LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3379 08.08.2018 Datum des Originals: 07.08.2018/Ausgegeben: 13.08.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1268 vom 10. Juli 2018 des Abgeordneten René Schneider SPD Drucksache 17/3138 Wer bezahlt Bergschäden und Ewigkeitslasten, wenn die Cavity pleitegeht? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Cavity ist eine Tochtergesellschaft der Horizon Immobilien GmbH und gehört damit zur deutschen Solvay-Gruppe. In ihr sind die nach dem Abbau von Steinsalz in Rheinberg-Borth in den Jahren 1926 bis 2001 verbliebenen Aktivitäten gebündelt. Aufgaben der Solvay- Tochtergesellschaft sind neben bergbaunahen Dienstleistungen in der Solvay-Gruppe vorwiegend die Erfassung und Dokumentation sowie die Beurteilung der Bodenbewegungen, die unmittelbar im Zusammenhang mit den früheren Bergbauaktivitäten der Gruppe stehen. Außerdem obliegt ihr die Bergschadensregulierung. Über die finanziellen Rücklagen der Cavity bestehen derzeit leider wenige Informationen. Dabei ist es für die Bürgerinnen und Bürger im Kreis Wesel von großer Relevanz, ob die Kosten sowohl für bereits bestehende als auch für zukünftig entstehende Bergbauschäden langfristig gedeckt sind. Außerdem sind durch den Steinsalzabbau Ewigkeitsschäden entstanden, die auch künftig abgegolten werden müssen (z.B. bei Deichsanierungen und dem Wassermanagement durch die LINEG). Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 1268 mit Schreiben vom 7. August 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. 1. Welche Art von (Ewigkeits-)Schäden sieht die Landesregierung als Folge des untertägigen Steinsalzabbaus, die von der Firma Cavity reguliert werden müssten (Bitte um detaillierte Übersicht)? Zu dieser Frage hat die Landesregierung umfassend in den Vorlagen 16/3875 vom 13.04.2016, 16/4285 vom 27.09.2016 sowie 16/4844 vom 08.03.2017 Stellung genommen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3379 2 Insoweit wird zur Beantwortung auf die genannten Vorlagen verwiesen. Darüber hinausgehende Kenntnisse liegen der Landesregierung nicht vor. 2. Welche Rücklagen hat die Firma Cavity gebildet, um aktuell und in Zukunft diese Berg- und Ewigkeitsschäden begleichen zu können (Bitte um detaillierte Übersicht)? Angaben zu Rücklagen und Rückstellungen der Cavity GmbH können den im Bundesanzeiger veröffentlichten und für jedermann zugänglichen Jahresabschlüssen entnommen werden (www.Bundesanzeiger.de). In der Bilanz der Cavity GmbH zum 31. Dezember 2016 ist ein Betrag von 164.138.559,51 € für „sonstige Rückstellungen“ ausgewiesen (Vorjahr: 127.031.292,65 €). Eine weitere Aufschlüsselung ist der Bilanz nicht zu entnehmen. Zu der Frage hat die Landesregierung das Unternehmen um Auskunft gebeten. Das Unternehmen hat dazu Folgendes mitgeteilt: „Die Cavity GmbH stellt ihre Jahresabschlüsse nach den Vorschriften des deutschen Handelsgesetzbuches (HGB) auf und lässt diese – obwohl gesetzlich dazu nicht verpflichtet – von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer testieren. Die Berechnung der Rückstellungen erfolgt auf Basis der im veröffentlichten Jahresabschluss beschriebenen Bewertungsgrundsätze, wobei der überwiegende Teil der Rückstellungen nach den Regeln der ewigen Rente ermittelt wird, also konzeptionell als Ewigkeitslast ausgelegt ist (u.a. LINEG).“ 3. Wer bezahlt die o.g. Schäden nach einer möglichen Insolvenz der Firma Cavity? 4. Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass die Muttergesellschaft, die Firma Solvay, im Insolvenzfall einspringen muss und alle aktuell entstandenen und künftig entstehenden bergbaubedingten Folgekosten übernimmt? Die Fragen 3 und 4 werden zusammen beantwortet. Die finanzielle Leistungsfähigkeit und das allgemeine Liquiditätsrisiko des Unternehmens waren stets im Rahmen von Zulassungsverfahren für Betriebspläne bei der Entscheidung über die Erhebung einer Sicherheitsleistung in den Blick zu nehmen. Nach dem gesellschaftsrechtlichen Trennungsprinzip ist ein Konzern aus mehreren Gesellschaften keine eigenständige Rechtsperson und haftet daher grundsätzlich nicht im Ganzen, so dass die verschiedenen Konzernunternehmen auch grundsätzlich nicht für einander einstehen müssen. Insbesondere haftet die Obergesellschaft eines Konzerns nicht etwa automatisch für Verbindlichkeiten nachgeordneter Gesellschaften in deren Insolvenzfall. Dieser Grundsatz gilt auch bei der Aufteilung verschiedener Gesellschaften nach Umwandlungsrecht oder allgemeinem Gesellschaftsrecht und wird nur durch bestimmte Sonderregelungen zu Gunsten des Gläubigerschutzes durchbrochen. Hierbei ist insbesondere die Spaltungshaftung nach § 133 Absatz1 