LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3001 03.07.2018 Datum des Originals: 03.07.2018/Ausgegeben: 06.07.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1093 vom 29. Mai 2018 des Abgeordneten René Schneider SPD Drucksache 17/2728 Risikoerhöhung durch Bergbau am Niederrhein Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Bergwerke Walsum und West haben bis zu ihrer Stilllegung weite Bereiche des links- wie rechtsrheinischen Niederrheins tiefer gelegt und damit das Schadenspotential bei einem Versagen der Hochwasserschutzbauten stark erhöht. Zur genaueren Feststellung und zu einer möglichen Risikoverminderung ist in den Jahren 2002 bis 2006 für die Deiche im Einflussbereich beider Bergwerke von der RWTH-Aachen, Lehrstuhl und Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft, ein Risk-Assessment durchgeführt worden, damals auch noch mit einem Abbauhorizont bis zum Ende des genehmigten Rahmenbetriebsplans bis 2019. Die Berichte beider Verfahren beschreiben auch Möglichkeiten, das Risikopotential nach dem Abbau wieder auf das Niveau vor dem Abbau zu reduzieren. Trotz der frühzeitigen Stilllegung beider Bergwerke sind einige Stadtteile, z.B. der Stadtteil Annaberg in Rheinberg, erstmalig der Hochwassergefahr ausgesetzt. Hier wurde durch den Steinkohlenabbau das Schadenspotential eindeutig erhöht. An anderen Stellen sind die damaligen Überlegungen möglicherweise zu revidieren. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1093 mit Schreiben vom 3. Juli 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3001 2 Vorbemerkung der Landesregierung In Nordrhein-Westfalen hat der vorsorgende Schutz vor Hochwasserrisiken auf Grund der dichten Besiedlung und des hohen Grades der Industrialisierung eine große Bedeutung und bereits eine lange Tradition. Die Landesregierung unterstützt die Arbeit der Kommunen und der Wasser- und Deichverbände und trägt einen hohen Anteil der Kosten. Die Landesregierung hatte 2005 mit der RAG die sogenannte Walsumer Verständigung vereinbart. Wesentlicher Punkt dieser gemeinsamen Erklärung ist die Verbesserung des Hochwasserschutzes, indem neue Abbauvorhaben unter dem Rhein vermieden werden und somit keine weiteren Erhöhungsmaßnahmen an den Rheindeichen für künftigen Steinkohleabbau nötig sind. 1. Welche der damalig angedachten Möglichkeiten der Risikoverminderung sind bisher geplant bzw. durchgeführt worden? Entsprechend der Definition des Risikos können Risikominderungsmaßnahmen einerseits durch eine Minderung der Schadenspotentiale sowie andererseits durch eine Minderung der Versagenswahrscheinlichkeiten wirken. Aufbauend auf den durchgeführten Analysen wurden sowohl für den rechtsrheinischen als auch für den linksrheinischen Bereich entsprechende Risikominderungsmaßnahmen vorgeschlagen. Die mittelfristige Anpassung der Rheindeiche an die allgemein anerkannten Regeln der Technik im Rahmen des „Fahrplanes Deichsanierung“ in Kombination mit Überwachung und Unterhaltung der Deichstrecken durch die Hochwasserschutzpflichtigen leisten einen wesentlichen Beitrag zur Minderung der Versagenswahrscheinlichkeiten von Hochwasserschutzanlagen und werden im Risk-Assessment ausdrücklich erwähnt. Diese Ertüchtigungsmaßnahmen als Fortführung des Konzeptes zum nachhaltigen Hochwasserschutz in Nordrhein-Westfalen werden durch die Bezirksregierung Düsseldorf koordiniert, fachtechnisch begleitet und genehmigt. Zur Verbesserung der Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen im Hochwasserschutz sind in einem ersten Schritt im Haushalt 2018 die Fördermittel für den Hochwasserschutz um über 16 Mio. Euro auf 66 Millionen Euro erhöht worden. Zudem sind die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen worden, die Fördermittel beim Hochwasserschutz überjährig zu bewirtschaften. Das gibt uns und den Maßnahmenträgern vor Ort eine deutlich höhere Flexibilität bei der Finanzierung und damit bei der Realisierung der Sanierungsmaßnahmen. Darüber hinaus wurde seitens des Landes zur Risikominderung festgelegt, dass