LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3453 22.08.2018 Datum des Originals: 21.08.2018/Ausgegeben: 27.08.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1299 vom 17. Juli 2018 der Abgeordneten Alexander Langguth, Frank Neppe und Marcus Pretzell FRAKTIONSLOS Drucksache 17/3204 Notfallvorsorge in NRW Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Wenn Naturphänomene Menschen und ihre Güter gefährden, entsteht eine Naturkatastrophe. Die Wetterlage der vergangenen Jahre zeigte unter anderem in Münster, Düsseldorf und Wuppertal , dass bereits kurzanhaltende Unwetter und Starkregen die Nutzung der lokalen Infrastruktur stark einschränken können. Mehrfach kam es in diesem Jahr zu spürbaren Erderschütterungen sowie zu einer starken Erschütterung bei Bottrop-Kirchhellen.1 Egal ob Hochund Niedrigwasser, seismische Ereignisse oder Extremwetter – fraglich ist nicht, ob es zu diesen Naturkatastrophen kommt, sondern wann und in welchem Ausmaß diese Ereignisse eintreffen . In einer Gesellschaft, in der die Bedeutung von Strom wächst, kommt der Energiegewinnung und -versorgung eine zunehmend wichtigere Rolle zu. Mit der Energieerzeugung und der Strominfrastruktur sind jedoch Risiken verbunden. Bei einem Gau im belgischen AKW Tihange müsste Aachen mit einer Wahrscheinlichkeit von über 30 Prozent vollständig evakuiert werden .2 Dies bedeutet, dass kurzfristig über eine Viertelmillion Menschen zzgl. Anwohner betroffener benachbarter Orte untergebracht und versorgt werden müssen. Auch die Städte Köln und Düsseldorf könnten von der radioaktiven Wolke betroffen sein.3 1 https://www.gd.nrw.de/gg_le_erdbebenmeldung_vorangegangene.php 2 https://www.stern.de/panorama/weltgeschehen/tihange--das-wuerde-ein-gau-im-belgischen-akwfuer -deutschland-bedeuten-7891828.html 3 Ebd. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3453 2 Gefahren bestehen nicht nur in einem AKW Gau, sondern auch bei der nationalen Stromversorgung . Dem Ausfall der Strominfrastruktur wird von den Teilnehmern und Teilnehmerinnen des „Koordinierten Prozesses Katastrophenschutz in Nordrhein-Westfalen“ des Ministeriums des Innern NRW durchschnittlich die höchste Priorisierung unter 15 zur Wahl stehenden Gefahrenszenarien zugesprochen.4 Christoph Unger, Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, nennt Unwetter, Cyberattacken und Terroranschläge als mögliche Ursachen eines flächendeckenden Stromausfalls.5 Vor allem bei länger anhaltenden Ausfällen entstehen Probleme bei der Kommunikation sowie der Versorgung mit medizinischen Leistungen und Lebensmitteln. Eine flächendeckende staatliche Versorgung kann im Krisenfall nicht zwingend innerhalb weniger Stunden hergestellt werden. Daher sowie zur schnellen Teilnahme an einer Evakuierung ist es ratsam, eine private Vorsorge zu treffen. Der „Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen“ des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) umfasst hierfür eine Checkliste notwendiger privater Vorsorge sowie eine Empfehlung für Nahrungsmittelvorräte. Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 1299 mit Schreiben vom 21. August 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie beantwortet. 1. Welche Kapazitäten stehen in NRW zur kurzfristigen Unterbringung und Versorgung der Bevölkerung in Folge eines Katastrophenfalls zur Verfügung? Bitte differenzierte Angaben nach Eigenmitteln des Landes NRW, Eigenmitteln des Bundes und Mitteln von Fremddienstleistern, wie z.B. eingetragene Vereine, sowie die geografischen Lage in NRW. Jeder Kreis und jede kreisfreie Stadt in Nordrhein-Westfalen verfügt als Untere Katastrophenschutzbehörde über eine sogenannte „Betreuungsplatz-Bereitschaft 500 NRW (BTP-B 500 NRW). Die BTP-B 500 NRW“ ist ein autarker betreuungsdienstlicher Verband in Bereitschaftsstärke (72 Helferinnen und Helfer mit 22 Fahrzeugen), deren Aufgabe es ist, im Rahmen der überörtlichen Hilfe am Schadensort einen Betreuungsplatz einzurichten, ihn zu betreiben und eine geordnete Betreuung für eine größere Anzahl unverletzt betroffener Personen über einen längeren Zeitraum sicherzustellen. Zudem ist eine begrenzte sanitätsdienstliche Versorgung leicht verletzter Personen innerhalb des Betreuungsplatzes