LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3451 22.08.2018 Datum des Originals: 21.08.2018/Ausgegeben: 27.08.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1321 vom 17. Juli 2018 des Abgeordneten Horst Becker BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/3253 200 Tage Friedrich Merz als „Beauftragter für die Folgen des Brexits und die transatlantischen Beziehungen“ – Welche Erfolge kann die Landesregierung durch die Tätigkeit des so genannten Brexit-Beauftragten nach mehr als einem halben Jahr vermelden? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Seit dem 01.01.2018 ist Friedrich Merz „Brexit-Beauftragter“ des Landes NRW – ernannt durch Ministerpräsident Armin Laschet. Herr Merz soll die Interessen des Landes im Brexit-Prozess vertreten, die Probleme von NRW-Unternehmen in Großbritannien lösen und für NRW-Firmen, die in Großbritannien sitzen, als Berater zur Verfügung stehen. Gleichzeitig ist er ist in den Aufsichtsräten von AXA Konzern AG, DBV-Winterthur Holding AG, Deutsche Börse AG, der IVG Immobilien AG, der WEPA Industrieholding. Er ist in den Verwaltungsräten von BASF Antwerpen, Stadler Rail AG und HSBC Trinkaus & Burkhardt AG sowie im Aufsichtsrat dieser Bank. Er ist ebenfalls in den Beiräten von Commerzbank AG und Senior Counsel der internationalen Rechtsanwaltskanzlei Mayer Brown in Düsseldorf sowie seit 2016 Aufsichtsratschef dem Vermögensverwalter Deutsche BlackRock AG, die u.a. Beteiligungen an allen 30 DAX- Unternehmen hält. Herr Merz führte im März vor dem Ausschuss für Europa und Internationales aus, dass er es zunächst als seine wichtigste Aufgabe ansähe, Hilfestellungen für die Unternehmen zu leisten, die nach NRW kommen wollen, bzw. für diejenigen, die Unternehmensteile oder Zulieferer in Großbritannien haben. Gerade die letzten Tage und Wochen haben deutlich gemacht, dass die politische Lage in Großbritannien unübersichtlich bleibt. Ein harter Brexit ohne jegliche Vereinbarung steht weiter im Raum. Zeitgleich verschärfen sich in diesen Tagen die handelspolitischen Auseinandersetzungen zwischen der EU und den LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3451 2 USA. Dies wird möglicherweise erhebliche negative Auswirkungen auf nordrhein-westfälische Unternehmen haben. Der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales hat die Kleine Anfrage 1321 mit Schreiben vom 21. August 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen und dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie beantwortet. 1. Welche Erfolge als Brexit-Beauftragter hat Friedrich Merz aus Sicht der Landesregierung bisher erzielt? (Bitte konkret aufführen, welche erfolgreichen Beratungen stattgefunden haben und welche Unternehmen bisher aufgrund der Tätigkeit von Herrn Merz aus Großbritannien nach NRW umsiedeln wollen.) Eine wichtige Aufgabe des Beauftragten ist die Beratung der Landesregierung. Dieser Aufgabe ist der Beauftragte bereits in mehreren Gesprächen nachgekommen – unter anderem mit Herrn Ministerpräsidenten, Herrn Minister der Finanzen, Herrn Minister für Wirtschaft, Innovation , Digitalisierung und Energie, mit mir, mit Herrn Chef der Staatskanzlei sowie mit Herrn Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales. Zudem hat er unter anderem an einem Workshop des MWIDE zu den Folgen des Brexit teilgenommen. Insbesondere aufgrund seiner politischen Erfahrungen u.a. als ehemaliger Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sowie als stellvertretender Fraktionsvorsitzender für Wirtschaft und Finanzen verfügt der Beauftragte sowohl über vielfältige Kontakte zu Vertretern von Politik und Wirtschaft im Vereinigten Königreich als auch über umfassende Kenntnisse über die dortige politische und wirtschaftliche Lage. Er steht als Ansprechpartner für Unternehmen zur Verfügung. Seine Beratung ist insofern erfolgreich, als sie dazu beiträgt, die Perspektive der Landesregierung auf mögliche Folgen des Brexit zu erweitern. Die Prozesse von Unternehmensansiedlungen sind komplex und langwierig. Sie sind durch zahlreiche Faktoren bedingt, zu denen auch die Beratung der Landesregierung durch Herrn Merz gehört. 2. Durch welche konkreten Maßnahmen hat die Landesregierung mögliche Interessenkonflikte bei der Ausübung dieses Ehrenamtes unterbunden, z.B. bei Unternehmensentscheidungen über Standortwahl unter dem Aspekt von Steuervermeidungs - oder Minderungskonzepten? Eine Interessenskollision oder Konflikte mit anderen Aufgaben sind bei der Ausübung der Aufgaben nicht zu befürchten. Der Beauftragte ist ehrenamtlich tätig und nicht Teil der Landesregierung. Er nimmt seine Aufgabe in enger Abstimmung mit dem Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales wahr. Er verfügt nicht über eigene politische Entscheidungsbefugnisse. Eine regelmäßige Teilnahme an Kabinettsitzungen ist nicht beabsichtigt, zudem auch nicht erforderlich . Es steht also gerade nicht zu befürchten, dass sein professionelles Urteilsvermögen oder Handeln als Beauftragter für die Folgen des Brexit und die transatlantischen Beziehungen durch seine weiteren Tätigkeiten unangemessen beeinflusst wird. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3451 3 3. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung zur Abfederung der Folgen des Brexit bisher unabhängig vom Brexit-Beauftragten Friedrich Merz ergriffen? Die Landesregierung hat mit ihrer Unterstützung der Bundesratsbeschlüsse 373/17 und 63/18 deutlich gemacht, dass sie im Einklang mit der Position der Europäischen Union und der Bundesregierung einen geordneten Austritt mit Austrittsabkommen und ein so enges künftiges Verhältnis der EU zu Großbritannien wie unter den Bedingungen des Austritts möglich für die beste Voraussetzung hält, um die negativen Folgen des Austritts zu beschränken. Die Landesregierung schließt sich zugleich der Auffassung der Europäischen Kommission und der Bundesregierung an, dass sich Staat, Wirtschaft und Gesellschaft auf alle möglichen Szenarien vorbereiten müssen, weil die Austrittsverhandlungen noch nicht abgeschlossen werden konnten. Die Landesregierung bereitet sich daher folgendermaßen auf den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union vor: Mit Blick auf landesrechtlichen Anpassungsbedarf in Folge des Brexit erarbeitet die Landesregierung derzeit einen Referentenentwurf für ein Brexit-Übergangsgesetz. Dadurch soll für den Fall des Inkrafttretens des Austrittsabkommens Rechtsklarheit hinsichtlich der vorgesehenen grundsätzlichen Behandlung des Vereinigten Königreiches wie ein EU-Mitgliedstaat in der Übergangsphase geschaffen werden. Darüber hinaus prüft die Landesregierung Handlungsoptionen für den Fall eines Austritts ohne Abkommen. Und schließlich bereitet sich die Landesregierung, soweit bereits möglich, auf den landesrechtlichen Anpassungsbedarf nach der Übergangsphase vor. Mit Blick auf die wirtschaftlichen Folgen des Brexit steht die Landesregierung über die Aktivitäten des Brexit-Beauftragten hinaus in stetem Austausch mit Unternehmen und Gewerkschaften und unterstützt diese in ihrer Vorbereitung auf den Brexit. Zu den genannten Vorbereitungen auf die Folgen des Brexit befindet sich die Landesregierung ferner im steten Austausch mit der Bundesregierung und den weiteren Ländern. Mitglieder der Landesregierung haben außerdem zahlreiche Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der Regierung des Vereinigten Königreichs geführt. Ziel dieser Gespräche ist es, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und dem Vereinigten Königreich so weit wie möglich zu erhalten und zu stärken. Im Juli 2018 hat Herr Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie ein neues Auslandsbüro von NRW.Invest zur Förderung der Wirtschaftsbeziehungen mit Großbritannien eröffnet. 4. Welche Risiken für NRW-Unternehmen sieht die Landesregierung zurzeit angesichts des drohenden Handelskrieges mit den USA für NRW-Unternehmen? Die Landesregierung bedauert sehr, dass derzeit erhöhte Zölle auf Stahl und Aluminium erhoben werden und hat dies wiederholt zum Ausdruck gebracht (zuletzt mit der Mitantragsstellung der Entschließung des Bundesrates "Freien und fairen Außenhandel für Stahl sicherstellen", BR-Drs. 314/18). Nordrhein-westfälische Unternehmen können insbesondere von verringerten Absatzmöglichkeiten sowie möglichen Umlenkungseffekten betroffen sein. Sofern weitere Produktgruppen (z.B. im Automobilsektor) mit erhöhten Zöllen belegt werden sollten, kann es in den entsprechenden Branchen – insb. bei Automobilzulieferern in Nordrhein-Westfalen – ebenfalls weitere Herausforderungen geben. Daher begrüßt die Landesregierung die Bemühungen der Europäischen Kommission und die Ergebnisse des Gesprächs des Präsidenten der Europäischen Kommission mit dem US-Präsidenten. Schließlich liegen insbesondere die Befassung mit Industriestandards und die Beseitigung von Handelshemmnissen im ureigenen Interesse des Wirtschaftsstandorts Nordrhein-Westfalen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3451 4 5. Welche besonderen Leistungen kann die Landesregierung angesichts des drohenden Handelskrieges zum Erhalt der guten wirtschaftlichen Beziehungen zu den USA durch die Tätigkeit von Herrn Friedrich Merz vermelden? Der Erhalt der guten wirtschaftlichen Beziehungen zu den USA ist eine komplexe und langfristige Herausforderung. Zu deren Erfolg tragen zahlreiche Faktoren bei. Hierzu zählt auch die Beratung der Landesregierung durch Herrn Merz.