LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3236 23.07.2018 Datum des Originals: 17.07.2018/Ausgegeben: 26.07.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1207 vom 26. Juni 2018 des Abgeordneten Guido van den Berg SPD Drucksache 17/2954 Wie stellt sich die Schutzwirkung der Sozialcharta im Vertrag über den Verkauf der landeseigenen Wohnungen der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) im August 2008 für die Bewohner der ehemals 1775 landeseigenen Wohnungen im Rhein-Erft-Kreis heute dar? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Beim Verkauf der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft LEG pries der damalige Landesbauminister Lutz Lienenkämper in einer Pressemitteilung den Verkauf als eine Erfolgsgeschichte. „Die Mieter, aber auch die Mitarbeiter der LEG, stehen heute dank der zwischen Land und Käufer vereinbarten Sozialcharta besser da als in der Vergangenheit.“ Die Sozialcharta würde u.a. die LEG-Mieter für die Dauer von zehn Jahren vor ordentlicher Kündigung schützen und Mietern über 60 Jahren ein lebenslanges Wohnrecht zusichern. Mieterhöhungen würden über die allgemeinen Regeln des Mieterschutzes im BGB hinaus begrenzt werden. Angesichts vielfach gegenteiliger Erfahrungen der Bewohner der ehemaligen landeseigenen LEG-Wohnungen und der sich dramatisch zuspitzenden Lage auf dem Wohnungsmarkt im Niedrigpreissegment im Rhein-Erft-Kreis stellt sich die berechtigte Frage, ob die Sozialcharta den über 4000 Menschen im Rhein-Erft-Kreis die in LEG- Wohnungen lebten den Schutz geboten hat, der mit ihr versprochen wurde. Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung hat die Kleine Anfrage 1207 mit Schreiben vom 17. Juli 2018 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Sind die Wohnungen noch heute im Besitz des damaligen Käufers Goldman Sachs bzw. wie oft fand ein Eigentümerwechsel der Wohnungen im Rhein-Erft-Kreis statt? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3236 2 Durch den Verkauf der LEG NRW GmbH im Jahr 2008 hat es keinen Wechsel bei den Eigentumsverhältnissen der Wohnungen gegeben. Alle Wohnungen sind im Eigentum der bestandshaltenden Gesellschaften der LEG-Gruppe verblieben. Verkäufe von Wohnungen durch diese bestandhaltenden Gesellschaften sind nach der Sozialcharta in beschränktem Umfang zulässig – pro Jahr nicht mehr als 2,5 % der Konzernwohnungen. Die jährliche Berichterstattung über die Einhaltung dieser Vorgabe erfolgt daher pauschal bezogen auf den Gesamtwohnungsbestand. Detailinformationen zu einzelnen Städten, Stadtteilen, Städteregionen oder Kreisen liegen nicht vor. 2. Wie hoch sind die Mietsteigerungen in den vergangenen 10 Jahren der ehemaligen landeseigenen LEG-Wohnungen im Rhein-Erft-Kreis im Vergleich zum Ausgangsjahr 2008 zu beziffern? Die in der Sozialcharta festgelegten Mieterhöhungsbeschränkungen beziehen sich auf die Bestandswohnungen insgesamt. Daher können zu Mietsteigerungen in einzelnen Städten oder Regionen keine Angaben gemacht werden, da die LEG nach der Sozialcharta nicht verpflichtet ist, stadt- oder siedlungsbezogene Angaben zu liefern. Die vorgelegten Berichte des Wirtschaftsprüfers zur Einhaltung der Sozialchartaverpflichtungen zeigen aber, dass die LEG die ihr nach der Sozialcharta zustehenden