bei Deichanpassungen in aktiven Bergsenkungsgebieten ein um 0,50 m höherer Freibord ausgeführt wird. Auch die durch das Land Nordrhein-Westfalen erarbeiteten und veröffentlichten Hochwassergefahren und Hochwasserrisikokarten tragen dazu bei, die Informationslage bei den Fachstellen und der betroffenen Bevölkerung zu verbessern und dienen als Grundlage für die Aufstellung von weiteren Katastrophenmanagementplänen. Maßnahmen linksrheinisch: Zur Risikominderung wurden zehn Maßnahmen bzw. Maßnahmenkombinationen betrachtet. Mit der Unterteilung des Untersuchungsgebietes LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3001 3 in Kammern, die Errichtung zweiter Deichlinien oder Deicherhöhungen wurden grundsätzlich Möglichkeiten dargestellt, das Risiko hinreichend zu mindern. Nach einer weiteren Prüfung durch das Umweltministerium wurde die Umsetzung des gesteuerten Polders Orsoy als zweite Deichlinie beschlossen und befindet sich derzeit kurz vor Abschluss der Planungsphase. Maßnahmen rechtsrheinisch: Im Risk-Assessment zum Bergwerk Walsum wurden eine Kammerung des Polders entlang der DB-Strecke Walsum – Spellen und die Erhöhung der Deichkrone im Bereich der Ortschaft Dinslaken-Stapp vorgeschlagen. Eine weitergehende Analyse zur Nutzung der Bahnstrecke zur Kammerung des Polders ergab, dass dieser Vorschlag nicht praktikabel ist. Der Bahndamm ist für einen längeren Einstau im Hochwasserfall nicht ausgelegt und kann dafür nicht genutzt werden. Die Anpassung der Deichkronenhöhe wurde entsprechend dem Vorschlag umgesetzt. Streckenweise übersteigt die Deichkrone im Ortsteil Dinslaken-Stapp sogar die Wasserspiegellage zum Bemessungshochwasserabfluss 2004 inklusive des um 0,50 m erhöhten Freibords. 2. Wenn keine Maßnahmen durchgeführt worden sind, welche Begründung gibt es dafür? Die Zielsetzung des Risk-Assessments war, eine objektive Grundlage zur Beurteilung der Auswirkungen des Bergbaus auf das Hochwasserrisiko zu schaffen. Darüber hinaus sollten auch geeignete Maßnahmen vorgeschlagen werden, die sicherstellen, dass sich das Risiko infolge des Steinkohlebergbaus nicht erhöht. Die konkrete Machbarkeit und Finanzierung der Maßnahmen wurden im Rahmen dieses Projektes nicht untersucht. Beispielsweise wurde während der Runden Tische beim Kreis Wesel im Ergebnis festgehalten, dass seitens des Umweltministeriums die im Risk-Assessment zum Bergwerk West (linksrheinisch) vorgeschlagenen Maßnahmen weiter geprüft wurden. Als einzig praktikabler Vorschlag wurde die Schaffung von Retentionsraum im Polder Orsoy (s.o.) identifiziert. Diese Maßnahme befindet sich aktuell in der Planungsphase und die Umsetzung wird durch die Bezirksregierung Düsseldorf im Rahmen eines projektbezogenen Gremiums begleitet. 3. Welche Maßnahmen schätzt die Landesregierung als erforderlich ein unter den neuen, verringerten Senkungen gegenüber der ursprünglichen Planung? Bei den rechtsrheinischen Hochwasserschutzanlagen wurden bei ausstehenden Deichsanierungen die Ausführungsplanungen an die Folgen der sogenannten Walsumer Verständigung angepasst. Sofern bei Deichsanierungen Aufhöhungen zum Ausgleich für mitgeteilte bergbauliche Einwirkungen ausgeführt wurden und die Senkungen nicht eingetreten sind, entstanden Überhöhungen. Ein Rückbau dieser Überhöhungen ist nicht zweckmäßig und auch nicht vorgesehen. 4. Wann ist mit der Umsetzung der Maßnahmen zu rechnen? Die Schaffung einer zweiten Deichverteidigungslinie durch den Polder Orsoy ist Bestandteil des Fahrplanes Deichsanierung am Rhein. Die Erstellung der Genehmigungsplanung steht kurz vor Abschluss, so dass Ende 2018 mit dem Planfeststellungsverfahren begonnen werden kann. Die Dauer des Genehmigungsverfahrens bei Projekten dieser Art und Größe kann mit LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3001 4 mindestens 18 Monaten abgeschätzt werden. Nach Erlangen der Rechtskraft des Planfeststellungsbeschlusses wird die Erarbeitung der Ausführungsplanung durch die Fachbüros und die öffentliche Vergabe der Bauleistungen anknüpfen.