LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3274 27.07.2018 Datum des Originals: 26.07.2018/Ausgegeben: 01.08.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1199 vom 26. Juni 2018 des Abgeordneten Stefan Kämmerling SPD Drucksache 17/2946 Weiterleitung von EU-Mitteln für Flüchtlinge an die Kommunen. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Finanzierung von Flüchtlingen und damit verbundener Kosten wurde und wird zu einem entscheidenden Teil von den Kommunen in NRW geleistet. Das Land übernimmt die Kosten für Asylbewerber nur für bis zu drei Monate nach Abschluss des Asylverfahrens, bevor die Kommunen in die Pflicht rücken. Schnellere Asylverfahren haben zur Folge, dass ein schnellerer Wechsel des Rechtskreises vom AsylbLG zum SGB II stattfindet und dementsprechend, spätestens nach Ablauf der sogenannten „Drei-Monats- Frist“, sämtliche Kosten von den Kommunen (über die dann kommunal zuständigen Jobcenter) zu tragen sind. Zwar konnte unter der Landesregierung von 2010-2017 die Zahl der Kommunen in der Haushaltssicherung von 138 auf lediglich neun gesenkt werden, doch ist Haushaltsdisziplin in den Rathäusern nach wie vor notwendig. Kommunen sind durch die Kosten, die ihnen durch Flüchtlinge, deren Asylantrag entschieden wurde und die sich außerhalb der genannten „Drei- Monats-Frist“ befinden, vor eine enorme Belastungsprobe gestellt. Diese Belastung strapaziert nicht nur die Kämmerer in den Rathäusern, sondern stellt auch die Bevölkerung und damit die Gesellschaft weiterhin vor eine Herausforderung, denn die Belastung der Kommunen beginnt durch den Rechtsträgerwechsel ins SGB II zeitversetzt und damit antizyklisch zu der tatsächlichen (inzwischen rückläufigen) Aufnahme der Flüchtlingen. Der Kämmerer der in meinem Wahlkreis liegenden Stadt Eschweiler rechnete kürzlich vor, dass der Stadtkasse allein in Eschweiler so eine Erstattung in Höhe von 2,7 Millionen Euro fehle.1 1 http://www.aachener-nachrichten.de/lokales/eschweiler/streit-um-geld-fuer-geduldete-fluechtlingeauch -in-eschweiler-1.1919124 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3274 2 Kürzlich wurde bekannt, dass die Europäische Union erwägt, Ausgleichszahlungen für Länder vorzunehmen, die besonders viele Flüchtlinge aufgenommen haben. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich der Aufnahme von Flüchtlingen, trotz unsolidarischen Verhaltens vieler anderer EU-Staaten, nie verschlossen und seit 2013 verantwortlich gezeigt. Infolgedessen waren unsere Kommunen das Rückgrat dieser Solidarität und haben organisatorisch, wie auch finanziell dafür gesorgt, dass geflüchtete Menschen aufgenommen und versorgt werden konnten. Den Berichten zufolge könnten durch die angesprochenen Mittel der Europäischen Union in den nächsten Jahren 4,5 Milliarden Euro nach Deutschland fließen.2 Das Geld der EU soll aus den Strukturförderfonds für wirtschaftlich schwache Regionen entnommen und in der kommenden Haushaltsperiode („Mehrjähriger Finanzplan 2021 bis 2027“) verteilt werden, so Medienberichte.3 Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 1199 mit Schreiben vom 26. Juli 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen, dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung sowie dem Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales beantwortet. 1. Ist die Landesregierung der Meinung, dass die genannten EU-Mittel für entstandene Flüchtlingskosten in vollem Umfang an die Kommunen weitergeleitet werden müssen? 2. Nutzt die Landesregierung ihren Einfluss im Bund, wenn ja in welcher Form, auf den Prozess der Verteilung solcher EU-Mittel für Flüchtlingskosten Einfluss zugunsten der Bürgerinnen und Bürger in NRW zu nehmen? 