LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/355 15.08.2017 Datum des Originals: 15.08.2017/Ausgegeben: 18.08.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 89 vom 13. Juli 2017 des Abgeordneten Andreas Keith AfD Drucksache 17/168 Gewalt gegen Feuerwehr-Kräfte während Löscharbeiten in Ratingen! Was will die neue Landesregierung gegen die anhaltenden Übergriffe unternehmen? Wortlaut der Kleinen Anfrage Die amtlichen und ehrenamtlichen Feuerwehr-Kräfte sind wertvolle und verzichtbare Rettungskräfte , die oft unter persönlicher Aufopferung für die Rettung von Menschen, Tieren und Sachwerten ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen. Für die Durchführung ihrer hoheitlichen Aufgaben brauchen sie die volle Unterstützung der Landesregierung. So wurde gestern in Ratingen die Feuerwehr zu einem Brandeinsatz in einem 14-stöckigen Hochhaus gerufen (http://www.presseportal.de/blaulicht/pm/70701/3677550). Eine Frau, die in der Etage über der Brandwohnung lebt und zwei weitere Bewohner, die sogar mehrere Stockwerke über dem Brandherd leben, erlitten leichte Rauchvergiftungen. Durch den professionellen Einsatz der Rettungskräfte in Ratingen konnte der Brand nach 5 Stunden unter Kontrolle gebracht. Glücklicherweise war die Fassadenkonstruktion nicht aus dem gleichen Dämmmaterial wie im Grenfell Tower in London. Doch leider werden die Rettungskräfte zunehmend bei Einsätzen verbal attackiert und körperlich angegriffen. Fernab der sachlichen Pressemitteilungen der Feuerwehren berichten zunehmend Zeitungen auch über die Übergriffe (www.express.de/duesseldorf/ratingen-unbekannteattackieren -feuerwehr-kraefte-waehrend-loescharbeiten-27922954). So haben Unbekannte am Ende des Einsatzes auf die erschöpften Feuerwehrleute ein Buch und eine Glasflasche von oben geworfen. Verletzt wurde zum Glück niemand. Der Innenminister hat die Kleine Anfrage 89 mit Schreiben vom 15. August 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung und dem Justizminister beantwortet . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/355 2 Vorbemerkung der Landesregierung Für die Landesregierung hat der Schutz der Einsatzkräfte im Rettungsdienst und bei den Feuerwehren hohe Priorität. Die Landesregierung unterstützt deshalb die kommunalen Dienstherren , ihre Beschäftigten besser auf konfliktträchtige Situationen vorzubereiten. In der Diskussion mit den kommunalen Dienstherren ist deutlich geworden, dass die zunehmende Gewalt gegen Einsatzkräfte vielschichtige Aspekte hat und keine monokausalen Erklärungen zulässt. Aggression und Gewalt sind hierbei ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, welches sich nicht isoliert betrachten lässt. Hiervon ist das berufliche Umfeld – und somit auch der Bereich Feuerwehr / Rettungsdienst – nicht ausgenommen. Ursachen von und Bedingungen für aggressives oder gewalttätiges Verhalten zu erkennen und zum Positiven zu verändern, ist eine Aufgabe, die nur unter Beteiligung aller gesellschaftlichen Gruppen und in einem langfristigen Prozess nachhaltig erreichbar ist. Das erfordert insbesondere eine sorgfältige Analyse der unterschiedlichen Einsatzsituationen, in denen Beschäftigte Gewalt erfahren, um hieraus gezielt Handlungsempfehlungen herzuleiten bzw. weiter zu entwickeln. Dazu ist - auch im Interesse der kommunalen Dienstherrn, die solche Maßnahmen im Rahmen der ihnen obliegenden Fürsorge für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter treffen müssen - eine methodisch belastbare quantitative und qualitative Erhebung von Art, Umfang und Ursachen der Gewalthandlungen gegen Einsatzkräfte erforderlich. 