LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3209 18.07.2018 Datum des Originals: 17.07.2018/Ausgegeben: 23.07.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1179 vom 15. Juni 2018 der Abgeordneten Michael Hübner und Frank Sundermann SPD Drucksache 17/2908 Nun auch schon Rekordstaus auf den Kanälen in NRW? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Wegen baufälliger Schleusen im Bereich des Wasserschifffahrtsamtes (WSA) Duisburg- Meiderich sieht der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) die Versorgung der Großindustrie im Ruhrgebiet behindert. So ist z.B. der Wesel-Datteln-Kanal ist mit einem Transportvolumen von knapp 20 Mio. Tonnen p.a. die Hauptverkehrsader im Ruhrgebiet. Allein das Kraftwerk Lünen erhält mit dem Binnenschiff 35.000 Tonnen Kohle pro Woche. Aktueller Hintergrund für die Probleme ist, dass die Bundesverwaltung die sogenannten Nischenpoller, die den Schiffen während der Schleusung in den Kammern zum Festmachen dienen, gesperrt hat. Die Poller stammen ebenso wie die sechs Schleusenbauwerke aus den 1930er Jahren. Sie können den Belastungen durch die heutigen Binnenschiffe nicht mehr standhalten und müssen dringend erneuert werden. Die Folge ist laut BDB, dass die Schiffe sich derzeit an den Schleusen stauen und Wartezeiten von bis zu zwölf Stunden entstehen. Das führt zu erheblichen Mehrkosten bei Logistikern und der Industrie. Die Reparatur bzw. der Ersatz der Poller in den Schleusen ist zwingend erforderlich, um die volle Leistungsfähigkeit des Kanals wieder herzustellen. Da offenbar das erforderliche Fachplanungspersonal in der Wasserschifffahrtsverwaltung (WSV) fehlt, kann kurzfristig keine Abhilfe geleistet werden. Es ist sogar die Rede von einem jahrelangen Prozess, der Aufstellung eines Sanierungskonzeptes und aufwendige Ausschreibungen für die Baumaßnahmen umfassen müsse. Eine rasche Nothilfe sollen nun sogenannte „Festmacher“ leisten. Diese Personen vertäuen die Schiffe an den Landpollern oberhalb der Schleusenkammern. Das ist zwar geeignet, um die Schleusungsvorgänge wieder zu beschleunigen, ist aber mit hohen Kosten verbunden. Der BDB spricht bei dieser Lösung von „Mangelverwaltung in höchster Vollendung“. Das WSA Duisburg-Meiderich ist für das westdeutsche Kanalgebiet und somit für rund 137 km Wasserstraßen zuständig. Dort fehlen nach Angaben von Fachleuten offenbar alleine rund 50 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3209 2 Ingenieure, um die beschriebenen Probleme und Sanierungsbedarf bei 70 weiteren Anlagen, die im Amtsbezirk dringend instand gesetzt werden müssten, zu bewältigen. Der Minister für Verkehr hat die Kleine Anfrage 1179 mit Schreiben vom 17. Juli 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die Fragesteller heben die besondere Bedeutung des Wesel-Datteln-Kanals zutreffend hervor. Der Wesel-Datteln-Kanal ist nach dem Rhein die meistbefahrene Wasserstraße Deutschlands. Er verbindet das nördliche Ruhrgebiet mit den Seehäfen der Westrange. Die am Kanal ansässige Großindustrie hat nahezu ihre gesamte Ver- und Entsorgungslogistik auf die Wasserstraße ausgerichtet. Insbesondere die Kohlekraftwerke haben in der Vergangenheit in eigene Hafenanlagen investiert. Nur die Binnenschifffahrt kann die notwendige Planbarkeit und Verlässlichkeit für den Transport derart großer Gütermengen bieten, wie sie dort benötigt werden. 1. Wie bewertet die Landesregierung die Situation der Infrastruktur an den Wasserstraßen in NRW insbesondere mit Blick auf die Folgen für die Industrie? Durch die Sperrung der Nischenpoller und die dadurch notwendig gewordenen Einzelschleusungen der Schiffe hat der Wesel-Datteln-Kanal rund 50 % seiner Leistungsfähigkeit eingebüßt. Je nach Wochentag führt diese Einschränkung zu Wartezeiten von bis zu zwölf Stunden vor den Schleusen. Der Binnenschifffahrt entstehen durch die Wartezeiten erhebliche Mehrkosten. Die Betreiber der Kraftwerke entlang des Kanals mussten bisher keine Leistungseinbußen hinnehmen. Lieferengpässe sind nicht bekannt. Es ist abzusehen, dass sich die Situation nach der Inbetriebnahme des Uniper-Kraftwerks in Datteln und den damit einhergehenden zusätzlichen Transporten voraussichtlich verschlechtert. 