LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3241 23.07.2018 Datum des Originals: 23.07.2018/Ausgegeben: 26.07.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1091 vom 29. Mai 2018 der Abgeordneten Anja Butschkau SPD Drucksache 17/2726 Bundesweite Razzien der Bundespolizei am 18. April 2018: Ist ein angemessener Opferschutz für die Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution gewährleistet? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Rahmen bundesweiter Razzien am 18. April 2018 befreite die Bundespolizei Frauen, die Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution wurden. Von Interesse ist dabei, welches Schicksal die befreiten Frauen in den Tagen nach der Razzia ereilte. Opfer von Menschenhandel haben Schutzrechte, z. B. sollen sie die Möglichkeit erhalten, innerhalb einer Bedenk- und Stabilisierungsfrist von mindestens 3 Monaten (§ 59 Abs. 7 Aufenthaltsgesetz) zu entscheiden, ob sie eine Aussage bei der Polizei machen wollen oder können und sie sollen die Möglichkeit erhalten, Unterstützung durch spezialisierte Fachberatungsstellen in Anspruch zu nehmen. Die Betroffenen dürfen nicht allein gelassen werden und ins Bodenlose fallen. In ihrer Heimat könnte ihnen ansonsten dasselbe Schicksal wieder ereignen wie in Deutschland. Die spezialisierten Fachberatungsstellen haben eine wichtige Rolle bei dem Schutz und der Unterstützung, auch im Sinne der Strafverfolgungsbehörden. Nach eigenen Recherchen ist mir aber bekannt geworden, dass bei diesen bislang keine betroffenen Frauen vorstellig wurden. Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 1091 mit Schreiben vom 23. Juli 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration und der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bauen und Gleichstellung wie folgt: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3241 2 Vorbemerkung der Landesregierung Opfer von Menschenhandel bedürfen eines besonderen Schutzes, der bereits beim Erstkontakt mit dem Opfer einsetzt. Sie sind nicht nur Zeuginnen oder Zeugen einer Straftat, sondern insbesondere auch Menschen, die durch die Straftat physisch und/oder auch psychisch beeinträchtigt sind. Sie haben Anspruch auf einfühlsame, respektvolle, individuelle und professionelle Behandlung. In Nordrhein-Westfalen gilt für die Polizei deshalb grundsätzlich, dass ihre Maßnahmen und Ermittlungshandlungen soweit möglich auch an den Bedürfnissen der Opfer auszurichten sind. Wichtige Aspekte dabei sind neben dem Einfühlungsvermögen jedes Polizeibeamten und jeder Polizeibeamtin die Feststellung, ob und welche Hilfe bzw. Unterstützung notwendig ist, und die Weitervermittlung an entsprechende Hilfeeinrichtungen. Es ist ein Anliegen der Landesregierung, Opfer von Menschenhandel vor weiterer Opferwerdung zu schützen und ihnen die Hilfe zukommen zu lassen, die sie benötigen, um die Belastungssituation und Schwere der Tatfolgen zu mindern. Aus diesem Grund ist es ausdrückliches Ziel der Landesregierung, Opferschutzeinrichtungen, wozu auch Fachberatungsstellen für Menschenhandelsopfer gehören, zu stärken. Die Zugriffs- und Durchsuchungsmaßnahmen des Polizeieinsatzes am 18. April 2018 lagen in der alleinigen Zuständigkeit der Bundespolizei. Die Polizei Nordrhein-Westfalen wurde lediglich im Rahmen der Amtshilfe, durch die Entsendung eines Diensthundes, unterstützend tätig. Zu den einzelnen Maßnahmen und Ergebnissen des Einsatzes liegen der Landesregierung deshalb auch keine Erkenntnisse vor. 1. Wie viele der Frauen wurden in geschützten Unterbringungseinrichtungen untergebracht? (Bitte nach Städten aufschlüsseln) Eine Abfrage bei den vom Land Nordrhein-Westfalen geförderten Fachberatungsstellen für Opfer von Menschenhandel hat ergeben, dass im Zusammenhang mit dem genannten Einsatz von diesen keine der Frauen untergebracht wurde. Da nicht alle Fachberatungsstellen für Menschenhandelsopfer in Nordrhein-Westfalen vom Land gefördert werden, ergibt die Abfrage allerdings mit Blick auf den Einsatz am 18. April 2018 kein umfassendes Bild. 2. Wie viele Frauen wollten nicht gegen ihre mutmaßlichen Peiniger aussagen? Mangels Einbindung der Polizei Nordrhein-Westfalen liegen hierzu keine Informationen vor. 3. Wie vielen der Frauen wird im Sinne eines angemessenen Opferschutzes eine Stabilisierungs- und Bedenkfrist (§59 Abs. 7 AufenthG) von mindestens drei Monaten eingeräumt, um ggfs. doch noch eine Aussage zu ermöglichen? 4. Falls den Frauen im Sinne eines angemessenen Opferschutzes keine Stabilisierungs- und Bedenkfrist (§59 Abs. 7 AufenthG) von mindestens drei Monaten eingeräumt wurde, wieso nicht? Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3241 3 Zu den einzelnen Personen liegen hier keine Erkenntnisse vor, da es sich um eine Maßnahme der Bundespolizei handelt, in welche die Polizei Nordrhein-Westfalen nicht eingebunden wurde. Generell gilt: Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass ein Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) genannten Straftat wurde, gewährt diese dem Ausländer entsprechend Artikel 6 Absatz 1 Richtlinie 2004/81/EG eine Bedenkzeit, die so zu bemessen ist, dass der Ausländer eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft in einem möglichen Strafprozess treffen kann. Die Bedenkfrist beträgt gem. § 59 Absatz 7 Satz 2 AufenthG mindestens 3 Monate. Fälle, in denen Frauen keine Bedenkfrist eingeräumt wurde, sind hier nicht bekannt. Das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration (MKFFI) nimmt regelmäßig am „Runden Tisch Menschenhandel“ teil und steht dadurch im Austausch mit Fachberatungsstellen. Zuletzt hat das MKFFI im Dezember 2017 angeboten, Fälle, in denen es zu aufenthaltsrechtlichen Problemen zwischen Fachberatungsstelle und Ausländerbehörde kommt, zu prüfen. Es wurden bisher keine Fälle vorgetragen. 5. Was passiert im Weiteren mit den Frauen, die im Zuge der Razzien am 18. April 2018 aufgegriffen wurden? Über den Verbleib der Frauen liegen der Landesregierung keine Informationen vor, da der Einsatz ausschließlich im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei lag.