Satz 1 Umwandlungsgesetz als gesamtschuldnerische Haftung der ursprünglichen und der abgespaltenen Gesellschaft für Verbindlichkeiten aus der Zeit vor Wirksamwerden der Aufspaltung zu nennen, die allerdings nach § 133 Absatz 3 Satz 1 UmwG bei nicht ausdrücklich zugewiesenen Verbindlichkeiten in den fünf Jahren nach der Aufspaltung vom Gläubiger geltend gemacht werden muss. Eine vergleichbare Regelung besteht in § 303 Absatz 1 AktG im Falle der Beendigung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags für die Gläubiger der Untergesellschaft als LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3379 3 Anspruch auf Sicherheitsleistung gegen das herrschende Unternehmen. Daneben bestehen verschiedene Gläubigerschutzregelungen zu Gunsten der Gesellschaft, die ggf. von einem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden können. Parallel bestehen öffentlich-rechtliche Regelungen zu einer Konzernhaftung für bestimmte Fallkonstellationen (z.B. Bodenschutzrecht). Aus Anlass entsprechender Befürchtungen bei der Aufspaltung von Energieversorgungsunternehmen wurde Ende 2016 auf Bundesebene mit dem Gesetz zur Nachhaftung für Rückbau- und Entsorgungskosten im Kernenergiebereich eine Neuregelung getroffen und eine neue, eigenständige atomrechtliche Haftung der Konzernobergesellschaften für die Kosten von Stilllegung, Rückbau und Entsorgung geregelt. Gleichfalls in 2016 wurde landesrechtlich in Nordrhein-Westfalen eine Konzernhaftung für die Verbandsbeiträge der sondergesetzlichen Wasserverbände mit dem Gesetz zur Änderung wasser- und wasserverbandsrechtlicher Vorschriften und der darin enthaltenen Änderung mehrerer Wasserverbandsgesetze geregelt (vgl. § 6 Absatz 1 Satz 4 und 5 LINEGG). Bergbauunternehmen können nach Verbandsgesetzen Pflichtmitglieder eines Wasserverbands sein (vgl. § 6 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 LINEGG) und sind insoweit mit ihren Beiträgen von dieser Regelung bei den in der Vorbemerkung angesprochenen Verbandsaufgaben der Deichsanierung und des Wassermanagements erfasst. Im Übrigen gilt, dass mit den o.g. gesetzlichen Regelungen jeweils ein bereichsspezifisches Sonderrecht begründet wurde, dass es im Bergrecht nicht gibt. Der Versuch, eine entsprechende Konzernhaftung im Bereich des Bergrechts aus Anlass der Sicherung eines herrenlosen Bergwerksschachts herzuleiten, wurde dementsprechend obergerichtlich abgelehnt (OVG Lüneburg, Beschl. v. 15.7.2015 – 7 LA 22/13). Für den Fall, dass ein Geschädigter für einen Bergschaden i.S.d. § 114 Bundesberggesetz keinen Ersatz erlangen kann - z. B. weil die Ersatzpflichtigen nicht mehr zahlungsfähig sind - hat der Bundesgesetzgeber Regelungen zur Ausfallhaftung geschaffen (§ 122 Bergschadensausfallkasse). Die Bergschadensausfallkasse e.V. wurde 1988 auf freiwillige Initiative von Wirtschaftsunternehmen gegründet, um bei einem möglichen Ausfall einzelner Unternehmer eine Entschädigung sicherzustellen. Vor Inkrafttreten des Bundesberggesetzes (01.01.1982) geltende Gesetze enthielten keine entsprechenden Regelungen zur Ausfallhaftung. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der die Entschädigungsregelung der §§ 148 ff. Allgemeines Berggesetz für die Preußischen Staaten insoweit gegen Art. 14 des Grundgesetzes verstößt, ist der Staat zur Entschädigung verpflichtet, soweit unter Geltung des Grundgesetzes getroffene bergbauliche Maßnahmen Schäden an Oberflächeneigentum verursacht haben, für die der Eigentümer von den nach § 148 Allgemeines Berggesetz für die Preußischen Staaten Entschädigungspflichtigen Ersatz nicht erlangen kann (BGH, Urteil vom 16. Februar 1970 - III ZR 136/68 -). Der einzelne Anspruchsberechtigte kann daher insoweit grundsätzlich auch dann Ersatz für einen Bergschaden erlangen, wenn der im Einzelfall ersatzpflichtige Bergbauunternehmer oder Bergbauberechtigte nicht mehr leistungsfähig ist. Das Unternehmen Cavity GmbH hat nach handelsrechtlichen Vorschriften Rückstellungen gebildet und lässt diese durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer testieren. Das Unternehmen hat informiert, dass die Gesellschafter (Horizon Immobilien GmbH und Solvay GmbH) in der Vergangenheit Erhöhungen der Kapitalrücklage vorgenommen haben (zuletzt 2015 in Höhe von insgesamt 20 Mio. € und 2016 in Höhe von 35 Mio. €). Die Landesregierung geht davon aus, dass die Gesellschafter auch zukünftig entsprechend verantwortungsvoll agieren. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3379 4 Die Landesregierung sieht vor dem beschriebenen Hintergrund derzeit keinen Anlass, sich auf Bundesebene oder in dem angesprochenen Einzelfall für eine weitergehende Ausfallhaftung einzusetzen.