LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3292 30.07.2018 Datum des Originals: 27.07.2018/Ausgegeben: 02.08.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1241 vom 4. Juli 2018 des Abgeordneten Norwich Rüße BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/3071 Wie ist der Stand der Enthornung in der nordrhein-westfälischen Rinderhaltung? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Haltung von horntragenden Rindern in den heutigen Haltungssystemen birgt oftmals Verletzungsrisiken für Mensch und Tier. Neben den Risiken der Verletzung, bieten die üblichen Haltungssysteme, wie beispielweise in Boxenlaufställen, keinen ausreichenden Platz für Tiere mit Hörnern. Aus diesem Grund werden die Hornanlagen bei Kälbern in den ersten Lebenswochen ausgebrannt, um das Wachstum zu verhindern. Nach geltendem Tierschutzrecht, ist diese schmerzhafte Prozedur bei unter sechs Wochen alten Tieren auch ohne Betäubung erlaubt. Die Landesregierung hat 2012 gemeinsam mit Milchbauern, Tierschützern, Tierärzten und Rinderzüchtern die „Düsseldorfer Erklärung zur verstärkten Zucht auf Hornlosigkeit in der Rinderhaltung“ verabschiedet. Demnach sollen Kälber in NRW nur noch bei Verabreichung eines Schmerzmittels enthornt werden. Durch den ebenfalls vereinbarten Einsatz genetisch hornloser Bullen in der Rinderzucht soll mittelfristig das Enthornen der Tiere komplett überflüssig werden. Zusätzlich hat die Landesregierung Informations- und Beratungsinitiativen zum Thema Enthornung und Haltungsbedingungen für horntragende Rinder eingerichtet. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1241 mit Schreiben vom 27. Juli 2018 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Fühlt sich die Landesregierung an die Umsetzung der „Düsseldorfer Erklärung“ von 2012 gebunden? Bitte Stand der Umsetzung benennen und bewerten. Veränderungen in der Rinderzucht können aus genetischen Gründen nur über einen langen Zeitraum angelegt werden und die Anpassung von Zuchtprogrammen ist immer auch unter LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3292 2 Beachtung wirtschaftlicher und züchterischer Aspekte vorzunehmen. Um in erster Linie den Ansprüchen des Tierwohls gerecht zu werden, bietet neben dem Enthornen unter einer Schmerzbehandlung die Zucht auf hornlose Rinder eine Alternative. Die Landesregierung steht weiterhin zu den in der Erklärung vereinbarten Zielen und Maßnahmen. 2. Wie viele Rinderzuchtbetriebe in Nordrhein-Westfalen setzen mittlerweile Sperma genetisch hornloser Zuchtbullen ein? Bitte die Entwicklung der letzten zehn Jahre (Anteil am Kuhbestand, Anteil Besamungen, Deckbullen) darstellen. Hierzu gibt es keine offizielle Erhebung. Die Rinder-Union West e.G. (RUW) als Unterzeichner der „Düsseldorfer Erklärung zur verstärkten Zucht auf Hornlosigkeit in der Rinderhaltung“ hat die nachfolgenden Zahlen zur Verfügung gestellt. Sie geben den Anteil der Besamungen wieder, die mit dem Sperma genetisch hornloser Bullen vorgenommen wurden. Die Zahlen beziehen sich auf das gesamte Gebiet der RUW (Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland). Zu allen anderen angefragten Punkten werden keine Statistiken erhoben. In der jeweiligen Zeile führend ist das Geschäftsjahr angegeben. sbt bedeutet schwarzbunt und rbt rotbunt. Nach den Farbkürzeln folgen jeweils die absoluten Besamungszahlen und danach der relative Anteil an den Besamungen insgesamt. 13/14 sbt 26.479 = 5,2 %, rbt 67.214 = 36,0 % 14/15 sbt 40.442 = 8,1 %, rbt 60.922 = 35,2 % 15/16 sbt 41.427 = 9,3 %, rbt 55.403 = 33,6 % 16/17 sbt 54.573 = 12,6 %, rbt 49.902 = 33,5 % 3. Wie viele der rinderzüchtenden Betriebe in NRW verwenden bei der Enthornung der Tiere nach wie vor die oben beschriebene Methode mit Brennstab? Bitte differenzieren nach Enthornung mit und ohne Einsatz von Schmerzmitteln. Bei der Enthornung von Kälbern unter 6 Wochen („Verödung“; Entfernung der Hornanlage) ist die Methode mit thermischer Verödung aus veterinärmedizinischer Sicht das Mittel der Wahl. Bei den theoretisch möglichen Alternativen ist mit deutlich mehr Komplikationen zu rechnen, so dass sie nicht mehr angewendet sollen. So birgt ein blutiges Ausscheiden der Hornanlage ohne thermische Verödung ein erhöhtes Risiko von Wundinfektionen; die früher gebräuchlichen Ätzpasten können leicht auf der Haut verlaufen und dann die umgebende Haut bis hin zu Lidern und Augäpfeln schädigen. Die Verödung der Hornanlage bei Kälbern unter 6 Wochen sollte deshalb vorzugsweise mit dem thermischen Verfahren unter Einsatz von Schmerzmitteln und Sedativa durchgeführt werden; dies ist in Nordrhein-Westfalen seit 2015 geltende Erlasslage. Über die Anzahl der Enthornungen in Nordrhein-Westfalen liegen keine Angaben vor. 4. In der Praxis setzen etliche Betriebe - z.B. des Demeter-Verbandes - auch weiterhin auf horntragende Rinder. Wie hat sich die Anzahl dieser Betriebe in den letzten zehn Jahren in NRW entwickelt? Der Landesregierung ist die Zahl der Betriebe mit horntragenden Rindern - heute und vor zehn Jahren - nicht bekannt. Der Demeter Verband in Nordrhein-Westfalen meldet für 2008 42 Betriebe mit horntragenden Rindern, für 2018 46 Betriebe mit horntragenden Rindern. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3292 3 5. Welche Strategie verfolgt die Landesregierung um die Rinderhaltung mit hörnertragenden Rindern zu fördern? Die Landesregierung verfolgt das Ziel, Arbeitsschutz und Tierschutz abgewogen zu berücksichtigen; daher erscheint ihr der Weg über die Zucht hornloser Rinder ein sinnvoller Schritt, um notwendige Enthornungen zukünftig schrittweise zu vermindern. Gleichwohl gibt es Betriebe, wie z.B. vom Demeter-Verband, die sich bewusst für einen anderen Weg entscheiden, hörnertragende Rinder in entsprechend eingerichteten größeren Ställen bzw. im Sommer auf der Weide zu halten. Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat mit der Beratung der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen und der Ökoverbände in Nordrhein-Westaflen vereinbart, solche Betriebe gezielt bei der Haltung horntragender Rinder zu unterstützen.