3. Welche Auswirkungen hätte eine Weiterleitung der Milliardenhilfe auf die fünf in meinem Wahlkreis liegenden Kommunen (Eschweiler, Stolberg, Roetgen, Simmerath und Monschau)? Die Fragen 1 bis 3 werden gemeinsam beantwortet. Die Landesregierung nutzt kontinuierlich ihren Einfluss, um die Interessen Nordrhein- Westfalens sowie seiner Bürgerinnen und Bürger auf der Bundesebene geltend zu machen. Dies gilt – unabhängig von Verteilentscheidungen für EU- Gelder – für alle Politikfelder. Die Verhandlungen zur Ausgestaltung des Mehrjährigen Finanzrahmens der Europäischen Union ab dem Jahr 2021 beginnen jetzt erst. Der Bundesrat bewertete in seiner Sitzung am 6. Juli 2018 einen entsprechenden Entwurf der EU-Kommission als guten Ausgangspunkt für die Verhandlungen zwischen den EU-Institutionen zum Mehrjährigen Finanzrahmen für den 2 https://www.zeit.de/wirtschaft/2018-06/eu-entschaedigung-deutschland-fluechtlinge-milliardenausgleich 3 http://www.sueddeutsche.de/politik/migrationspolitik-deutschland-soll-offenbar-eu-milliarden-fuerfluechtlinge -erhalten-1.3998054 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3274 3 Zeitraum 2021 – 2027 und begrüßte die enge Verknüpfung des Vorschlags mit den politischen Prioritäten der Union der 27. Da die Verhandlungen zwischen den EU-Institutionen über den Mehrjährigen Finanzrahmen ab 2021 also noch laufen, liegen der Landesregierung auch noch keine Daten zu möglichen Auswirkungen für die kommunale Ebene in Nordrhein-Westfalen vor. 4. Wie wird die Landesregierung, unabhängig von der potenziellen Verteilung von EU-Mitteln, dafür sorgen, dass Kommunen in NRW durch Flüchtlingskosten nach Rechtsträgerwechsel vom AsylbLG zum SGB II nicht finanziell überlastet werden? Gemäß § 46 Abs. 9 und 10 Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) i.V.m. § 6b Abs. 1 und 2 des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für das Land Nordrhein-Westfalen (AG-SGB II NRW) wird die Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Heizung an die nordrhein-westfälischen Kreise und kreisfreien Städte auf Grundlage der bei ihnen tatsächlich verausgabten Leistungen für Unterkunft und Heizung vorläufig weitergeleitet. Nach Anpassung und Festlegung des landesspezifischen Werts legt das zuständige Ministerium für die Weiterleitung der sich endgültig ergebenden Bundesbeteiligung an den flüchtlingsinduzierten Kosten der Unterkunft und Heizung rückwirkend zum 1. Januar des betreffenden Jahres, für das die endgültige Festsetzung erfolgt, kommunalspezifische Anteile fest. Die kommunalspezifischen Anteile entsprechen dem jeweiligen Anteil der Ausgaben des Kreises oder kreisfreien Stadt an den für die Festlegung und Anpassung des landesspezifischen Werts maßgeblichen Ausgaben des Landes. Damit ist gewährleistet, dass die individuellen Belastungen der Kommunen in Nordrhein-Westfalen berücksichtigt werden. 5. Wann wird die Landesregierung, wie vor der Landtagswahl 2017 regelmäßig postuliert und versprochen, die Integrationspauschale des Bundes in vollem Umfang an die Kommunen weiterleiten, um kommunale Haushalte zumindest in Teilen zu entlasten? Für das Haushaltsjahr 2018 sind 100 Mio. Euro an Zuweisungen für Integrationsmaßnahmen an die Gemeinden vorgesehen. Der Entwurf zum Gesetz zur Änderung des Teilhabe- und Integrationsgesetzes befindet sich im parlamentarischen Verfahren. Danach regelt § 14 a Absatz 3, dass die Festsetzung und Auszahlung der Zuweisungen für das Jahr 2018 bis zum 31.Oktober 2018 vorgenommen werden soll. Die Entscheidung des Bundes über eine weitergehende finanzielle Entlastung der Länder und Kommunen durch die Fortführung der Integrationspauschale ab dem Jahr 2019 steht noch aus. Voraussichtlich wird eine Einigung zwischen Bund und Ländern zu dieser Frage bis zum Ende des Jahres 2018 erfolgen. Vor diesem Hintergrund kann die Landesregierung noch keine Aussage zur Höhe der Zuweisungen für Integrationsmaßnahmen ab dem Jahr 2019 treffen.