LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3488 28.08.2018 Datum des Originals: 27.08.2018/Ausgegeben: 31.08.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1337 vom 26. Juli 2018 der Abgeordneten Horst Becker und Norwich Rüße BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/3279 Wiederzulassung großer gewerblicher Stallanlagen im Außenbereich: Was droht dem ländlichen Raum durch den Roll-back der Landesregierung? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Laut Koalitionsvertrag ist es Ziel der Landesregierung, „dass die Landwirtschaft von selbständigen bäuerlichen Familienunternehmen geprägt wird“. Gleichzeitig plant die Landesregierung über eine Änderung im Landesentwicklungsplan (LEP) industrielle Stallanlagen wieder im Außenbereich zuzulassen. Die geplante Regelung entspricht de facto einer Rückkehr auf die Regelung, wie sie vor Inkrafttreten des aktuell gültigen LEP bereits bestand. Konkret geht es dabei um Tierhaltungsanlagen die nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert sind. Gewerbliche Tierhaltungen werden flächenungebunden betrieben und sind daher von der regionalen Landwirtschaft meist entkoppelt. So werden sowohl die eingesetzten Futtermittel als auch die zu entsorgenden Gülleabfälle häufig über weite Wege zu und von den Anlagen transportiert. Die bisherigen Regelungen bedeuten keineswegs ein generelles Verbot von Tierhaltungsanlagen im Außenbereich, sondern schließen ganz bewusst nur die flächenunabhängige Form der Nutztierhaltung im Außenbereich aus. So sind landwirtschaftliche Tierhaltungsanlagen gemäß § 201 BGB und § 35 BauGB zulässig. Auch der aktuelle LEP NRW schränkt diese Zulassung nicht ein und stärkt somit die landwirtschaftliche Tierhaltung gegenüber der gewerblichen Nutztierhaltung. Auch der Bestandsschutz bestehender Anlagen wird von der aktuellen Regelung nicht tangiert. Bauliche Maßnahmen, die dem Umwelt- und Tierschutz (z. B. beim Einbau von Luftfiltern oder der Vergrößerung der Einstallflächen pro Tier) dienen und einen Weiterbetrieb ermöglichen, können weiterhin durchgeführt werden. Vor diesem Hintergrund ist der Zweck einer generellen Zulassung von gewerblichen Tierhaltungsanlagen im Außenbereich nicht nachvollziehbar. Zumal mit dieser Erleichterung eine Form der Tierhaltung unterstützt wird, die ein Großteil der Gesellschaft ablehnt. Unter den LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3488 2 Haltungsbedingungen leiden in erster Linie die Tiere, eine übermäßige Anzahl solcher großer Stallanlagen ist aber auch Ursache zahlreicher Umweltprobleme. Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung hat die Kleine Anfrage 1337 mit Schreiben vom 27. August 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie und der Ministerin für Umwelt , Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Nach den geltenden Rechtsvorschriften des Baugesetzbuches sind Tierhaltungsanlagen, die keine eigene Futtergrundlage aufweisen und somit nicht bereits nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 privilegiert zulässig sind, bis zu einer bestimmten, insbesondere von der Anzahl der Stallplätze abhängigen, Größe im Außenbereich als privilegierte Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB zulässig. Soweit Tierhaltungsanlagen diese bundesrechtlich festgelegten Größen überschreiten , sind sie nicht als privilegierte Vorhaben zulässig. Die Städte und Gemeinden können in ihrer eigenen Planungsverantwortung entscheiden, ob sie über Bauleitplanung die Genehmigungsvoraussetzungen für solche Tierhaltungsanlagen schaffen möchten. Aus der derzeit geltenden Regelung des Landesentwicklungsplans ergibt sich, dass im Freiraum keine Bauleitplanungen mit dem Ziel der Errichtung gewerblicher Tierhaltungsanlagen