LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3377 08.08.2018 Datum des Originals: 07.08.2018/Ausgegeben: 13.08.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1275 vom 12. Juli 2018 des Abgeordneten Norwich Rüße BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/3169 Wie wird durch einen optimierten Anbau der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in NRW reduziert? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die gute fachliche Praxis dient vorrangig dem Erhalt und der Qualitätssicherung von Nutzpflanzen durch vorbeugende Maßnahmen. Dabei gilt der Grundsatz, dass alle Schutzmaßnahmen standort-, kultur- und situationsbezogen durchzuführen und die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf das notwendige Maß zu beschränken sind. Dieses Ziel ist seit Jahrzehnten festgelegt und hat bereits in den 80er Jahren zur Entwicklung des sogenannten Integrierten Pflanzenbaus geführt. Inbegriffen ist hier, dass bewährte Kulturen und Kulturtechniken sowie jegliche nichtchemische Maßnahmen als vorrangig einzustufen sind. Ziel ist es zwar, einem wirtschaftlichen Schaden durch einen Befall vorzubeugen, allerdings wird dabei ausdrücklich keine vollständige Vernichtung der Schadensorganismen verfolgt. Zu den nicht-chemischen Verfahren zählen unter anderen die Ausrichtung der Pflanzenzüchtung, die Anbauweise und die Pflanzenkulturen. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1275 mit Schreiben vom 7. August 2018 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Welche Kulturpflanzen werden von der Landwirtschaft angebaut? Bitte die zehn wichtigsten Pflanzen und die jeweiligen regionalen Anbauanteile darstellen. Der Landesbetrieb IT.NRW stellt regelmäßig umfangreiche Informationen zum Anbau der verschiedenen Feldfrüchte auf dem Ackerland zur Verfügung (https://www.it.nrw/anbau-aufdem -ackerland-2013-2017-nach-fruchtarten-1457). Demnach sind in der Reihenfolge ihrer Anbaubedeutung (auf Basis der Ergebnisse der allgemeinen Bodennutzungshaupterhebung LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3377 2 2016) Winterweizen, Silomais/Grünmais, Wintergerste, Körnermais, Triticale, Winterraps, Zuckerrüben, Kartoffeln, Feldgras und Roggen/Wintermenggetreide die zehn wichtigsten Kulturpflanzen in Nordrhein-Westfalen. Zur regionalen Verteilung des Anbaus nach Fruchtarten wird auf die endgültigen Ergebnisse der Bodennutzungshaupterhebung 2016 verwiesen, die unter der Adresse https://webshop.it.nrw.de/details.php?id=21328&id2=21332&source=ssearch abrufbar sind. 2. Wie beurteilt die Landesregierung die derzeitige Ausrichtung der Pflanzenzüchtung mit Blick auf Resistenzen gegenüber Schadbefall - beispielweise mit Fusarien? Die übergeordneten Ziele der Pflanzenzüchtung sind Ertrag, Qualität (z.B. Proteingehalt und – qualität), Anbaueigenschaften (z.B. Standfestigkeit, Winterhärte) und Nährstoffeffizienz. Eine hohe Widerstandskraft gegenüber Schädlingen und Pflanzenkrankheiten, aber auch eine erhöhte Toleranz gegenüber Umwelteinflüssen wie Trockenheit und Kälte, sind daher wichtige Teilziele der Pflanzenzüchter. Diese Ziele lassen sich in der Regel nicht alle gleichermaßen in einer Sorte vereinen. So geht beispielsweise die Züchtung auf eine hohe Widerstandskraft häufig zu Lasten weiterer wichtiger Zuchtziele wie z.B. Ertrag oder Qualität. Die derzeitige Ausrichtung der Pflanzenzüchtung kann am Beispiel der Weizenzüchtung verdeutlicht werden: Die Anzahl der in Deutschland zugelassenen Winterweizen-Sorten hat im Zeitraum 1985 bis 2018 deutlich zugenommen. Waren es 1985 nur 44 Sorten, so sind es 2018 aktuell 128 Sorten. Im Jahr 1985 wurden die zugelassenen Sorten hinsichtlich ihrer Anfälligkeit gegen Pilzerkrankungen ausschließlich den Anfälligkeitsstufen 4, 5 und 6 (mittel – höher anfällig) zugeordnet. In den letzten 30 Jahren hat die Anzahl weniger anfälliger Sorten (Stufen 3 und 4) deutlich zugenommen. Der Landwirtschaft stehen somit sehr viele leistungsfähige Sorten mit einer guten Resistenzeinstufung - auch bei Fusarium - zur Verfügung. 