LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3406 13.08.2018 Datum des Originals: 13.08.2018/Ausgegeben: 16.08.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1270 vom 11. Juli 2018 der Abgeordneten Christian Dahm und Ellen Stock SPD Drucksache 17/3140 Haus der offenen Türen in der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige (UfA) in Büren? Erneuter Ausbruchsversuch aus der UFA. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach übereinstimmenden Medienberichten wollten am Freitag, 06.07.2018 zwei Nordafrikaner aus der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige (UfA) in Büren fliehen. Die beiden Untergebrachten wollten von einem Dach der Einrichtung aus ins Freie gelangen. Bei Eintreffen von Sicherheitskräften gab ein Mann auf, der zweite erst nach dreieinhalb Stunden. Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 1270 mit Schreiben vom 13. August 2018 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie konnte es dazu kommen, dass die Untergebrachten auf das Dach der Einrichtung gelangen konnten? (Bitte den Sachverhalt detailliert darstellen) Den beiden Untergebrachten gelang es, vom Freistundenhof aus über die Fassade auf das Dach zu klettern, über einen Spalt auf die Zwischenmauer zu springen und schließlich auf die Mauerkrone zu kommen. Dabei konnten sie auch den provisorisch angebrachten Natodraht überwinden. Einen Sprung von der Mauer haben sie nicht mehr unternommen, weil bereits Kräfte der Einrichtung unten standen und warteten. Im Jahr 2015 war vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH und des BGH entschieden worden, die Sicherungsmaßnahmen in der UfA Büren im Interesse einer Angleichung an die allgemeinen Lebensverhältnisse und zur Wahrung des Abstandsgebotes zur Strafhaft teilweise zurückzubauen. Insbesondere wurde seinerzeit der sog. Natodraht, der zur Verhinderung des Überwindens der Außenmauern angebracht war, entfernt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3406 2 Dieser Umstand begünstigte die Entweichungen vom 03. und 18. April 2018. Inzwischen wurden kritische Stellen wieder provisorisch mit Natodraht versehen, was im Ergebnis aufgrund des mit der Überwindung dieser Sicherung verbundenen Zeitaufwandes dazu führte, dass die beiden Untergebrachten am 06. Juli 2018 ihr Vorhaben nicht vollenden konnten. Eine vollständige Wiederherstellung der Natodrahtsicherung ist in Vorbereitung. 2. Nach dem Fluchtversuch wurden offenbar alle Untergebrachten der Einrichtung über das gesamte Wochenende eingeschlossen. Wie ist dieser lange Zeitraum zu begründen? (Bitte Entscheidungswege darstellen und Rechtsgrundlage aufführen) Am Samstag, dem 07. Juli 2018 waren die Abteilungen zwar geschlossen, jedoch fanden trotzdem abteilungsweise Freistunden statt. Zudem konnten die Abteilungsküchen, Freizeiträume und die Computerräume weiterhin genutzt werden. Auch ein Umschluss mit anderen Untergebrachten war möglich. Am Sonntag, dem 08. Juli 2018 wurden zusätzlich die Türen auf den Abteilungen im Zeitraum 14.00 Uhr – 18.00 Uhr geöffnet. Die Maßnahmen wurden auf der Grundlage von § 5 Absatz 1 Satz 2 AHaftVollzG NRW durch den Einrichtungsleiter angeordnet. Danach sind Einschränkungen zulässig, wenn und soweit es die Sicherheit und Ordnung einer Einrichtung erfordern. Der Fluchtversuch hatte sich sofort in der gesamten Einrichtung herumgesprochen und löste gruppendynamische Prozesse aus, die eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung innerhalb der Einrichtung befürchten ließen. Vor diesem Hintergrund sind die oben genannten Einschränkungen erfolgt. Mit Beruhigung der Situation konnten die Einschränkungen wieder aufgehoben werden. 3. Wie hoch ist die Anzahl der Entweichungen in 2017 und 2018? (Bitte Sachverhalte einzeln darstellen, inclusive der vereitelten Entweichungen.) Im Jahr 2017 gab es keine Entweichungen. 