LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3362 07.08.2018 Datum des Originals: 03.08.2017/Ausgegeben: 10.08.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1232 vom 2. Juli 2018 des Abgeordneten Guido van den Berg SPD Drucksache 17/2998 Laschet: „ab 2030“, Pinkwart: „nicht vor 2045“ – was ist die Position der NRW-Landesregierung in der Kohlekommission? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 26.06.2018 hat die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ der Bundesregierung ihre Arbeit aufgenommen. In der aktuellen Stunde des Landtags am 13.06.2018 hatte die NRW-Landesregierung sich noch auf die Leitentscheidung von 2016 berufen und durch Ministerpräsidenten Laschet erklärt: „Im Hinblick auf das Rheinische Revier gilt, dass landesseitig erst vor Kurzem die energiewirtschaftliche Notwendigkeit der Tagebaue in der Region bestätigt worden ist.“. Und auch in der Leipziger Volkszeitung vom 16.06.2018 ist in dem Interview: „Wir können nicht vor 2045 aus der Kohle rausgehen“ von Digitalminister Prof. Pinkwart nachzulesen: „Wir können nur schrittweise und über einen längeren Zeitraum aus der Kohle rausgehen, meines Erachtens nicht vor 2045.“ Dann jedoch überrascht der Ministerpräsident, der schon bei den Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition das Angebot gemacht, 7000 Megawatt Kohlekapazität stillzulegen, im Kölner Stadt Anzeiger vom 09.06.2018 mit neuen Positionen. Im Artikel: „Laschet: Ausstieg aus Kohlestrom ist von 2030 an möglich“ ist nämlich nachzulesen: „NRW-Ministerpräsident Armin Laschet sagte, der Braunkohleausstieg im Jahr 2045 sei nicht in Stein gemeißelt. Eine vorzeitige Beendigung sei denkbar, wenn diese ‚unter Abwägung von ökologischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten einschließlich der Versorgungssicherheit möglich und sozial abgefedert sei‘, sagte der CDU-Politiker der Zeitung „Die Welt“. Vor dem Jahr 2030 sei der Ausstieg aber nicht realistisch, erklärte Laschet. (…) Dirk Jansen, Geschäftsführer des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in NRW, fügte hinzu: ‚Wir begrüßen, dass Ministerpräsident Laschet offenbar gewillt ist, seine bisherige Kohle-Vorrang-Politik aufzugeben.‘ Dies sei in der Vergangenheit nicht der Fall gewesen.“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3362 2 Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 1232 mit Schreiben vom 3. August 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten, dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales und der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. 1. Ist die Position des Ministerpräsidenten „ab 2030“ oder die Position des Digitalministers „nicht vor 2045“ die Position der Landesregierung in der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“? 2. Mit welchen Erwägungen hat der NRW-Ministerpräsident die attestierte „Kohle- Vorrang-Politik“ aufgegeben? 3. Welche Folgen hat die neue Einschätzung des Ministerpräsidenten, dass ein Ausstieg aus der Braunkohle ab 2030 möglich sei, für die Leitentscheidung und das laufende Planverfahren im Braunkohlenausschuss? Aufgrund ihres inhaltlichen Zusammenhangs werden die Fragen 1 bis 3 zusammen beantwortet . Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung “ soll einen Weg beschreiben, mit dem eine sichere und wirtschaftliche Energieversorgung gewährleistet bleibt und gleichzeitig die klimapolitischen Ziele erreicht werden können . Darüber hinaus soll u.a. ein Plan zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung, einschließlich eines Abschlussdatums erarbeitet werden. Der in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage angesprochene, am 09.06.2018 im Kölner Stadtanzeiger veröffentlichte Artikel nimmt Bezug auf ein in der Tageszeitung „Die Welt“ am 08.06.2018 abgedrucktes Interview, in dem der Ministerpräsident wörtlich mit der Aussage zitiert wird: „Die Kommission darf keine Kohleausstiegskommission werden, sondern muss über unsere Energieversorgung der Zukunft verhandeln. Es geht darum, ob unsere energieintensive Industrie wie Stahl, Aluminium und Chemie jederzeit bezahlbaren Strom zur Verfügung hat - und das ist Stand jetzt ohne die wettbewerbsfähige Braunkohle nicht möglich. Die rotgrüne Vorgängerregierung in Nordrhein-Westfalen hatte dafür das Jahr 2045 festgelegt. Jetzt kann die Kommission prüfen, ob das vielleicht früher geht.