möglich. Ihr Einsatz kann sowohl vorgeplant als auch spontan aufgrund eines plötzlichen Betreuungsbedarfes, der durch einen Unglücksfall oder eine andere Schadenslage verursacht wird, erfolgen. Die BTP-B 500 NRW ist nach ca. 60 Minuten (nach dem Eintreffen an der Einsatzstelle) einsatzbereit und hat eine Kapazität zur Aufnahme, Unterbringung und Verpflegung von mindestens 500 unverletzt Betroffenen . Die Betreuungsplätze setzen sich jeweils aus Einsatzmitteln des Bundes, des Landes und der Hilfsorganisationen zusammen. Eine generelle prozentuale Zuordnung der Einsatzmittel ist nicht möglich, da die Zusammensetzung im Einzelfall divergiert. 4 Grundlagenbericht Koordinierter Prozess Katastrophenschutz in Nordrhein-Westfalen – Aktuelle und zukünftige Herausforderungen, Ministerium des Innern des Landes NRW – Vorlage 17/659 5 https://web.de/magazine/panorama/blackout-stromausfall-deutschland-vorbereiten-32269068 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3453 3 2. Wie viele nordrhein-westfälische Bürgerinnen und Bürger sind aus Sicht der Landesregierung im Sinne der Empfehlungen der Broschüre „Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen“ des BBK ausreichend auf Katastrophenereignisse vorbereitet? Der Landesregierung liegen hierzu keine konkreten Zahlen vor. 3. Welche landesspezifischen von der Bundesempfehlung abweichenden Vorkehrungen empfiehlt die Landesregierung der Bevölkerung zur Katastrophenvorsorge ? - Falls notwendig, bitte getrennte Empfehlungen nach Regionen. Die Empfehlungen der Broschüre „Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen “ wurde von Bund und Ländern gemeinsam entwickelt. Die Empfehlungen sind umfassend und hinreichend konkret. Insoweit wird kein Ergänzungsbedarf gesehen. Unabhängig von diesen Empfehlungen sensibilisiert die Landesregierung die Bevölkerung in Nordrhein- Westfalen zum Themenfeld „Notfallvorsorge“ anlass- und themenbezogen; in Kürze etwa mit dem landesweiten „Warntag Nordrhein-Westfalen“ am 6. September 2018. 4. Wie gewährleistet die Landesregierung die Katastrophenvorsorge und Kommunikation bei einem mehrtägigen, großflächigen Stromausfall? Die Katastrophenvorsorge soll den Eintritt einer Katastrophe verhindern. Speziell im Bereich der Stromversorgung haben die jeweiligen Unternehmen einen Versorgungsauftrag und verfügen über Planungen zur Aufrechterhaltung der Versorgung. Soweit ein mehrtägiger und großflächiger Stromausfall dennoch eintreten sollte, wäre es unmöglich , die herkömmlichen Kommunikationsstrukturen im betroffenen Bereich aufrechtzuerhalten . Die Sicherheitsbehörden stellen für ihren eigenen Bereich durch eine Notstromversorgung eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit und die notwendige Kommunikationsfähigkeit lageangepasst her. 5. Welche Maßnahmen sind für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit in NRW geplant? Die Aufgabe der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung obliegt den jeweiligen Ordnungsbehörden in originärer Zuständigkeit. Sind die Ordnungsbehörden nicht oder nicht rechtzeitig in der Lage, gefahrenabwehrende Maßnahmen zu treffen, ist die Polizei in Form der Not- oder Eilkompetenz subsidiär zuständig und führt anstatt oder in Ergänzung der originären Ordnungsbehörde erforderliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr durch. Im Ereignisfall eines anhaltenden und großflächigen Stromausfalls ist es erforderlich, verstärkte polizeiliche Präsenz und unmittelbare Ansprechbarkeit in den betroffenen Gebieten zu gewährleisten, Räumungs- und Evakuierungsmaßnahmen zu unterstützen oder vorzunehmen , Straftaten zu verhüten und die Aufrechterhaltung der Verkehrsteilnahme zu gewährleisten Zur Gewährleistung eines koordinierten und gefahrenminimierenden Vorgehens in den dargestellten Ereignisfällen sind vorbereitende Planungen und gemeinsame Übungen der beteiligten Akteure erforderlich. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3453 4 Dazu wird Nordrhein-Westfalen mit dem Krisenstab der Landesregierung an der länderübergreifenden Krisenmanagement-Exercise 2020 (LÜKEX) teilnehmen, um das nationale Krisenmanagement in Deutschland auf strategischer Ebene zu überprüfen und zu optimieren.