Spielräume bei weitem nicht ausgeschöpft hat. 3. Wie haben sich Angebot und Nachfrage nach niedrigpreisigen Wohnungen im Rhein-Erft-Kreis in den letzten zehn Jahren entwickelt (Daten bitte für die Städte des Rhein-Erft-Kreises einzeln darstellen)? Das jährliche Angebot an preis- und belegungsgebundenem Mietwohnraum wird durch die Erfassung der Erst- und Wiederbelegungen statistisch ermittelt. Diese Daten liegen bis 2011 nicht flächendeckend gemeindescharf vor, da nicht alle Gemeinden über entsprechende Daten verfügten. Daher kann hier für diese Jahre nur die Gesamtsumme für den Rhein-Erft-Kreis wiedergegeben werden. Danach hat sich das Angebot im Rhein-Erft-Kreis von 2007 bis 2016 wie folgt entwickelt: jährliches Angebot an verfügbaren preis- und belegungsgebundenen Mietwohnungen (Erst- und Wiederbelegungen im Bestand) 2007 2008 2009 2010 2011 Rhein-Erft-Kreis 715 891 599 646 800 2012 2013 2014 2015 2016 Bedburg 52 61 62 63 43 Bergheim 316 270 286 0 24 Brühl 57 53 45 50 24 Elsdorf 27 24 36 34 57 Erftstadt 48 40 63 22 15 Frechen 83 25 46 58 72 Hürth 116 92 69 67 58 Kerpen 182 176 136 35 111 Pulheim 68 106 74 141 80 Wesseling 18 14 8 8 0 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3236 3 Rhein-Erft-Kreis 967 861 825 478 484 Die jährliche Nachfrage nach preis- und belegungsgebundenem Mietwohnraum wird durch die Erfassung der an Haushalte ausgegebenen Wohnberechtigungsscheine ermittelt. Diese liegen gemeindescharf vor. Danach hat sich die Nachfrage im Rhein-Erft-Kreis von 2007 bis 2016 wie folgt entwickelt: jährliche Nachfrage nach preis- und belegungsgebundenen Mietwohnungen (Haushalte, die einen Wohnberechtigungsschein beantragt und erhalten haben) 2007 2008 2009 2010 2011 Bedburg 245 246 244 235 104 Bergheim 110 548 456 455 478 Brühl 343 284 296 287 250 Elsdorf 125 126 125 130 70 Erftstadt 164 214 122 186 205 Frechen 358 407 581 692 500 Hürth 498 539 416 462 519 Kerpen 406 255 202 393 377 Pulheim 117 175 196 253 205 Wesseling 363 253 256 247 230 jährliche Nachfrage nach preis- und belegungsgebundenen Mietwohnungen (Haushalte, die einen Wohnberechtigungsschein beantragt und erhalten haben) 2012 2013 2014 2015 2016 Bedburg 90 131 123 140 114 Bergheim 505 485 513 568 420 Brühl 217 222 188 161 172 Elsdorf 82 63 72 74 82 Erftstadt 267 202 247 199 230 Frechen 516 458 194 194 194 Hürth 449 357 333 361 449 Kerpen 448 389 321 360 347 Pulheim 141 338 172 222 195 Wesseling 181 199 178 198 170 Die Daten für das Jahr 2017 werden derzeit bei den kommunalen zuständigen Stellen erhoben. Die Ergebnisse liegen noch nicht vor. Da weder die Wohnungsnachfrage noch das frei finanzierte Wohnungsangebot flächendeckend staatlich überwacht wird, kann die Landesregierung für dieses Wohnungsmarktsegment keine konkreten Daten ermitteln. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3236 4 4. Welche Planungsdaten liegen der Verwaltung für Sozialen Wohnungsbau im Rhein-Erft-Kreis für niedrigpreisigen Wohnraumbedarf als Grundlage für ihre Arbeit für die kommenden Jahre zugrunde (bitte ebenfalls für die Städte einzeln darstellen)? Die Wohnraumförderung des Landes Nordrhein-Westfalen wird auf der Grundlage von Bedarfs- und Kostenkategorien gesteuert. Dazu wird in der Regel im dreijährigem Rhythmus das sog. Gebietskulissengutachten beauftragt, welches