LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3256 26.07.2018 Datum des Originals: 24.07.2018/Ausgegeben: 31.07.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1167 vom 19. Juni 2018 des Abgeordneten Guido van den Berg SPD Drucksache 17/2891 Ist die Polizei auf das Klimacamp im August 2018 ausreichend vorbereitet? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am Rande des Klimacamps 2017 ist zu einer Reihe von Straftaten gekommen, wobei unter anderem auch ein Braunkohlebagger im Tagebau Garzweiler von elf Personen besetzt wurde und sich vier Personen an ein Förderband im Tagebau Hambach gekettet haben. Am 05.11.2017 drangen im Verlauf einer „Ende Gelände“-Aktion ca. 1330 Störerinnen und Störer in den Tagebau Hambach ein. Im Zuge der Polizeimaßnahmen gegen die Störer wurden 149 Personen in Gewahrsam genommen und die restlichen Störer im Tagebau festgesetzt. Die versuchte Identitätsfeststellung der in Gewahrsam genommen und festgesetzten Personen verlief laut Bericht der Landesregierung vom 21.11.2017 reihenweise erfolglos, so dass die Störaktion für viele Störer keine strafrechtlichen Konsequenzen hatte. Für den Zeitraum vom 11.-22.08.2018 findet erneut ein Klimacamp im Hambacher Forst statt, wobei wieder neue Aktionen am Hambacher Forst und Tagebau Hambach zur Störung der Braunkohleförderung zu erwarten sind. Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 1167 mit Schreiben vom 24. Juli 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, dem Minister der Justiz und der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. 1. Welche von den erwarteten Gruppierungen im Umfelds des Klimacamps werden von der Landesregierung einer friedlichen, bürgerlichen Protestszene zugeordnet bzw. welche Gruppierungen aus autonomer-, anarchie- oder Extremismus Szene sind aus polizeilicher Sicht problematisch zu beurteilen? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3256 2 Nach jetzigem Kenntnisstand ist davon auszugehen, dass im Rahmen des öffentlichen Diskurses über den Braunkohletagebau im Rheinischen Revier auch weiterhin friedliche Demonstrationen und gewaltfreie Protestaktionen von Nichtregierungsorganisationen, Bürgerinitiativen, kirchlichen Gruppen, Jugendverbänden, Betroffenen und/oder einer interessierten Öffentlichkeit stattfinden werden. Im Zusammenhang mit dem „Klimacamp 2018“ ist mit der Teilnahme folgender Gruppierungen bzw. Netzwerke zu rechnen, die der bürgerlichen Protestszene zuzurechnen sind; die Aufzählung ist dabei als nicht abschließend zu betrachten: BUND Buirer für Buir Greenpeace Darüber hinaus ist mit einer Beteiligung folgender linksextremistisch beeinflusster Gruppierungen als Gruppe oder mit Einzelpersonen zu rechnen; auch diese Aufzählung ist dabei als nicht abschließend zu betrachten: „ausgeco2hlt“ „Ende Gelände“ „Zucker im Tank“ Als polizeilich problematisch werden solche Personen bewertet, welche in der Absicht anreisen, Straftaten zu begehen. Diese Bewertung erfolgt auf Grundlage von tatsächlichen Feststellungen am jeweiligen Einsatztag und -ort, unabhängig von einer Gruppenzugehörigkeit. 2. Inwieweit hat die Polizei ihr Einsatzkonzept auf neue Blockade- und Sabotageszenarien erweitert? Die Sicherung der Tagebaue, der Kraftwerke und zugehöriger Versorgungseinrichtungen obliegt der RWE Power AG als Eigentümerin der jeweiligen Betriebsgelände. Unter Berücksichtigung der durch die RWE Power AG durchzuführen-den Maßnahmen, zu erwartender Aktionen sowie der bislang noch nicht verifizierbaren Teilnehmerzahl, erfolgt durch das Polizeipräsidium Aachen eine fortlaufende Beurteilung der Lage und eine darauf beruhende lageangepasste Fortschreibung der Einsatzkonzeption. Im Rahmen der Beurteilung der Lage werden auch neue Erscheinungsformen des Störerverhaltens berücksichtigt. Das Polizeipräsidium Aachen hält dabei grundsätzlich an der bewährten Einsatzstrategie fest, die einerseits auf ein konsequentes Einschreiten gegen erkannte Störer und anderseits auf intensiven Dialog und Kommunikation zu allen relevanten Beteiligten setzt. Die konkrete Einsatzkonzeption unterliegt - wie bei jedem polizeilichen Einsatz - grundsätzlich der Geheimhaltung, um die Wirksamkeit der polizeilichen Maßnahmen nicht zu gefährden. Ein Bekanntwerden der einsatztaktischen Informationen zur Planung und Durchführung entsprechender polizeilicher Maßnahmen könnte potenzielle Störer/Straftäter in die Lage versetzen, sich auf polizeiliche Maßnahmen einzustellen, Gegenaktivitäten entsprechend zu planen und letztlich die Einsatzkonzeption der Polizei zu unterlaufen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3256 3 3. Welcher Kräfteeinsatz ist seitens der Polizei in NRW, anderer Länder sowie des Bundes zur Einsatzbewältigung vorgesehen? Die Beurteilung der Lage ist ein fortlaufender und dynamischer Prozess. Darauf basierend erarbeitet das Polizeipräsidium Aachen eine Einsatzkonzeption. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Vor diesem und auch vor dem Hintergrund der noch nicht absehbaren landesweiten Kräftelage zum Zeitpunkt des „Klimacamp 2018“ können derzeit keine Angaben gemacht werden, ob die Anforderung von Kräften anderer Länder bzw. des Bundes erforderlich werden wird. 4. Wie wird sichergestellt, dass für die Strafverfolgung ausreichende erkennungsdienstliche Kapazitäten (Fast-ID, etc.) in nicht zu weit entfernten Örtlichkeiten zur Verfügung stehen, damit nicht erneut Tatverdächtige ohne Identitätsfeststellung freigelassen werden müssen? Das Polizeipräsidium Aachen gewährleistet die erforderlichen Maßnahmen zur Strafverfolgung. In diesem Zusammenhang werden die Kapazitäten zur erkennungsdienstlichen Behandlung auch unter Berücksichtigung der bisherigen Erfahrungen angepasst. Das Vorhalten von ausreichenden Fast-ID Stationen in unmittelbarer Nähe zum Einsatzort stellt lediglich einen Teilaspekt zur sicheren Identifikation von Tatverdächtigen dar. Eine Identifizierung mittels Fast-ID kann nur dann erfolgreich gewährleistet werden, wenn die betreffenden Personen bereits erkennungsdienstlich behandelt wurden. Auf Grundlage dieser Erkenntnis wurde eine abgestufte Konzeption von alternativen erkennungsdienstlichen Maßnahmen zur Identitätsfeststellung entwickelt, die sich an der Schwere der zu verfolgenden Straftat orientiert. 5. Werden die Strafverfolgungsbehörden wieder davon Gebrauch machen, bei dringend Tatverdächten Untersuchungshaft anzuordnen, wenn innerhalb der 12- Stunden-Frist die Identität der Tatverdächtigen nicht festgestellt werden konnte? Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte werden ihre Entscheidung über die Beantragung und Anordnung von Untersuchungshaft weiterhin vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen im Einzelfall abhängig machen.