LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3489 28.08.2018 Datum des Originals: 27.08.2018/Ausgegeben: 31.08.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1173 vom 11. Juni 2018 der Abgeordneten Helmut Seifen und Iris Dworeck-Danielowski AfD Drucksache 17/2897 „Tote Seelen“ in Duisburg? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Einer der bekanntesten Romane von Nikolai Gogol trägt den Titel „Tote Seelen“. Behandelt wird ein zu Anfang des 19. Jahrhunderts großangelegter Betrugsfall mit schon lange verstorbenen Leibeigenen, die als „tote Seelen“ bezeichnet werden. Auch heute noch erfreuen sich Betrügereien dieser Art größter Beliebtheit. Spezialisiert darauf scheinen Banden aus Rumänien und Bulgarien. Insbesondere die Arbeitnehmerfreizügigkeit für diese Länder hat einen regelrechten Ansturm nach Deutschland ausgelöst. Besonders betroffen von der Zuwanderung ist dabei Nordrhein-Westfalen. Der ehemalige Integrationsminister Guntram Schneider sprach gezielt von „Armutsmigranten“, die sich vielfach in schon bestehenden Problemvierteln wie Duisburg-Marxloh niedergelassen haben. In den vom Zuzug aus Osteuropa am häufigsten betroffenen Kommunen wie Duisburg, Gelsenkirchen und Essen klagten nicht nur über fehlende Möglichkeiten der Betreuung in Kitas und Schulen. Hinzu kommen immer wieder Berichte von Netzwerken organisierter Kriminalität, die mit Hilfe von fingierten Arbeitsverträgen und gefälschten bzw. erschwindelten Schulbescheinigungen in betrügerischer Weise Sozialleistungen beziehen. So sollen Kinder aus diesen Ländern oftmals alleine zu betrügerischen Zwecken an Schulen angemeldet worden sein, die jedoch niemals zum Unterricht erschienen sind. Bei einer Überprüfung der Familienkasse in Wuppertal und Düsseldorf sind nach Angaben der Welt am Sonntag v. 06. Mai 2018 von 100 Kindergeldberechtigten aus Rumänien und Bulgarien , die jeweils für drei oder mehr Kinder Leistungen bezogen, in 40 Fällen die Angaben falsch gewesen. Alleine bei dieser Stichprobe habe die Betrugssumme 400.000 Euro ergeben. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3489 2 Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung hat die Kleine Anfrage 1173 mit Schreiben vom 27. August 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, dem Minister des Innern, dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales und der Ministerin für Schule und Bildung beantwortet . Vorbemerkung der Landesregierung Mit Inkrafttreten der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die zum 01.01.2014 auch EU-Bürgerinnen und Bürgern aus Bulgarien und Rumänien den Zutritt zum deutschen Arbeitsmarkt erlaubt, ist auch in Nordrhein-Westfalen eine steigende Zuwanderung v.a. von Menschen mit sozial schwachem Hintergrund aus diesen Ländern zu beobachten. Die Ankömmlinge lassen sich vor allem in Quartieren nieder, in denen der Wohnungsbestand häufig renovierungsbedürftig und die Mieten geringer sind. Vor diesem Hintergrund hat die vormalige Landesregierung besonders betroffene Kommunen und weitere Akteure zu einem Austausch eingeladen, den die Landesregierung intensiviert. Unter meiner Federführung sind aus der Landesregierung die Staatskanzlei, das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, das Ministerium des Innern, das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales , das Ministerium für Schule und Bildung und das Ministerium der Justiz eingebunden. Neben Vertreterinnen und Vertretern aus dem kommunalen Raum und der Kommunalen Spitzenverbände sind überdies Repräsentanten der Zollverwaltung und der Bundesarbeitsverwaltung vertreten. Ziel ist es, das Problemfeld in seiner ganzen Breite zu betrachten und zu analysieren , die Zusammenarbeit der beteiligten Akteure zu stärken, Strukturen zur Systembekämpfung aufzubauen und Tatmuster zu zerschlagen. Gesetzlich begründete Zuständigkeiten im kommunalen Bereich sowie zwischen Land, Bund und Europäischer Union bleiben dabei unberührt. Darüber hinaus sind in Staatsanwaltschaften in Dortmund, Duisburg und Essen Schwerpunktabteilungen eingerichtet worden, um die Aufklärung und Verfolgung einschlägiger Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu beschleunigen. Der Datenaustausch und -abgleich zwischen Behörden wurde optimiert und die Schulverwaltungsämter wurden durch Erlass sensibilisiert, Hinweise auf Vorliegen von Scheinanmeldungen von Schülerinnen und Schülern zu melden. Inzwischen sind in den von Zuwanderung besonders betroffenen Kommunen Strukturen der Zusammenarbeit etabliert worden, um Sozialleistungsmissbrauch zu bekämpfen und notwendige Integration zu fördern. Dies vorangestellt sind die Fragen wie folgt zu beantworten: 1. Liegen Erkenntnisse über auffällig hohe Abmeldungen von einwohneramtlich gemeldeten Kindern zum Einschulungstermin in Duisburger Grundschulen vor? Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse über auffällig hohe Abmeldungen von einwohnermeldeamtlich gemeldeten Kindern zum Einschulungstermin in Duisburger Grundschulen vor. 2. Wie viele Kinder haben sich im Zeitraum von 2014-2017 in Duisburg für einen Schulplatz registrieren lassen und sind bereits in Klasse 1 wieder abgemeldet worden? Die nachgefragten Daten werden vom Ministerium für Schule und Bildung nicht erhoben und liegen daher nicht vor. In der für die Beantwortung zur Verfügung stehenden Zeit konnten die erforderlichen Daten nicht mit einem zumutbaren Aufwand ermittelt werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3489 3 3. Wie viele Fälle von gefälschten bzw. unrechtmäßig erhaltenen Schulbescheinigungen sind der Landesregierung in den Jahren 2014-2017 bekannt geworden? Im genannten Zeitraum sind dem fachlich zuständigen Ministerium keine Fälle bekannt geworden . 4. Welche Vorschriften verpflichten Schulen beim Verdacht von Kindergeldbetrug aufgefallene Schüler, die nach ihrer offiziellen Anmeldung niemals zum Unterricht erschienen sind, bei den Sozial- und Familienkassen zu melden? Die Berechtigung der Schule zur Übermittlung von Schülerdaten und ihr Umfang richten sich nach § 5 VO-DV I (Verordnung über die zur Verarbeitung zugelassenen Daten von Schülerinnen , Schülern und Eltern (VO-DV I)) i.V.m. § 120 SchulG NRW. Die Erhebung und Übermittlung personenbezogener Daten ist damit nur zulässig, soweit dies zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Schulen sind datenschutzrechtlich nicht berechtigt, Daten, die der Schulpflichtüberwachung dienen, an Sozial- und Familienkassen zu melden. Wenn angemeldete Schülerinnen und Schüler nicht in der Schule erschienen sind oder nicht mehr erscheinen und die gesetzlichen Vertreter nicht erreichbar sind, müssen Schulen dies den Schulämtern und Schulverwaltungsämtern anzeigen. Allerdings erlaubt § 120 Absatz 5 Satz 2 SchulG NRW eine Übermittlung aus melderechtlichen Gründen: Gemäß § 6 Abs. 2 Bundesmeldegesetz i.V. m. § 3 Meldedatenübermittlungsverordnung NRW sind die Schulverwaltungsämter als Empfänger regelmäßiger Datenübermittlungen verpflichtet , die Meldebehörde bei konkreten Anhaltspunkten zu Unrichtigkeiten der übermittelten Meldedaten zu informieren. Die Meldungen der Schulverwaltungsämter an die Meldebehörde werden konsequent durch den Ermittlungsdienst der Meldebehörde überprüft. Wenn festgestellt wird, dass Kinder und / oder ihre Angehörigen nicht wohnhaft sind, meldet die Meldebehörde sie von Amts wegen ab. Mit der Speicherung der Abmeldung im Melderegister erhält das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) eine entsprechende Datenübermittlung; die Datenbank des BZSt ist allen Finanzbehörden zugänglich. Die Familienkasse ist Finanzbehörde. Zusätzlich übermittelt die Stadt Duisburg der Familienkasse einmal monatlich abgemeldete Kinder. Daneben können sowohl die Familienkasse als auch die Sozialbehörden über das Meldeportal NRW den tagesaktuellen Meldestatus gemeldeter und ehemals gemeldeter Personen abfragen . Außerdem wird die Meldebehörde Duisburg regelmäßig bei Auffälligkeiten im Zusammenhang mit Meldebescheinigungen (Fälschungen) von der Familienkasse beteiligt. In 2018 konnte sie in mehr als 40 Fällen Fälschungen von Meldebescheinigungen feststellen, die meistens den gesamten Familienverband betrafen. 5. Liegen Stichproben der Angaben von Kindergeldbeziehern aus Duisburg vor? (Bitte benennen Sie die Anzahl der Überprüften und die geschätzte Schadenssumme der Stichproben) Die Gewährung von Kindergeld ist Bundesangelegenheit. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass Zahlen zu Missbrauchsfällen beim Bezug von Kindergeld nicht genannt werden können , da eine Statistik über Missbrauchsfälle beim Kindergeld nicht existiere. Erhoben werde lediglich die Zahl sämtlicher Zuleitungen an die Bußgeld- und Strafsachenstellen. Aus dieser Zahl könnten jedoch keine Rückschlüsse auf die Zahl der Straftaten und Ordnungswidrigkeiten oder die Erledigungsart gezogen werden, da auch Fälle enthalten sind, in denen sich ein Verdacht nicht bestätigt hat (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der AfD „Zahlung von Kindergeld an ausländische Kindergeldberechtige“ – Drucksache 19/1003 vom 20.03.2018). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3489 4 Der Landesregierung liegen dazu dementsprechend keine gesicherten Erkenntnisse über den Vollzug des Kindergeldes bzw. eine missbräuchliche Inanspruchnahme vor. (vgl. auch Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 427 „Leistungsmissbrauch beim Kindergeld“ LT-Drucksache 17/1305).