaubt und wünschenswert. Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung hat von Beginn an bei allen Anfragen zu Übernachtungen in Kindergärten – ob von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien, Kindertageseinrichtungen oder Kommunalverwaltungen – klar gestellt, dass Pyjama-Partys weiter möglich sind, aber von den Städten und Gemeinden genehmigt werden müssen. Außerdem sind konkrete Handlungsempfehlungen aufgezeigt worden, die die unbürokratische Erlaubnis zur Übernachtung der künftigen Grundschulkinder ermöglichen. 1 http://www.aknw.de/fileadmin/user_upload/Arbeitshilfen/niederschrift_dienstbesprechung_bauaufsicht sbehoerden_2011.pdf 2 http://www.wz.de/lokales/kreis-viersen/lokales-kreis-viersen-tonisvorst/auch-heyes-uebt-kritik-anerlass -1.2673568 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2971 3 1. Worauf belaufen sich die Kosten für die nutzungsrechtlichen Änderungen im Sinne des Erlasses der Landesregierung vom 15. Februar 2018, damit in der Folge wieder legal Übernachtungen in den Kindergärten in den 396 nordrheinwestfälischen Kommunen stattfinden können (bitte aufgeschlüsselt nach Kommunen und innerhalb der Kommunen nach Kindergärten)? Der Landesregierung ist nicht bekannt, wie viele Kindertagesstätten noch nicht über eine Baugenehmigung verfügen, die das (gelegentliche) Übernachten abdeckt. Entscheidungen über die kurzzeitige Erweiterung der Nutzung sind gemäß Tarifstelle 2.4.3 der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung (AVerwGebO NRW) gebührenfrei. 2. Wie beurteilt die Landesregierung eine nun bekannt gewordene weitergehende Genehmigungspflicht bei Übernachtungen in Kindergärten vor dem Hintergrund, dass in Kindergärten regelmäßig auch Mittagsschlaf gehalten wird und somit identische Tatbestände lediglich zu unterschiedlichen Uhrzeiten streitgegenständlich sind? 3. Wie bewertet die Landesregierung im Hinblick auf die Genehmigungspflicht die bereits stattgefundenen jährlichen Übernachtungen der künftigen i-Dötzchen in Kindergärten? 4. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, die einmal jährlich stattfindenden Übernachtungsaktionen für Kinder in Kindergärten, in Fällen in denen es die Baubeschreibung im Rahmen des Bauantrags nicht ausdrücklich ausweist, weiterhin aufrechtzuerhalten oder Ausnahmeregelungen zu schaffen? Die Fragen 2 bis 4 werden im Zusammenhang beantwortet: Zugleich muss jedoch gewährleistet sein, dass während der Übernachtung in der Kindertagesstätte die Sicherheit der Kinder gegeben ist. Wenn die Baugenehmigung der jeweiligen Kindertagesstätte (gelegentliche) Übernachtungen bereits ausdrücklich berücksichtigt, ist nichts weiter zu tun. Jede Übernachtungsparty ist durch die bestehende Baugenehmigung gedeckt. Sieht die Baugenehmigung im Einzelfall eine entsprechende Nutzung über Nacht (noch) nicht vor, sind einfache Regelungen einzuhalten, die geübte Praxis sind: es muss eine erwachsene Person im Übernachtungsraum anwesend sein (Standard). Mögliche Fluchtwege dürfen nicht versperrt sein (Schlafsäcke müssen geordnet im Raum ausgelegt werden). Taschenlampen (übliches Utensil bei Pyjama-Partys) müssen als „stromnetzunabhängige Lichtquellen“ vorhanden sein. Ein Informationsaushang ist für den Ernstfall im Gebäude anzubringen. Den Kommunen wird ein pragmatischer Umgang mit den Anforderungen empfohlen. So regeln viele Kommunen die Erlaubnis bereits auf kurzem Dienstweg, indem eine Mail über die geplante Übernachtung geschickt wird. Sinn der Regelung ist, zu gewährleisten, dass es im Brandfall nicht zu einer Gefahr für Leib und Leben kommen kann. Seitens der Landesregierung bestehen – wie bisher – keine LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2971 4 Hindernisse für das Übernachten im Kindergarten zum Abschluss des aktuellen Kindergartenjahres. Die Landesregierung wird jedoch kurzfristig die Landesbauordnung und alle weiteren im Zusammenhang stehenden Regelungen - etwa Erlasse - auf ihre Sinnhaftigkeit und Praktikabilität prüfen und gegebenenfalls ändern. Das gilt auch für Rechtsauffassungen, die seit 2005 unter verschiedenen Landesregierungen vorgetragen wurden. 5. Wie viele Fälle sind der Landesregierung bekannt, in denen bei den jährlichen Übernachtungen in nordrhein-westfälischen Kindergärten Kinder zu Schaden kamen (bitte aufgeschlüsselt nach Kommunen und innerhalb der Kommunen nach Einrichtungen sowie unterteilt nach Schäden vor der Dienstbesprechung 2011 und danach)? Der Landesregierung liegen hierzu keine Zahlen vor.