2018 gab es zwei Vorfälle am 03. und 18. April 2018 mit drei bzw. zwei Geflüchteten, von denen eine Person wieder der UfA Büren zugeführt werden konnte. In diesem Zusammenhang wird auf die Berichterstattung in den Sitzungen des Integrationsausschusses am 11. April 2018 (APr 17/232) und 9. Mai 2018 (APr 17/280) verwiesen. Neben dem Vorfall am 06. Juli 2018 gab es im genannten Zeitraum keine weiteren versuchten Entweichungen. 4. In wievielen Fällen wurde eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit, ggf. Isolationshaft, in 2017 und 2018 angeordnet? (Bitte die Gründe, Rechtsgrundlage und Dauer der Einschränkung, sowie die Anordnungskompetenz –Anstaltsleiter oder Sicherheitsdienst-aufführen) In 2017 wurde in insgesamt 193 Fällen eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit angeordnet. In 2018 (bis 30.06.2018) wurde in insgesamt 142 Fällen eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit angeordnet. Insgesamt wird in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung eines sehr strengen Maßstabs nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geprüft, ob die Maßnahme geeignet, erforderlich und auch angemessen ist. Die Dauer der Einschränkung variiert einzelfallbezogen. Beim LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3406 3 überwiegenden Teil der Anordnungen liegt die Dauer der Einschränkung im Bereich von 1 bis 5 Tagen. Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit bedeutet nicht zwangsläufig den Ausschluss eines Kontakts mit allen anderen Untergebrachten. Vielmehr werden auch für diese Gruppen gemeinsame Sportangebote, Außenfreistunden etc. ermöglicht. Die Rechtsgrundlage ergibt sich aus § 5 Absatz 1 Satz 2 AHaftVollzG NRW sowie aus §§ 20 bis 23 AHaftVollzG NRW. In den genannten Normen ist auch die Anordnungsbefugnis der Einrichtungsleitung geregelt. 5. In wie vielen Fällen konnte dem Aufnahmeersuchen der Ausländerämter in NRW und dem Amtshilfeersuchen aus anderen Bundesländern in 2017 und 2018 nicht entsprochen werden. (Fälle bitte einzeln darstellen und Ablehnungsgründe benennen) Die Anzahl an Abschiebungshaftplätzen in der Bundesrepublik ist durch die bundesweit gestiegene Anzahl an Ausreisepflichtigen ausbaufähig. Derzeit besitzen lediglich 8 Länder eine Abschiebungshafteinrichtung. Generell gilt, sofern im eigenen Bundesland keine Abschiebungshaftplätze zur Verfügung stehen, können die Kapazitäten über das Gemeinsame Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr in anderen Bundesländern angefragt werden. In 2017 wurden durch die UfA Büren insgesamt 230 Aufnahmeersuchen von nordrheinwestfälischen Ausländerbehörden abgelehnt. In 2018 (Stand 17.07.2018) sind es bisher 239. Eine statistische Erfassung der Ablehnungsgründe erfolgt nicht. Es wird davon ausgegangen, dass in den meisten Fällen die Haftplatzkapazitäten ausgeschöpft gewesen sind. Einzelfälle von besonderer Dringlichkeit (z.B. schwere Straftäter) werden in Absprache zwischen Ausländerbehörde, UfA Büren und meinem Ministerium bei der Unterbringung priorisiert. Über die Ablehnungen von Amtshilfeersuchen anderer Bundesländer, die mangels eigener Abschiebungshaftanstalten oder ausreichender Haftplatzkapazitäten einen Haftplatz in Nordrhein-Westfalen erfragen, wird keine gesonderte Statistik geführt. Nordrhein-Westfalen verfügt aktuell über ein Drittel aller bundesweit zur Verfügung stehenden Abschiebungshaftplätze. Darüber hinaus beabsichtigt die Landesregierung die sukzessive Erhöhung der Abschiebungshaftkapazitäten in der UfA Büren auf bis zu 175 Plätze. Das Landeskabinett hat außerdem den Gesetzentwurf zur Novelle des nordrheinwestfälischen Abschiebungshaftvollzugsgesetzes beschlossen. Hierdurch wird auch eine Verbesserung der organisatorischen Flexibilität bei der Belegung der Einrichtung erwartet.