LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3496 30.08.2018 Datum des Originals: 28.08.2018/Ausgegeben: 04.09.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1308 vom 19. Juli 2018 der Abgeordneten Sigrid Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/3226 Wie ernst nimmt die Landesregierung die Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr und den Beutelsbacher Konsens? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage 2008 wurde zwischen der damaligen schwarz-gelben Landesregierung und dem Wehrbereichskommando der Bundeswehr ein Kooperationsabkommen geschlossen, das u.a. den Besuch von Jugendoffizieren in Schulen regelte. Gegen die damalige Fassung des Kooperationsabkommens gab es von verschiedener Seite Kritik: von Eltern- und Lehrerverbänden genauso wie von der LandesschülerInnenvertretung. Auch gab es Schulkonferenzbeschlüsse, das Kooperationsabkommen nicht umsetzen zu wollen. Ein Kritikpunkt war, dass das Abkommen nicht ausreichend den Beutelsbacher Konsens beachte, der in politischen Auseinandersetzungen zu Ausgewogenheit verpflichtet. Nach der Wahl 2010 hat Rot-Grün das Kooperationsabkommen neu verhandelt und 2012 in veränderter Form geschlossen. Dabei wurde explizit ausgeführt, dass „gemäß Beutelsbacher Konsens das Kontroversitätsgebot und das Überwältigungsverbot zwingend zu beachten“ sind. Entsprechend wurde auch festgeschrieben, dass Jugendoffiziere nicht für Tätigkeiten innerhalb der Bundeswehr werben dürfen. Entscheidend war der Hinweis, dass zu den politischen Diskussionen neben der Bundeswehr auch andere Sichtweisen zu Wort kommen sollen. So heißt es: „Jugendoffiziere der Bundeswehr können, wie auch Vertreterinnen und Vertreter anderer Institutionen sowie Organisationen der Friedensbewegung, im Rahmen von schulischen Veranstaltungen Schülerinnen und Schüler über die zur Friedenssicherung möglichen Instrumente der Politik und die Aufgabenstellung der Bundeswehr informieren.“ Den Lehrkräften kommt hier eine besondere Verantwortung zu: „Bei diesen Veranstaltungen sind die verantwortlichen Lehrkräfte zu jeder Zeit durchgehend anwesend und für den Unterricht verantwortlich. Sie stellen sicher, dass unterschiedliche Institutionen und Organisationen gleichberechtigt und gleichgewichtig einbezogen und berücksichtigt werden.“ Um eine Vertretung der meist ehrenamtlich arbeitenden Organisationen zu erleichtern, hat das Land im Anschluss an das Kooperationsabkommen 30.000 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3496 2 Euro im Landeshaushalt zur Verfügung gestellt für Fahrtkosten und Aufwandsentschädigungen . So bietet u.a. das Pädagogische Institut in Villigst der EKvW regelmäßig „Kurse zur Ausbildung für Friedensreferent*innen an Schulen“ an, die von Schulen eingeladen werden können. Nun stellt sich die Frage, wie die sich aus dem Beutelsbacher Konsens geforderte Ausgewogenheit in der Praxis der Schulen wiederspiegelt. Zwar wird dem Schulausschuss des Landtages regelmäßig ein "Jahresbericht zur Umsetzung der Kooperationsvereinbarung" vorgelegt. Allerdings umfasst er nur den Bericht der Bundeswehr und keine Einschätzung seitens der Landesregierung. Aus den letzten Berichten wird aber schon ersichtlich, dass es wohl immer noch keine gängige Praxis ist, dass neben der Bundeswehr auch Organisationen der Friedensbewegung eingeladen werden. In zahlreichen Schulen scheinen die Regeln nicht bekannt zu sein oder aus unterschiedlichen Gründen nicht konsequent Beachtung zu finden. Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 1308 mit Schreiben vom 28. August 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kultur und Wissenschaft beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Mit der Kooperationsvereinbarung zwischen dem Ministerium für Schule und Weiterbildung und dem Wehrbereichskommando ll der Bundeswehr wurde eine Jahrzehnte lange Tradition der Zusammenarbeit zwischen den Schulen und der Bundeswehr geregelt. In die Neufassung der Kooperationsvereinbarung wurden 2012 die Beachtung des Beutelsbacher Konsens sowie die gleichberechtigte und gleichgewichtige Einbeziehung der Vertreterinnen und Vertreter der Organisationen der Friedensbewegung aufgenommen. Sie ermöglicht den verantwortlichen Lehrkräften, die Vertreterinnen und Vertreter der Friedensbewegung und den Jugendoffizier unabhängig voneinander in den Unterricht einzuladen. Die verantwortliche Lehrkraft stellt grundsätzlich die Vorgaben des Beutelsbacher Konsenses sicher. Die Vertreterinnen und Vertreter der Organisationen der Friedensbewegung können eine pauschale Aufwandsentschädigung über die verantwortliche Lehrkraft bei der Bezirksregierung Münster beantragen. 1. Wie beurteilt die Landesregierung das Kontroversitätsgebot gemäß Beutelsbacher Konsens für schulische Veranstaltungen zur Friedenssicherung? Der Beutelsbacher Konsens ist eine wesentliche Grundlage für die politische Bildung in der Schule. Die Aufnahme dieses Konsenses hat erheblich zur Konkretisierung der Vereinbarung beigetragen. Schülerinnen und Schüler erhalten somit die Möglichkeit, sich aus verschiedenen Positionen mit Fragen der Friedenssicherung auseinanderzusetzen. Auf diese Weise werden sie in ihrer Urteilskompetenz gestärkt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3496 3 2. In wie vielen Fällen wurden bei schulischen Veranstaltungen zur Friedenssicherung neben der Bundeswehr auch Vertreterinnen bzw. Vertreter von Organisationen der Friedensbewegung eingeladen? 3. In wie vielen Fällen war bei schulischen Veranstaltungen zur Friedenssicherung nur die Bundeswehr vertreten? Fragen 2 und 3 werden im Zusammenhang beantwortet: Hierzu liegen weder dem Ministerium noch der Schulaufsicht Informationen vor. 4. Inwieweit werden die Schulleitungen seitens der Landesregierung über das Kooperationsabkommen und die Bedeutung des Beutelsbacher Konsens informiert? Die Kooperationsvereinbarung wurde in das Bildungsportal des Ministeriums für Schule und Bildung eingestellt. Sie ist somit für die Schulleitungen, Lehrkräfte und für Schülerinnen und Schüler sowie für Eltern und sonstige Interessierte jederzeit abrufbar. Insbesondere für die gesellschaftswissenschaftlichen Unterrichtsfächer ist die Intention, die dem Beutelsbacher Konsens zugrunde liegt, von zentraler Bedeutung und Kern des fachlichen Selbstverständnisses. Daher wird in den Vorgaben für den Unterricht sowie in Unterstützungsmaterialien des Landes darauf hingewiesen. 5. Wie wird in der Lehrerausbildung das Thema behandelt? Der Beutelsbacher Konsens ist seit den 1970er Jahren Bestandteil der Lehrerausbildung in Nordrhein-Westfalen.