3. Wie bewertet die Landesregierung die regionalen Anbauverhältnisse bei Ackerkulturen mit Blick auf die Einhaltung von Fruchtfolgen, die eine Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln ermöglichen? Fruchtfolgen in landwirtschaftlichen Betrieben werden durch pflanzenbauliche und wirtschaftliche Aspekte bestimmt. Im Rahmen von Cross Compliance gibt es darüber hinaus im Rahmen der Anbaudiversifizierung Vorgaben, die jeder Landwirt einhalten muss. Dabei wird der Anbau von mindestens zwei, bzw. drei Kulturen vorgeschrieben. Der maximale Anteil einer Kultur auf der Ackerfläche darf 75 Prozent nicht überschreiten. Betriebe mit weniger als 10 Hektar Acker müssen keine Anbaudiversifizierung einhalten. In Regionen mit stärkerer Viehhaltung konzentriert sich auf den Ackerflächen der Anbau von Futterpflanzen, während in Ackerbauregionen der Anbau von Marktfrüchten überwiegt. Somit ergeben sich in den Regionen aufgrund der Anbauanteile an der Ackerfläche unterschiedliche Fruchtfolgen. Dabei wird unterstellt, dass sich die regionalen Anbauanteile tendenziell in der zeitlichen Abfolge des Anbaus unterschiedlicher Kulturen (Fruchtfolge) auf den einzelnen Schlägen niederschlagen. Über die tatsächliche Fruchtfolge auf Betriebs- oder Schlagebene liegen der Landesregierung keine Informationen vor. Auswertungen von Steinmann und Stein (Steinmann, H.-H. und S. Stein, 2017, Vortrag Fruchtfolgen in Niedersachsen - vielfältig oder monoton?) kommen zu dem Ergebnis, dass in LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3377 3 Niedersachsen die Fruchtarten Weizen, Mais, Gerste, Triticale, Raps, Zuckerrüben und Kartoffeln auf ca. 30 % der Ackerfläche mit jeweils 4 und mehr Fruchtarten in 3-6 Fruchtwechseln, auf ca. 40 % der Ackerfläche mit jeweils 3 Fruchtarten in 3-4 Fruchtwechseln und auf ca. 30 % der Ackerfläche mit 1-2 Fruchtarten und 2 Fruchtwechseln angebaut werden. Ähnliche Verhältnisse sind nach Einschätzung der Landwirtschaftskammer auch für Nordrhein-Westfalen anzunehmen. Am Niederrhein und im westlichen Münsterland dominieren Mais und Getreide. Hier bestehen die Fruchtfolgen im Wesentlichen aus dem Wechsel von Mais und Wintergetreide (Winterweizen, Wintergerste, Wintertriticale). Im Osten von Nordrhein-Westfalen erweitern in Ackerbaubetrieben Winterraps und Zuckerrüben die Fruchtfolgen. Im Rheinland (Köln- Aachener Bucht) haben neben Wintergetreide (Winterweizen und Wintergerste) Hackfrüchte (Zuckerrüben, Kartoffeln, Feldgemüse) einen großen Stellenwert. Fruchtfolgen bestehen hier häufig aus einem Wechsel von Hackfrüchten und Getreide. Grundsätzlich lässt sich durch eine weite Fruchtfolge, d.h. ein Wechsel von Kulturen einschließlich eines Wechsels von Sommer- und Winterungen, der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduzieren. Gegenüber einem Daueranbau oder einfachem Fruchtwechsel bieten daher mehrfacher Fruchtwechsel mit 4 und mehr Fruchtarten größere Möglichkeiten zur Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Anhand der dargestellten Anbauanteile ist jedoch eine belastbare Bewertung der Potenziale einer weitergestellten Fruchtfolge nicht möglich. 4. Welche klassischen Ackerwildkräuter sind in Nordrhein-Westfalen aktuell gefährdet oder vom Aussterben bedroht? In Nordrhein-Westfalen sind von den „klassischen“ Ackerwildkräutern aktuell landesweit 73 Arten vom Aussterben bedroht, stark gefährdet oder gefährdet. Darunter finden sich bekannte Arten wie der Frauenspiegel, der Acker-Rittersporn, das Sommer-Adonisröschen oder der Venuskamm. Die Gesamtliste der gefährdeten oder vom Aussterben bedrohten Ackerwildkraut-Arten ist als Anlage beigefügt. 5. Welche Maßnahmen zum Schutz gefährdeter Ackerwildkräuter ergreift die Landesregierung? Der Schutz gefährdeter Ackerwildkräuter wird mittels einer an spezifischen Naturschutzzielen ausgerichteten Bewirtschaftung von Ackerflächen verfolgt. Hierzu gehören insbesondere die Extensivierung von Ackerrändern und Äckern im Rahmen des Vertragsnaturschutzes. In diesem Rahmen wird u.a. der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel, Wachstumsregler, flüssige organische oder ätzende Düngemittel oder Klärschlamm sowie mechanische und thermische Unkrautbekämpfung oder die Anlage von Untersaaten honoriert. Die Anlage von Blüh- und Schutzstreifen im Rahmen der Extensivierung von Ackerflächen ist mit der Einsaat von geeignetem Saatgut ohne Düngung und Pflanzenschutz verbunden. Die Förderkulisse der Maßnahmen zum Schutz von Ackerlebensgemeinschaften gilt landesweit ohne regionale Einschränkungen. Neben den genannten Maßnahmen zum gezielten Schutz gefährdeter Ackerwildkräuter können auch andere Agrarumweltmaßnahmen, bei denen der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verboten ist, einen Beitrag zum Erhalt dieser Wildkräuter leisten. Gleiches gilt für den Ökolandbau. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3377 4 Darüber hinaus hat das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) im Rahmen der Biodiversitätsstrategie NRW in Anlehnung an die bundesweite Strategie „100 Äcker für die Vielfalt“ ein Schutzackerkonzept NRW erarbeitet. Mit der Umsetzung des Konzeptes wurde in Kooperation mit der Landwirtschaftskammer NRW sowie den Stiftungen Rheinische und Westfälische Kulturlandschaft bereits begonnen.