LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3435 20.08.2018 Datum des Originals: 17.08.2018/Ausgegeben: 23.08.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1312 vom 20. Juli 2018 der Abgeordneten Lisa Kapteinat SPD Drucksache 17/3234 Fehlende Ärzte im Justizvollzug Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die derzeitigen Verdienstmöglichkeiten im Justizvollzug sind für Ärzte nicht ausreichend attraktiv . Aufgrund dessen fehlt es in vielen Justizvollzugsanstalten an geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern. Psychische Auffälligkeiten, sonstige Erkrankungen, Alterung der Inhaftierten und Sprachbarrieren fordern die Ärztinnen und Ärzte tagtäglich heraus. Gefangenentransporte in nahegelegene Kliniken oder Arztpraxen sind für die Bediensteten eine anstrengende Aufgabe und bergen immer die Gefahr des Ausbruchs und Übergriffs. Des Weiteren binden derartige Einsätze schlicht Arbeitskräfte, die dann an anderer Stelle fehlen. In Baden-Württemberg startet das Justizministerium zur Lösung des Ärztemangels im Justizvollzug ein Modellprojekt zur Videobehandlung. Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 1312 mit Schreiben vom 17. August 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung 1. Was tut die Landesregierung, um gezielt Ärzte für den Justizvollzug zu gewinnen? Die Gewinnung von Ärztinnen und Ärzten im Justizvollzug hat sich in den letzten Jahren zu einer schwierigen Herausforderung entwickelt. In diesem Zusammenhang wurden bereits umfangreiche Bemühungen unternommen und werden fortgesetzt, um das Interesse von Ärztinnen und Ärzten für eine Tätigkeit in den Justizvollzugsanstalten zu wecken. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3435 2 Die nachfolgend benannten Maßnahmen geben einen Überblick über die bisher erfolgten Bemühungen : 1. Stellen für den ärztlichen Dienst werden regelmäßig im Justizministerialblatt und einschlägigen Internetforen veröffentlicht. Zusätzlich inserieren die Justizvollzugsanstalten im Einzelfall in den regionalen Medien und wenden sich schriftlich und durch Ansprache an die in der Region liegenden Krankenhäuser, Niederlassungen der Kassenärztlichen Vereinigungen, Bezirksstellen der Ärztekammern sowie an niedergelassene ärztliche Kolleginnen und Kollegen und versuchen , auch über private Kontakte geeignete Ärztinnen und Ärzte zu gewinnen. 2. Im Deutschen Ärzteblatt wurde 2016 eine Anzeige mit dem in der Justizvollzugsanstalt Werl tätigen Anstaltsarzt und Schauspieler geschaltet, die in der Folge zur Einstellung von vier Ärztinnen und Ärzten führte. Die Wiederholung einer ähnlich konzipierten Anzeige im Deutschen Ärzteblatt ist kurzfristig beabsichtigt. 3. Darüber hinaus ist seit Anfang September 2017 eine Personalvermittlungsagentur beauftragt, um Ärztinnen und Ärzte für den Justizvollzug zu gewinnen. Hieraus resultieren bisher zwei Einstellungen von Ärztinnen. 4. Interessierten Ärztinnen und Ärzten wird zudem die Möglichkeit der Hospitation in den Anstalten angeboten, um das Aufgabengebiet und die örtlichen Gegebenheiten kennenzulernen. Im Rahmen der Einführung neuer Kräfte im anstaltsärztlichen Dienst finden grundsätzlich Hospitationen in anderen Anstalten sowie im Justizvollzugskrankenhaus Nordrhein-Westfalen statt. 5. Medizinstudentinnen und –studenten wird es ermöglicht, Famulaturen im Justizvollzugskrankenhaus Nordrhein-Westfalen zu absolvieren. 6. Der Ärztliche Direktor des Justizvollzugskrankenhauses Nordrhein-Westfalen hat Kontakt zu einem Lehrstuhl für Allgemeinmedizin einer Universität aufgenommen, um im Rahmen einer Zusammenarbeit über die Gefängnismedizin zu informieren und gegebenenfalls auch praktische Einblicke für interessierte Studierende zu ermöglichen. 7. Vertreter des Fachreferates Gesundheitsfürsorge der Gefangenen nehmen an der im Auftrag des Strafvollzugsausschusses der Länder implementierten länderoffenen Arbeitsgruppe „Vergleich der Modelle für die Organisation der medizinischen Versorgung im Justizvollzug unter Berücksichtigung von Fragen des Qualitätsmanagements, der Kostenkontrolle und der Personalgewinnung “ teil. Durch den Austausch mit anderen Bundesländern sollen die Möglichkeiten der Personalgewinnung zudem optimiert werden. 