LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3407 13.08.2018 Datum des Originals: 13.08.2018/Ausgegeben: 16.08.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1315 vom 23. Juli 2018 der Abgeordneten Christina Weng SPD Drucksache 17/3243 Was unternehmen die Wissenschaftsministerin Pfeiffer-Poensgen und der Gesundheitsminister Laumann, um es den Beschäftigten der Unikliniken zu ermöglichen, ihre Streiks zu beenden? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Streiks an den Unikliniken Düsseldorf und Essen gehen mit unverminderter Härte weiter. Am Uniklinikum Düsseldorf wird mittlerweile unbefristet gestreikt. Die Gewerkschaft ver.di fordert einen Entlastungstarifvertrag für das chronisch überbelastete Personal in den Kliniken. Dass für mehr Entlastung und nicht für mehr Gehalt gestreikt wird, spiegele die enorme Überbelastung wider, betonte ver.di-Chef Bsirske. Doch die Fronten zwischen den Verhandlungspartnern sind festgefahren, eine Einigung ist nicht in Sicht. An der Düsseldorfer Uniklinik mussten die Patientenzahlen durch die Streiks von 1.000 auf 900 reduziert und rund zwei Drittel der Operationen verschoben werden, zudem wurde erstmals die Blutspendezentrale geschlossen. Auch am Essener Uniklinikum kommt es zu spürbaren Beeinträchtigungen. Doch nicht nur während der Streiks sind die Patientinnen und Patienten die Leidtragenden. Neben den berechtigten Arbeitnehmerinteressen der Beschäftigten geht es bei den Streiks in zunehmendem Maße auch um grundsätzliche Fragen einer ausreichenden Patientenversorgung. Neben der Auseinandersetzung um Entlastung und mehr Personal im Krankenhaus wird im Uniklinikum Düsseldorf auch für einen Tarifvertrag für die beiden ausgegliederten Tochterunternehmen gestreikt. Die Uniklinik ist die einzige Gesellschafterin dieser Unternehmen, für deren Beschäftigte kein Tarifvertrag gilt. Dieser Streit zieht sich bereits über zwei Jahre – und das obwohl die schwarz-gelbe Landesregierung den Anspruch erhebt, den Status als Mitbestimmungsland Nr. 1 mit Tarifbindung in allen Betrieben und Unternehmen aufrecht zu erhalten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3407 2 Das Land NRW fördert die Universitätskliniken jährlich mit Millionenbeträgen, weil es sich Spitzenergebnisse in Wissenschaft und Forschung und eine Spitzenmedizin für die Menschen in NRW wünscht. Außerdem entsendet die Landesregierung Mitglieder in die Aufsichtsräte der Kliniken. Die Aufsichtsratsmitglieder sind nach der Rechtslage für alle Angelegenheiten der Universitätskliniken zuständig. Die Ministerin für Kultur und Wissenschaft hat die Kleine Anfrage 1315 mit Schreiben vom 13. August 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet. 1. Welche unterstützenden Maßnahmen und Initiativen plant die Landesregierung, um die Streiks zu einem raschen Ende zu bringen? Die Landesregierung achtet die Tarifautonomie, denn sie ist - nicht nur in Nordrhein-Westfalen - ein Pfeiler der sozialen Marktwirtschaft und des sozialen Ausgleichs. Bei den Arbeitsniederlegungen der Beschäftigten der beiden Universitätskliniken Düsseldorf und Essen handelt es sich um Arbeitskampfmaßnahmen in Rahmen der Koalitionsfreiheit nach Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz. Wenn sich die Tarifvertragsparteien in Verhandlungen nicht auf eine Lösung verständigen können, haben die Gewerkschaften als Tarifpartner das Recht, ihre Mitglieder zu befristeten oder unbefristeten Arbeitsniederlegungen aufzufordern. Die stattgefundenen Arbeitsniederlegungen der Beschäftigten der beiden Universitätskliniken sind Teil einer solchen tariflichen Auseinandersetzung zur Erreichung eines Entlastungstarifvertrages. Ein Eingriff der Landesregierung durch Initiativen und Maßnahmen auf die Verhandlungen wäre ein unzulässiger Eingriff in die grundgesetzlich garantierte Koalitionsfreiheit der Tarifpartner. Die Koalitionsfreiheit garantiert den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ein weitgehend freies, d.h. vor von staatlicher Einflussnahme geschütztes Betätigungsfeld bei der Regelung der Arbeitsbedingungen. Insofern hat die Landesregierung gegenüber den verhandelnden Parteien keine durchgreifenden Einflussmöglichkeiten. Die Arbeitsniederlegungen waren ausgesetzt und sind aktuell (30.Juli 2018) wieder aufgenommen worden. Vertreter der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) und der Gewerkschaft ver.di sowie die Vorstände der Universitätsklinika Düsseldorf und Essen verhandeln über konkrete Entlastungsmaßnahmen. Den Tarifvertragspartnern in den aktuellen Verhandlungen ist bekannt, dass die beteiligten Ministerien für Gespräche zur Verfügung stehen. Falls die Tarifvertragsparteien Unterstützung zur Beilegung der Auseinandersetzung benötigen, können sie auf Wunsch die Landesschlichterin des Landes Nordrhein-Westfalen einbinden. 