LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3326 02.08.2018 Datum des Originals: 01.08.2018/Ausgegeben: 07.08.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1247 vom 3. Juli 2018 der Abgeordneten Angela Lück SPD Drucksache 17/3077 Anonyme Spurensicherung bei Minderjährigen ohne Einwilligung der Eltern? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Opfer sexualisierter Gewalt sind häufig so traumatisiert, dass sie teilweise erst Jahre nach dem Ereignis Anzeige erstatten (können). Der „gerichtsfesten“ Dokumentation und Spurensicherung kommt dann eine große Bedeutung zu. Ein Fehlen dieser Beweismittel kann im Extremfall einen späteren Freispruch des Täters zur Folge haben und bei der geschädigten Person eine weitere Traumatisierung nach sich ziehen. Deshalb fördert das Land NRW Kooperationen zur anonymen Spurensicherung (ASS). Derzeit gibt es In NRW über 20 regional agierende Netzwerke zur ASS, die überwiegend aus Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt, Frauenberatungsstellen, Opferschutzeinrichtungen, rechtsmedizinischen Instituten, Klinken und niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten bestehen. Diese verfolgen unter anderem das Ziel, Spuren sexualisierter Gewalt durch Ärztinnen und Ärzte in Krankenhäusern oder durch niedergelassene Medizinerinnen oder Mediziner zu dokumentieren und dann anonym gerichtsfest zu sichern und über einen langen Zeitraum aufzubewahren. Die anonyme Spurensicherung folgt einer standardisierten Vorgehensweise und ist regional unterschiedlich gut verfügbar. Eine landesweite Etablierung wäre extrem wünschenswert. In den bereits etablierten medizinischen Einrichtungen gibt es noch Unsicherheiten beim Vorgehen. So besteht beispielsweise keine Rechtssicherheit bei der Frage, inwieweit die anonyme Spurensicherung auch bei minderjährigen Opfern von sexualisierter Gewalt durchgeführt werden kann, wenn die Eltern dies ablehnen. Hier besteht konkret die Gefahr, dass die Spurensicherung abgelehnt wird, um Verbrechen zu vertuschen, wenn z.B. andere Familienmitglieder beteiligt sind. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3326 2 Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung hat die Kleine Anfrage 1247 mit Schreiben vom 1. August 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet. 1. Wie gedenkt die Landesregierung minderjährigen Opfern auch gegen den Willen der Eltern den Zugang zur Anonymen Spurensicherung zu ermöglichen, um später gegen widerfahrendes Unrecht vorgehen zu können? Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat bereits im Jahr 2017 Empfehlungen für Standards zur Gewaltopferuntersuchung, Verletzungsdokumentation und Spurensicherung in Fällen sexualisierter Gewalt veröffentlicht, die ebenso für erwachsene Frauen wie auch für jugendliche Mädchen gelten. In der Präambel zu diesen Empfehlungen wird darauf hingewiesen, dass im Umgang mit jugendlichen Opfern in jedem Fall die spezielle rechtliche Situation Minderjähriger zu berücksichtigen ist. Als mögliche Hilfestellung wird hierbei auf Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Klinische Rechtsmedizin der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin verwiesen, die Ausführungen zur forensisch-medizinischen Untersuchung von Mädchen und Jungen bei Verdacht auf Misshandlung und Missbrauch beinhalten. Auf diese Weise stehen Ärztinnen und Ärzten derzeit bereits Informationen zur Verfügung, die ihnen ermöglichen sollen, auch bei minderjährigen Opfern (ggf. auch gegen den Willen der Eltern) Spuren anonym zu sichern. 2. Wie ist die derzeitige Praxis bei der Anonymen Spurensicherung wenn Minderjährige betroffen sind? 3. In wie vielen Fällen in NRW wurde bisher die ASS bei Minderjährigen durch die Eltern abgelehnt? Die Fragen 2 und 3 werden gemeinsam beantwortet: Im Rahmen der Förderung örtlicher/regionaler Kooperationen zur Anonymen Spurensicherung durch das Land Nordrhein-Westfalen gibt es keine Erkenntnisse über die derzeitige ASS- Praxis im Zusammenhang mit minderjährigen Betroffenen. Aus den Sachberichten der örtlichen ASS-Projekte, die im Rahmen der Landesförderung vorzulegen sind, haben sich bisher keine signifikanten Hinweise in Bezug auf eine Inanspruchnahme der ASS durch Minderjährige oder gar deren Ablehnung ergeben. 