LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3357 07.08.2018 Datum des Originals: 03.08.2018/Ausgegeben: 10.08.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1248 vom 25. Juni 2018 der Abgeordneten Iris Dworeck-Danielowski AfD Drucksache 17/3078 Flaschen sammeln statt Erzwingungshaft? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In Deutschland und somit auch in NRW können Gerichte eine Erzwingungshaft veranlassen, sollten Schuldner ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen oder eine fristgerechte Erklärung unterlassen, warum man nicht zahlen kann. Dabei kann eine Erzwingungshaft schon bei geringen Geldbeträgen von nur 20 € angeordnet werden, ohne dass zuvor ein Gerichtsvollzieher eingeschaltet werden muss. Immer mehr Menschen müssen durch eine hohe Abgabenlast und wenig Einkommen in Form von Nettoverdienst oder Renteneinkommen heute in die Erzwingungshaft. Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 1248 mit Schreiben vom 3. August 2018 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die Erzwingungshaft ist keine Strafe, sondern ein Beugemittel. Das Gericht kann Erzwingungshaft anordnen, wenn eine Geldbuße nicht gezahlt wird und die betroffene Person nicht erklärt, warum sie nicht zahlen kann (§§ 96 ff. OWiG); LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3357 2 zur Erzwingung einer Zeugenaussage. Im Strafprozess endet die Beugehaft gemäß § 70 Abs. 2 StPO entweder mit dem Abschluss des zugrunde liegenden Verfahrens oder aber spätestens nach sechs Monaten nach Beginn der Erzwingungshaft. Auch im Zivil- (§ 390 Abs. 2 ZPO), Arbeitsgerichts- (§ 46 Abs. 2 ArbGG), im Verwaltungsgerichts- (§ 98 VwGO) und Sozialgerichtsprozess (§ 118 Abs. 1 SGG) ermöglichen die Verfahrensordnungen Erzwingungshaft ; im Falle der Nichtabgabe einer Vermögensauskunft gemäß § 802g ZPO. In allen vorstehend genannten Fällen kann die betroffene Person die Vollstreckung jederzeit abwenden oder beenden, indem sie den geforderten Geldbetrag bezahlt oder der Aussagepflicht nachkommt. Erzwingungshaft kommt in der Praxis nur in sehr wenigen Fällen zum Einsatz . Die Zahl der in Erzwingungshaft einsitzenden Menschen stellt im nordrhein-westfälischen Justizvollzug lediglich eine marginale Größe dar, so dass sich daraus kein Handlungserfordernis zur Prüfung von Alternativen zu dieser Haftform ableiten lässt. Dies spiegeln die im Folgenden dargelegten Zahlen wider. 1. Wie hat sich die Anzahl Menschen in Erzwingungshaft in den letzten zehn Jahren entwickelt? Eine statistische Erhebung zur Anzahl der Personen in Erzwingungshaft steht seit dem Jahre 2014 zur Verfügung. Vorher erfolgte keine statistische Erfassung der Haftart „Erzwingungshaft “, da diese wie auch andere Haftarten mit nur einer kleinen Zahl von betroffenen Personen unter dem Sammelbegriff „Sonstige Freiheitsentziehung“ zusammengefasst worden sind. Die Zahlen seit dem 31. Januar 2014 ergeben sichaus der folgenden Tabelle: Anzahl der Gefangenen Stichtag insgesamt in Erzwingungshaft Anteil in % 31.01.2014 16.863 11 0,07 28.02.2014 16.861 10 0,06 31.03.2014 16.968 9 0,05 30.04.2014 16.833 6 0,04 31.05.2014 16.511 4 0,02 30.06.2014 16.381 11 0,07 31.07.2014 16.186 12 0,07 31.08.2014 16.040 8 0,05 30.09.2014 16.086 8 0,05 31.10.2014 16.262 12 0,07 30.11.2014 15.931 1 0,01 31.12.2014 15.753 9 0,06 31.01.2015 16.250 14 0,09 28.02.2015 16.294 9 0,06 31.03.2015 16.312 6 0,04 30.04.2015 16.240 8 0,05 31.05.2015 16.034 6 0,04 30.06.2015 15.968 5 0,03 31.07.2015 15.854 10 0,06 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3357 3 31.08.2015 15.809 6 0,04 30.09.2015 15.772 5 0,03 31.10.2015 15.812 10 0,06 30.11.2015 15.658 10 0,06 31.12.2015 15.429 7 0,05 31.01.2016 16.110 10 0,06 29.02.2016 16.619 14 0,08 31.03.2016 16.568 8 0,05 30.04.2016 16.560 7 0,04 31.05.2016 16.503 10 0,06 30.06.2016 16.437 6 0,04 31.07.2016 16.255 8 0,05 31.08.2016 16.222 11 0,07 30.09.2016 16.069 4 0,02 31.10.2016 16.172 10 0,06 30.11.2016 15.833 16 0,10 31.12.2016 15.789 7 0,04 31.01.2017 16.427 21 0,13 28.02.2017 16.552 8 0,05 31.03.2017 16.552 16 0,10 30.04.2017 16.388 18 0,11 31.05.2017 16.329 12 0,07 30.06.2017 16.329 12 0,07 31.07.2017 16.375 9 0,05 31.08.2017 16.379 9 0,05 30.09.2017 16.322 10 0,06 31.10.2017 16.471 10 0,06 30.11.2017 16.134 9 0,06 31.12.2017 15.836 8 0,05 31.01.2018 16.431 8 0,05 28.02.2018 16.454 8 0,05 31.03.2018 16.314 4 0,02 30.04.2018 16.386 9 0,05 31.05.2018 16.228 9 0,06 30.06.2018 16.261 10 0,06 2. Wie viele dieser Menschen waren zum Zeitpunkt der Erzwingungshaft sozialversicherungspflichtig beschäftigt und wie viele dieser Menschen waren Rentner? Zu dieser Fragestellung liegen keine Daten vor. Sie könnten nur mit hohem Verwaltungsaufwand durch eine Beteiligung des Geschäftsbereichs ermittelt werden, so dass eine vollständige Beantwortung in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3357 4 3. Wie lange ist die durchschnittliche Verweildauer von Betroffenen in der Erzwingungshaft ? Auf die Antwort zu Frage 2 wird Bezug genommen. 4. Welche Maßnahmen hält die Landesregierung, mit Hinblick auf die überfüllten Justizvollzugsanstalten , für geeignet, um die Zahl der in Erzwingungshaft lebenden Menschen, zu verringern? Keine. Auf die Vorbemerkung und die Antwort zu Frage 1 wird Bezug genommen. Wie wichtig das Mittel der Erzwingungshaft ist, wird besonders im Bereich des Zwangsvollstreckungsrechts deutlich. Hier besteht ein öffentliches Interesse daran, dem Vollstreckungsgläubiger, dem der Staat als Inhaber des Zwangsmonopols die Selbsthilfe verbietet, die Verwirklichung seines Anspruchs und als Voraussetzung dafür die mit der Vermögensauskunft bezweckte Feststellung der pfändbaren Vermögensgegenstände zu ermöglichen. Dies dient der Wahrung des Rechtsfriedens und der Rechtsordnung, welche ihrerseits Grundbestandteil der rechtsstaatlichen Ordnung ist. 5. Welche sind die fünf häufigsten Arten von nicht geleisteten Zahlungsverpflichtungen , weswegen Menschen in Erzwingungshaft sind? Auf die Antwort zu Frage 2 wird Bezug genommen.