8. Die Anstaltsärztinnen und –ärzte werden als verbeamtete Kräfte grundsätzlich in der Bandbreite A 13 bis A 16 besoldet. Bei Vorliegen einer Facharztbezeichnung und entsprechender Berufserfahrung wird angestrebt, im Wege der Ausnahme eine Einstellung im Eingangsamt A 14 vornehmen zu können. Bei Ärztinnen und Ärzten, die im Beschäftigtenverhältnis tätig sind, kommt regelmäßig § 16 Abs. 3 des Tarifvertrags für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte) vom 30. Oktober 2006 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 12. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3435 3 April 2017 zur Anwendung, wonach zur Deckung des Personalbedarfs abweichend von der tarifvertraglichen Einstufung ein bis zu zwei Stufen höheres Entgelt ganz oder teilweise vorweg gewährt werden kann. 2. Ist ein Modellprojekt ähnlich dem Vorbild Baden-Württembergs geplant? (Bei Verneinung bitte begründen.) Ausgehend von den derzeit verfügbaren Informationen wird die Auffassung vertreten, dass Telemedizin und Telekonsultation in der Regel kein vollständiger Ersatz für eine persönliche Arztvorstellung sein können, jedoch als Ergänzung – insbesondere im Anschluss an eine bereits erfolgte ärztliche Untersuchung – im Einzelfall sinnvoll sein kann. Abhängig von den Ergebnissen des Pilotprojekts in Baden-Württemberg soll die Einführung der Telemedizin auch in Nordrhein-Westfalen geprüft werden. 3. Wie ist die derzeitige medizinische Versorgung von Gefangenen zu beurteilen? Obwohl nicht alle ärztlichen Stellen in den Justizvollzugsanstalten besetzt sind, gelingt es derzeit durch vertraglich verpflichtete Ärztinnen und Ärzte die medizinische Versorgung der Gefangenen sicherzustellen. 4. Wie viele unbesetzte Stellen gibt es im medizinischen Bereich im Strafvollzug? Die Anzahl der unbesetzten Stellen ist relativ gering (7,87 von 59). Das Bestreben, die vertraglich verpflichteten Ärztinnen und Ärzte durch feste Anstaltsärzte zu ersetzen, wird mit Nachdruck weiter verfolgt. 5. Wie groß ist der Aufwand für die Begleitung von Gefangenen zu auswärtigen Arztterminen ? Bitte eine detaillierte Darstellung der Überstunden pro JVA und Bedienstete . Die Anzahl der Ausführungen zu externen Ärzten (inklusive ambulanter Krankenhausvorstellungen ) sowie die dafür aufgewendeten Stunden sind der nachfolgenden Übersicht zu entnehmen : Anzahl der Ausführungen und Stundenaufwand in dem Zeitraum 01. 01. - 30.06.2018 JVA Anzahl Arztausführungen (mit zwei Bediensteten ) Stundenaufwand Aachen 178 367,3 Attendorn 202 452 Bielefeld-Brackwede 300 720 Bielefeld-Senne 586 2344 Bochum 181 586 Bochum-Langendreer 52 64,5 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3435 4 Castrop-Rauxel 0 0 Detmold 31 43,6 Dortmund 76 306,3 Duisburg-Hamborn 81 195 Düsseldorf 54 253 Essen 114 593 Euskirchen 51 142 Geldern 161 506,49 Gelsenkirchen 380 1140 Gelsenkirchen SothA 96 384 Hagen 78 312 Hamm 29 136 Heinsberg 63 139,12 Herford 176 1423 Hövelhof 177 475 Iserlohn 75 155 JVK Fröndenberg 120 480 Kleve 66 264 Köln 80 640 Moers-Kapellen 6 12 Münster 116 702 Remscheid 217 1040 Rheinbach 111 444 Schwerte 44 172,05 Siegburg 120 441,8 Werl 151 650 Willich I 55 232,5 Willich II 116 213,16 Wuppertal-Ronsdorf 148 508 Wuppertal-Vohwinkel 46 231 JAA Bottrop 0 0 JAA Düsseldorf 0 0 JAA Lünen 0 0 JAA Remscheid 3 12 JAA Wetter 0 0 gesamt 4540 16412,52 In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass Ausführungen in der Regel mit zwei dem Fahrdienst zugehörigen Bediensteten und grundsätzlich während der regulären Arbeitszeit durchgeführt werden. Facharztvorstellungen erfolgen zudem ausnahmslos aufgrund medizinischer Indikation, wenn die Behandlung in der Justizvollzugsanstalt nicht möglich ist. Ein kausaler Zusammenhang zur Besetzung der Justizvollzugsanstalt mit einer Anstaltsärztin/einem Anstaltsarzt beziehungsweise einer Vertragsärztin/einem Vertragsarzt ist nicht gegeben.