4. Bei wie vielen Fällen in NRW wurde bisher nachträglich mithilfe der ASS von (vormals) Minderjährigen Anzeige erstattet? Das derzeit vorhandene Angebot der Anonymen Spurensicherung ermöglicht von sexualisierter Gewalt betroffenen Frauen und jugendlichen Mädchen eine vertrauliche Einlagerung von Tatspuren, die üblicherweise bei einem der vorhandenen rechtsmedizinischen Institute in Nordrhein-Westfalen erfolgt. Ob und ggf. wann die jeweils Betroffene nachträglich eine Anzeige erstattet, wird statistisch nicht erfasst. Belastbare Aussagen über Fallzahlen im Hinblick auf eine nachträgliche Anzeigeerstattung im Anschluss an eine Anonyme Spurensicherung sind daher nicht möglich. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3326 3 5. In welchen Krankenhäusern oder anderen (medizinischen) Einrichtungen in NRW wird bisher die ASS durchgeführt? Bitte detailliert auflisten. Eine Auflistung der Krankenhäuser, die im Rahmen der Förderung örtlicher/regionaler Kooperationen zur Anonymen Spurensicherung durch das Land Nordrhein-Westfalen als Kooperationspartner für die ASS zur Verfügung stehen, ergibt sich aus der beigefügten Anlage. Darüber hinaus bieten derzeit 66 Arztpraxen, 37 Kliniken sowie das Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Düsseldorf die Möglichkeit, im Rahmen des mit Landesmitteln geförderten Projektes „Intelligentes Gewaltopfer-Beweissicherungs- und Informationssystem - iGOBSIS-live“ Tatspuren und Verletzungsdokumentationen mit Hilfe eines datengeschützten Computersystems vertraulich zu sichern und einzulagern. Die Kliniken, die der Veröffentlichung ihrer Teilnahme zugestimmt haben, sind im Internet unter dem folgendem Link abrufbar: https://gobsis.de/teilnehmende/. ASS-Krankenhäuser im Rahmen der örtlichen/regionalen Kooperationsförderung (soweit bekannt) Bielefeld Evangelisches Krankenhaus Bielefeld Franziskus-Hospital Bielefeld Klinikum Bielefeld Mitte Bochum Augusta Krankenanstalt Bochum-Mitte St. Elisabeth-Hospital Bochum-Mitte Bonn Gemeinschaftskrankenhaus St. Elisabeth, St. Petrus, St. Johannes gGmbH Bonn Johanniter-Krankenhaus Bonn St. Marien-Hospital Bonn Malteser Krankenhaus Bonn Universitätskliniken Bonn Bottrop St. Marienhospital Bottrop Kreis Coesfeld Christophorus-Klinik Coesfeld Kreis Düren Krankenhaus Düren gem. GmbH St. Marien Hospital Düren Ennepe-Ruhr-Kreis Marienhospital Witten Helios Klinikum Schwelm Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke Euskirchen Marien-Hospital Euskirchen Gelsenkirchen Marienhospital Gelsenkirchen GmbH St.-Marien-Hospital Buer GmbH, Gelsenkirchen Evangelische Kliniken Gelsenkirchen GmbH Kreis Gütersloh Städtisches Klinikum Gütersloh Sankt Elisabeth-Hospital Gütersloh Hagen Evangelisches Krankenhaus Hagen-Haspe Allgemeines Krankenhaus Hagen Kreis Herford Klinikum Herford Mathilden Hospital Herford Herne Katholisches Marienhospital Herne Evangelisches Krankenhaus Herne St. Anna Hospital Herne Hochsauerlandkreis Karolinen Hospital Hüsten, Arnsberg Städtisches Krankenhaus Maria Hilf, Brilon Kreis Höxter St. Ansgar Krankenhaus Höxter Köln Frauenklinik Krankenhaus Holweide Evangelisches Krankenhaus Köln-Kalk Krankenhaus Porz am Rhein Universitäts-Frauenklinik Köln Evangelisches Krankenhaus Köln-Weyertal gGmbH Leverkusen Klinikum Leverkusen St. Remigius Krankenhaus Leverkusen-Opladen Oberbergischer Kreis Klinikum Oberberg, Kreiskrankenhaus Gummersbach Helios Klinik Wipperfürth Kreis Paderborn Frauenklinik St. Louise, Paderborn Kreis Recklinghausen St. Barbara Hospital Gladbeck Rheinisch- Bergischer Kreis EVK / Frauenklinik Bergisch Gladbach Vinzenz-Palotti-Krankenhaus Bergisch Gladbach Krankenhaus Wermelskirchen GmbH Rhein-Sieg-Kreis CURA Krankenhaus Bad Honnef Asklepios Klinik Sankt Augustin St. Josef-Hospital Troisdorf St. Johannes-Krankenhaus Troisdorf Kreis Wesel Krankenhaus Bethanien Moers St. Josef Krankenhaus GmbH Moers Marien-Hospital Wesel Evangelisches Krankenhaus Wesel GmbH St. Vinzenz-Hospital Dinslaken Wuppertal Helios Universitätsklinikum Wuppertal