2. Wie bewertet die Landesregierung die Patientenversorgung in Nordrhein- Westfalen angesichts der Streiks? Durch die bisherigen und jetzt aktuell (30.Juli 2018) stattfindenden Streikaktionen ist es zu teilweise erheblichen Verschiebungen der Patientenströme zwischen den Krankenhäusern sowohl in beiden betroffenen Städten, als auch insgesamt in NRW gekommen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen den Elektivpatienten (mit zeitlich im Voraus geplanter Versorgung / Operation) und den Notfallpatienten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3407 3 Bei geplanter Versorgung / Operationen wurden an beiden Universitätskliniken zahlreiche Terminverschiebungen, in der Regel verbunden mit erheblich verlängerten Wartezeiten, notwendig. An der Notfallversorgung nehmen in beiden Städten generell mehrere Kliniken teil. Dadurch kann zu einem großen Teil sichergestellt werden, dass die Einschränkungen der Universitätskliniken während der Streikaktionen durch benachbarte Krankenhäuser kompensiert werden. Diese Situation verschärft sich mit jedem weiteren Streiktag, da Eingriffe oder Behandlungen, die zunächst verschiebbar sind, nach einer bestimmten Zeit schließlich durchgeführt werden müssen ("aufgeschobene Dringlichkeit"). Dadurch wird die Versorgungslage in der Region mit zunehmender Dauer der Streiks auch für diese Patientengruppe immer kritischer. In hoch spezialisierten Fachgebieten (z.B. Neurochirurgie, Herzchirurgie, Onkologie, Kinderonkologie), die regional ausschließlich durch das jeweilige Universitätsklinikum angeboten werden, kann es auch kurzfristig zu Engpasssituationen kommen, die dazu führen, dass schwerst erkrankte Patienten ggfs. überregional in andere Universitätskliniken verlegt werden müssen, um Patientenschäden zu vermeiden. Dies geht jedoch gerade bei diesen Patienten mit einer ganz erheblichen zusätzlichen körperlichen und seelischen Belastung einher, die von diesen häufig als unzumutbar bewertet wird. Die Notfallversorgung während der bisherigen Streikaktionen in Düsseldorf und Essen stellt sich unterschiedlich dar. In Düsseldorf soll durch eine tägliche Absprache aller Krankenhäuser untereinander sichergestellt werden, dass alle Notfallpatienten ohne kritische Zeitverluste versorgt werden. Alle Krankenhäuser in Düsseldorf sind grundsätzlich bereit, die Notfallpatienten zu übernehmen, die das Universitätsklinikum infolge des Streiks nicht aufnehmen kann, solange deren Kapazitäten dies erlauben. Das Universitätsklinikum Essen hat interne Maßnahmen ergriffen, um das Aufkommen von Notfallpatienten zu bewältigen. Der Notaufnahmebetrieb am Universitätsklinikum Essen wird uneingeschränkt aufrechterhalten und erfolgt ohne Einflussnahme auf die Zielklinikwahl des Rettungsdienstes. Somit können derzeit die Notfallpatienten aus eigener Kraft versorgt werden. 3. Welche Maßnahmen und Initiativen plant die Landesregierung, um die generelle Situation in der Pflege – sowohl für die Beschäftigten als auch für die Patientinnen und Patienten – sicher zu machen und qualitativ zu verbessern? Zur Verbesserung der generellen Situation in der Pflege hat das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS NRW) umfassende Maßnahmen und Initiativen eingeleitet. Dabei nimmt die Entwicklung zukunftsfähiger Lösungsansätze zur Verbesserung der Fachkräftesituation in der Pflege einen wichtigen Stellenwert ein. Gegenüber der Entwicklung der Ausbildungsplätze in der Altenpflege in den letzten Jahren, konnte ein Aufwuchs an Auszubildenden in der Gesundheits- und Krankenpflege und in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege nicht festgestellt werden. Deshalb hat das MAGS Anfang Mai 2018 gemeinsam mit der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen und den Gesetzlichen Krankenkassen ein werbendes Anschreiben zur Steigerung der Ausbildungskapazitäten an alle Geschäftsführungen der Krankenhäuser und Schulleitungen der Pflegeschulen in Nordrhein-Westfalen versandt. Damit soll eine deutliche Steigerung der Ausbildungsplätze in der Gesundheits- und Krankenpflege und in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege erreicht werden. Mit Inkrafttreten des Pflegeberufegesetzes am 1. Januar 2020 wird das MAGS die Pflege als eigenständige