“ Auf die Frage: „Ein Braunkohle-Ausstieg erst 2045 ist für Sie nicht in Stein gemeißelt?“ antwortet der Ministerpräsident: „Nein, wenn es unter Abwägung von ökologischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten einschließlich der Versorgungssicherheit möglich und sozial abgefedert ist. Wenn wir technologische Fortschritte machen und erneuerbare Energien speichern können, dann können wir auch über ein früheres Datum reden, aber vor dem Jahr 2030 halte ich das für nicht realistisch. Der Korridor für einen Ausstiegszeitpunkt ist also recht klar. Und der Maßstab ist: Wettbewerbsfähigkeit, nicht Wunschdenken.“ Mit diesen Aussagen hat der Ministerpräsident zum einen einen Kohleausstieg bis zum Jahr 2030 ausgeschlossen. Zum anderen hat er für den Zeitraum nach 2030 einen möglichen Korridor aufgezeigt. Dies gilt auch für mich. Ich habe mich in der Leipziger Volkszeitung vom 16.06.2018 wie folgt geäußert: „Wir können nur schrittweise und über einen längeren Zeitraum aus der Kohle rausgehen , meines Erachtens nicht vor 2045.“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3362 3 Damit ist in den zitierten Interviews seitens der Landesregierung deutlich gemacht worden, dass die Beendigung der Kohleverstromung nur schrittweise, über einen längeren Zeitraum erfolgen kann und an bestimmte Voraussetzungen geknüpft sein muss. Folglich wird ein gegenüber den bestehenden Planungen und Genehmigungen beschleunigter Kohleausstieg nur möglich sein, wenn Versorgungssicherheit und wettbewerbsfähige Strompreise erhalten bleiben und Strukturbrüche in den betroffenen Regionen vermieden werden können. Die Landesregierung setzt sich für ein Gleichgewicht zwischen Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit von Strom und Klimaschutz ein. Zu ermitteln, wann und auf welchem Weg dies erreichbar sein wird, ist Aufgabe der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“. Die Landesregierung steht weiterhin zur Leitentscheidung zu Garzweiler II von 2016. Die Empfehlungen der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, die bis Ende des Jahres erarbeitet werden sollen, wird sie prüfen und sich für die Interessen Nordrhein-Westfalens einsetzen. 4. Was ist der Inhalt des gemeinsamen Briefes der Wirtschaftsminister von Brandenburg , Nordrhein-Westfalen und Sachsen an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier zu Reduktionsüberlegungen von Kraftwerkskapazitäten seitens der Bundesnetzagentur (bitte im Original wiedergeben)? Die Wirtschaftsminister der Länder Brandenburg, Sachsen und Nordrhein-Westfalen, Albrecht Gerber, Martin Dulig und ich, wenden sich in ihrem Brief gegen den Genehmigungsbescheid der dem Bundeswirtschaftsminister unterstellten Bundesnetzagentur vom 15. Juni 2018, der ein neues Kohleausstiegsszenario für das Jahr 2025 vorsieht. Die bisher für 2030 vorgesehene Halbierung der Braunkohlekapazitäten wurde um 5 Jahre auf das Jahr 2025 vorgezogen. Nach dem Kernenergieausstieg in 2022 würden damit bereits in 2025 weitere ca. 10 GW gesicherte Leistung allein aus Braunkohlekraftwerken fehlen. Die Übertragungsnetzbetreiber haben in ihrem Szenariorahmen für den Netzentwicklungsplan Strom 2030 für das Jahr 2030 eine nationale Deckungslücke je nach Szenario von 14,5 bis 25,8 GW (B-Szenario: 22 GW) und für das Jahr 2035 eine Deckungslücke von 22 GW (B-Szenario) ermittelt. Diese Deckungslücke würde folglich 5 Jahre früher auftreten. Die Bundesnetzagentur blendet dabei Fragen der Versorgungssicherheit und wettbewerbsfähiger Energiepreise ebenso aus wie die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die von der Braunkohleförderung und -verstromung geprägten Regionen und die energieintensive Industrie. 5. Wie ist das Land Nordrhein-Westfalen an der Auswahl der NRW-Vertreter in der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ eingebunden gewesen (bitte Konsultation für jedes NRW-Kommissionsmitglied darstellen)? Herr Ministerpräsident hat gegenüber der Bundesregierung frühzeitig deutlich gemacht, dass die Interessen der Industrie, der Arbeitnehmerinnen und -nehmer sowie der betroffenen Regionen angemessen in der Zusammensetzung der Kommission abgebildet werden müssen. Darüber hinaus hat Herr Ministerpräsident sich dafür eingesetzt, dass sich die Interessen der betroffenen Länder auch in der Leitung der Kommission widerspiegeln. Die Zuständigkeit für die Berufung der Kommissionsmitglieder lag allerdings ausschließlich bei der Bundesregierung .