2. Welche Schritte unternimmt die Landesregierung, um die zuständigen Bundesbehörden zu einer raschen Problemlösung bei den beschriebenen Mängeln zu bewegen? Auch unabhängig von den aktuellen Einschränkungen bietet der Wesel-Datteln-Kanal nicht ausreichend Kapazität für die prognostizierte Zunahme der transportierten Gütermengen. Aus diesem Grund wurde der Ausbau des Kanals auf Betreiben der Landesregierung in den vordinglichen Bedarf (Engpassbeseitigung) des BVWP 2030 aufgenommen. Die Maßnahme beinhaltet auch den Ersatzneubau der großen Schleusen. Zur Umsetzung der Maßnahme ist die baldige Schaffung der dringend benötigten Stellen (insb. Ingenieurstellen) bei den für die Maßnahmen zuständigen Wasser- und Schifffahrtsämtern notwendig. Insbesondere das für den Kanal zuständige Wasser- und Schifffahrtsamt Duisburg- Meiderich muss gestärkt werden, um die notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen durchführen zu können. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3209 3 Leider konnte die Vorgängerregierung in den letzten Jahren beim Bund keine personelle Stärkung der WSV in NRW erreichen. Seit Antritt der Landesregierung im Juli vergangenen Jahres wurden die Gespräche mit dem Bund intensiviert. Im Haushalt 2018 hat der Deutsche Bundestag kürzlich für die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung 30 Stellen für dringende Instandhaltungs- und Investitionsmaßnahmen an Bundeswasserstraßen bewilligt, von denen nach aktuellem Kenntnisstand der Landesregierung auch endlich Stellen für Nordrhein-Westfalen vorgesehen sind. Außerdem konnte aufgrund von Gesprächen mit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine weitere Erhöhung um 15 Ingenieurstellen ausschließlich für Nordrhein-Westfalen im Haushalt 2018 erreicht werden. Die Stellen sind für das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Duisburg- Rhein und das Wasserstraßen-Neubauamt Datteln vorgesehen. 3. Was unternimmt die Landesregierung, um den von Verzögerungen und Versorgungsengpässen betroffenen Industriebetrieben zu helfen? 4. Akute Versorgungsengpässe sind der Landesregierung nicht bekannt. Spezielle Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen sind indes in solchen Fällen nicht vorstellbar. Der Vollständigkeit halber sei allerdings erwähnt, dass diesen Unternehmen wie allen anderen die Unterstützungsangebote der Kreditprogramme der NRW.Bank oder des Bürgschaftsprogramms des Landes zur Verfügung stehen. Vorbeugende Maßnahmen, um Versorgungsengpässe erst gar nicht eintreten zu lassen, betreffen ausschließlich die Infrastruktur. Diese sind in der Antwort auf Frage 2 dargestellt. 5. Welche Schritte unternimmt die Landesregierung, um den von ihr als sinnvoll erachteten der Anteil der Binnenschifffahrt am Verkehrsmix in NRW zu erreichen, insbesondere im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit der Wasserverkehrsinfrastruktur? Um den wachsenden Anforderungen an die Verkehrsinfrastruktur zu genügen müssen sämtliche Verkehrsträger entsprechend den Bedürfnissen der Nutzer ausgebaut werden. Auch das System Wasser muss weiterhin nachhaltig gestärkt und zukunftsfähig ausgerichtet werden. Die Landesregierung führt daher intensive Gespräche mit den betroffenen Akteuren – sowohl auf der Fachebene, als auch in der Politik. Nordrhein-Westfalen muss als Binnenschifffahrtsland Nr. 1 auch Investitionsschwerpunkt der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung werden.