umgesetzt werden können. Daraus ergibt sich faktisch, dass neue gewerbliche Tierhaltungsanlagen nur innerhalb des Siedlungsraums bzw. in hier von den Kommunen auszuweisenden Sondergebieten oder in Industrie- und Gewerbegebieten errichtet werden könnten. Die Landesregierung beabsichtigt, diese landesplanerischen Vorgaben zu ändern. Tierhaltungsanlagen sind Agrarlandschaften und dem Außenbereich wesenseigen. Mit der beabsichtigten Änderung des Landesentwicklungsplans sollen gewerbliche Tierhaltungsanlagen im Außenbereich nicht generell zulässig werden. Der kommunalen Selbstverwaltung werden damit allerdings mehr Spielräume eröffnet, im Rahmen ihrer Bauleitplanung eigenverantwortliche Entscheidungen über Standorte für raumbedeutsame Tierhaltungsanlagen zu treffen. Damit werden die Entwicklungsperspektiven der heimischen Landwirtschaft, die überwiegend von selbständigen bäuerlichen Familienunternehmen geprägt wird, insgesamt erweitert. 1. Wie viele Anträge auf Zulassung von nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegierten Tierhaltungsanlagen wurden im Zeitraum 2000 bis 2017 gestellt? Bitte getrennt nach Kreisen/kreisfreien Städten angeben. 2. Wie viele dieser Anträge wurden bewilligt? Bitte getrennt nach Kreisen/kreisfreien Städten angeben. 3. Wie viele dieser Anträge wurden von landwirtschaftlichen Einzelunternehmen mit Unternehmenssitz in NRW gestellt? Die Fragen 1 bis 3 werden gemeinsam beantwortet: Bei den Bauaufsichtsbehörden des Landes werden keine Statistiken über beantragte und/oder erteilte Genehmigungen geführt. Bei den Immissionsschutzbehörden des Landes werden keine Statistiken geführt, die zwischen privilegierten und nicht privilegierten immissionsschutz- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3488 3 rechtlichen Genehmigungen von Tierhaltungsanlagen differenzieren. Angaben zu den Anträgen auf Zulassung nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegierter Tierhaltungsanlagen liegen der Landesregierung daher nicht vor. Sie sind auch innerhalb der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit und mit den vorhandenen Ressourcen nicht zu beschaffen. 4. Welche positiven Auswirkungen erwartet die Landesregierung von der geplanten Änderung im Landesentwicklungsplan bezüglich nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegierten Tierhaltungsanlagen auf die „selbständigen bäuerlichen Familienunternehmen “? Selbstständige bäuerliche Familienbetriebe sowie auch der Tier- und Umweltschutz lassen sich nicht an Bestandgrößen der Tierhaltung festmachen. Insofern soll die geplante Änderung im Landesentwicklungsplan die Rahmenbedingungen für das wirtschaftliche Handeln der Betriebe unterstützen. Dabei ist es wichtig, die landwirtschaftliche Nutztierhaltung als ein integriertes Gesamtsystem zu sehen, in dem neben der Wirtschaftlichkeit der Betriebe vor allem auch der Tierschutz, Belange des Umweltschutzes (Boden, Wasser, Luft, Klima) sowie auch die Ansprüche der Gesellschaft zu berücksichtigen sind. Diese Aspekte werden im Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz organisationsrechtlich gebündelt. Die Änderung des Landesentwicklungsplans befindet sich noch im Verfahren. Derzeit werden alle eingegangenen Stellungnahmen ausgewertet und abgewogen. Vorbehaltlich dieser noch ausstehenden Auswertung erwartet die Landesregierung von dem vorliegenden Entwurf des Landesentwicklungsplans, dass künftig verstärkt auf der kommunalen Ebene über das Instrument der Bauleitplanung sachgerechte Lösungen entwickelt werden können, die sowohl die Belange des Umwelt- und Tierschutzes als auch die unternehmerischen Entwicklungsmöglichkeiten aller tierhaltenden Betriebe einschließlich der „selbstständigen bäuerlichen Familienunternehmen “ in den Blick nehmen.