Profession deutlich stärken. Durch die Zusammenführung der drei bislang getrennt voneinander durchgeführten Ausbildungen in der Altenpflege, der Gesundheits- und LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3407 4 Krankenpflege und der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege erwarten wir zudem eine Attraktivitätssteigerung des Pflegeberufes. Deshalb ist die Umsetzung des Pflegeberufegesetzes für Nordrhein-Westfalen ein wesentlicher Schwerpunkt der Pflegepolitik des MAGS. Ziel ist es, sowohl an den Bildungseinrichtungen als auch in den ausbildenden Praxiseinrichtungen die Ausbildungsbereitschaft hoch zu halten bzw. weiter zu fördern, damit die Anzahl der Auszubildenden auf stabilem Niveau bleibt oder weiter gesteigert werden kann. Den immer komplexer werdenden Anforderungen im Gesundheitswesen kann nur dann wirksam begegnet werden, wenn ein Teil der Pflegefachkräfte eine Ausbildung auf hochschulischem Niveau abgeschlossen hat. Entsprechend empfiehlt auch der Wissenschaftsrat, 10 bis 20% eines Ausbildungsjahrgangs in den Gesundheitsfachberufen, auch der Pflege, akademisch zu qualifizieren. Deshalb hat das Land Nordrhein-Westfalen seit dem Jahr 2010 fünf Modellstudiengänge an fünf Hochschulstandorten in NRW in den Pflegeberufen genehmigt. Nordrhein-Westfalen ist damit bundesweit Vorreiter. Die Evaluation der Modellstudiengänge hat bestätigt, dass die Modellstudiengänge zur Attraktivitätssteigerung der Pflegeberufe beitragen und die berufliche Pflegeausbildung auch für Abiturientinnen und Abiturienten interessant macht. Ab Inkrafttreten des Pflegeberufegesetzes zum 1. Januar 2020 wird die hochschulische Ausbildung regelhaft ausgestaltet. Das MAGS hat diese Entwicklung kontinuierlich unterstützt, damit alle am Pflegeberuf interessierten Menschen vielfältige Zugangs- und Entwicklungsmöglichkeiten haben. Darüber hinaus will die Landesregierung der Pflege in Nordrhein-Westfalen eine starke Stimme geben. Die Pflege muss im Gesundheitswesen endlich auf Augenhöhe mit anderen Professionen mitreden und mitentscheiden können. Deshalb beabsichtigt das MAGS eine Interessenvertretung für professionell Pflegende einzurichten, wenn diese es wünschen. Dazu wird im Oktober dieses Jahres über einen unabhängigen Anbieter eine repräsentative Befragung unter den professionell Pflegenden durchgeführt. Vor und während der repräsentativen Befragung wird es eine Informationskampagne geben, die sich an alle Pflegekräfte in Nordrhein-Westfalen richtet. Das MAGS setzt sich zudem für eine angemessene Vergütung des Pflegeberufes ein und macht sich dafür stark, dass auch in der Pflege tarifliche bzw. tarifentsprechende Entlohnung in den Vertragsverhandlungen durchgesetzt werden können. 4. Inwieweit werden die von der Landesregierung entsandten Aufsichtsratsmitglieder der Unikliniken in die interne Kommunikation und die personellen Belange der Kliniken eingebunden, um mögliche Bedarfe frühzeitig zu erkennen? Nach § 31a Absatz 3 des Hochschulgesetzes in Verbindung mit § 4 Absatz 1 der Universitätsklinikum-Verordnung ist es die Aufgabe der Aufsichtsratsmitglieder, den Vorstand zu beraten und zu überwachen sowie Entscheidungen nach der Universitätsklinikum- Verordnung zu treffen. Die Ziffern 4.2.1ff und 5 des Public Corporate Governance Kodex des Landes Nordrhein-Westfalen setzen konkrete Maßstäbe für diese Aufgabenbereiche sowie darüber hinaus für die Zusammenarbeit zwischen Überwachungsorgan und Geschäftsleitung. Kern dessen ist das Erfordernis einer engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit. Dies ist ebenfalls in den klinikeigenen Satzungen festgehalten. Die Aufsichtsratsmitglieder erhalten die erforderlichen Informationen über die personellen Belange der Kliniken vom Klinikvorstand. Eine Einbindung in die interne Kommunikation der Universitätskliniken findet demgegenüber nicht statt. Dies ist nicht vom oben genannten Aufgabenbereich des Aufsichtsrats umfasst. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3407 5 5. Inwieweit kommt die Landesregierung ihrer Aufsichtspflicht für die Unikliniken nach? Die Landesregierung übt ihre Aufsichtspflicht über die Universitätskliniken des Landes Nordrhein-Westfalen im Wege der Rechtsaufsicht aus. Maßgeblich hierfür ist § 17 der Universitätsklinikums-Verordnung. Die Rechtsaufsicht umfasst die Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Handlungen. Die im Rahmen der Rechtsaufsicht möglichen Maßnahmen bemessen sich nach § 17 Absatz 1 Satz 2 UKVO in Verbindung mit § 76 Absätze 2 und 3 des Hochschulgesetzes.