die Wohnungsmärkte in Nordrhein- Westfalen klassifiziert, in dem alle Gemeinden in vier unterschiedliche Stufen (hoch, überdurchschnittlich, unterdurchschnittlich und niedrig) eingeteilt werden. Die Landesregierung schafft mit diesen gutachterlichen Untersuchungen auf der Basis landesweit flächendeckend verfügbarer Daten auf Gemeindeebene die empirische, aktuelle und belastbare Grundlage für die Aufstellung von Gebietskulissen in der sozialen Wohnraumförderung. Das letzte Gutachten der Firma F+B, Forschung und Beratung für Wohnen, Immobilien und Umwelt GmbH aus Hamburg datiert vom März 2018. Die Kostenstufen für die Gebietskulissen der Mietwohnraum- und Eigentumsförderung bilden dabei die Grundlage für die lokalen Investitionsbedingungen im geförderten Wohnungsbau. Je höher das lokale Kostenniveau, desto höher die Darlehenssummen, Tilgungsnachlässe und Bewilligungsmieten. Nur so können Investoren für den geförderten Wohnungsbau gewonnen werden. Die Bedarfsstufen für Mietwohnraum- und Eigentumsförderung dienen wiederum dazu, bei regionaler Betrachtung die zur Verfügung stehenden Förderbudgets für die für den sozialen Wohnungsbau zuständigen Bewilligungsbehörden festzulegen – je höher der regionale Bedarf, desto höher das zur Verfügung gestellte Budget. Die Situation der Kommunen im Rhein-Erft-Kreis stellt sich auf Basis des Gutachtens von 2018 wie folgt dar: Kommun e Miete – Gebietskulisse - Kosten Eigentum – Gebietskulisse - Kosten Miete – Gebietskulisse Bedarf Eigentum – Gebietskulisse Bedarf Bedburg überdurchschnittlic h überdurchschnittlic h überdurchschnittlic h überdurchschnittlich Bergheim überdurchschnittlic h überdurchschnittlic h überdurchschnittlic h Überdurchschnittlic h Brühl hoch hoch hoch hoch Elsdorf überdurchschnittlic h überdurchschnittlic h überdurchschnittlic h überdurchschnittlich Erftstadt hoch überdurchschnittlic h hoch hoch Frechen hoch hoch hoch hoch Hürth hoch hoch hoch hoch Kerpen hoch überdurchschnittlic h überdurchschnittlic h überdurchschnittlich Pulheim hoch hoch hoch hoch Wesseling hoch hoch hoch hoch Die gutachterliche Untersuchung soll spätestens im Jahr 2020 aktualisiert werden. Die kommunalen Stellen, die für Bedarfsermittlung für die jeweiligen konkreten Investitionsvorhaben zuständig sind, agieren auf der Basis ihrer Kenntnisse über die LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3236 5 kommunalen und regionalen Wohnungsmärkte vor Ort. Dabei können sie auch auf die Ergebnisse der landesweiten Wohnungsmarktbeobachtung, beispielsweise auf den jährlichen Wohnungsmarktbericht der NRW.BANK, zurückgreifen. 5. Wie hoch war die Investitionsquote pro qm bei den LEG-Wohnungen im Rhein- Erft-Kreis in den letzten 10 Jahren? Nach den Bestimmungen der Sozialcharta hat die LEG jährlich einen Betrag von 12,50 € pro qm in die Bestandswohnungen zu investieren. Die jährliche Berichterstattung über die Einhaltung dieser Verpflichtung erfolgt daher bezogen auf den Gesamtbestand der geschützten Wohnungen. Die LEG ist nicht verpflichtet, stadt- oder siedlungsbezogene Angaben zu liefern, sodass die nachgefragten Angaben nicht vorliegen. Die vorgelegten Berichte des Wirtschaftsprüfers zeigen aber, dass die LEG die o.g. Investitionsquote bislang nicht nur eingehalten, sondern übererfüllt hat.