1. In wie vielen Fällen sind Rettungskräfte in Nordrhein-Westfalen seit 2012 während eines Einsatzes Opfer einer Straftat geworden? (Bitte jeweils nach Jahren getrennt auflisten.) Datenbasis für die Beantwortung der Frage ist die Polizeiliche Kriminalstatistik. Daten zu Straftaten und Opfern ergeben sich aus folgender Tabelle: Straftaten (insgesamt) zum Nachteil von Rettungsdiensten im Land NRW Jahr Feuerwehr Sonstige Rettungsdienste Anzahl Fälle Anzahl Opfer Anzahl Fälle Anzahl Opfer 2012 91 138 102 531 2013 94 123 121 151 2014 151 195 116 154 2015 158 228 140 184 2016 178 242 162 217 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/355 3 2. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus dem Vorfall in Ratingen? Die Landesregierung hat sich bereits in der Vergangenheit dem Thema der Vorbereitung von rettungsdienstlichen Einsatzkräften auf Konfliktsituationen gewidmet. Die Themen Deeskalation , Konfliktmanagement und Selbstverteidigung - auch verbaler Art - sind hiernach durch die Träger des Rettungsdienstes vertieft für die Fortbildungsveranstaltungen für Rettungsdienstmitarbeiterinnen und -mitarbeiter vorgesehen worden. Ebenfalls wird der Aspekt "Drogen /Suchtmittel" in den Fortbildungen verstärkt behandelt. Grundlage waren die Erkenntnisse einer durch den Lehrstuhl für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaften der Ruhruniversität Bochum durchgeführten wissenschaftlichen Studie zur Gewalt gegen Rettungskräfte in Nordrhein-Westfalen. Auch sind Deeskalation und Konfliktmanagement als Themenfelder Bestandteil der (neuen) Notfallsanitäterausbildung. Die Fortbildung von Mitgliedern der haupt- und ehrenamtlichen Angehörigen der Feuerwehren am Institut der Feuerwehr (IdF) wurde bereits im vergangenen Jahr durch Seminare zur Thematik „Gewalt gegen Einsatzkräfte“ intensiviert. Die Landesregierung lässt außerdem derzeit gemeinsam mit der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen und der komba-Gewerkschaft durch die Ruhr-Universität Bochum eine im Sinne der Vorbemerkung angelegte wissenschaftliche Studie durchführen, aus deren Ergebnissen quantitative und qualitative Aussagen über Art, Umfang und Ursachen der Gewalthandlungen gegen Einsatzkräfte getroffen und Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Verminderung des Gewaltphänomens entwickelt werden sollen. Basis der Studie ist eine breit angelegte Befragung von Einsatzkräften aus Rettungsdiensten und Feuerwehren, die konzeptionell und methodisch durch eine Arbeitsgruppe aus Experten der Auftraggeber sowie der kommunalen Spitzenverbände und des Verbandes der Feuerwehren begleitet wird. 3. Welche konkreten Maßnahmen plant die neue Landesregierung um Rettungskräfte in Nordrhein-Westfalen vor der ausufernden Gewalt gegenüber den Rettungskräften zu schützen? Straftaten gegen Vollstreckungsbeamte, Rettungs- und andere Einsatzkräfte werden konsequent aufgeklärt und unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an gebotener Strafverfolgung nachdrücklich verfolgt. Die am 30. Mai 2017 in Kraft getretenen strafrechtlichen Neuregelungen zum Schutz von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften geben der Justiz die Möglichkeit, derartige Delikte schärfer als bisher zu sanktionieren. 4. Wie beurteilt die neue Landesregierung die Verwendung von Dämmstoffen zur Wärmeisolierung in den Hochhäusern? In Nordrhein-Westfalen werden seit 1962 besondere Anforderungen an die Außenwände von Hochhäusern gestellt. Für Außenwände von Hochhäusern und deren Bekleidungen sind seit dem Inkrafttreten der ersten Landesbauordnung im Jahr 1962 grundsätzlich nichtbrennbare Baustoffe vorgeschrieben. Zwischen 1972 und dem Inkrafttreten der Hochhausverordnung im Jahr 1986 durften nichttragende Außenwände bzw. Außenwandbekleidungen unter engen Voraussetzungen ausnahmsweise aus normal- oder schwerentflammbaren Baustoffen hergestellt werden, wenn einer äußeren Brandausbreitung auf andere Weise vorgebeugt wurde (z. B. durch mindestens 1,50 m über die nichttragende Außenwand hinauskragende feuerbeständige Bauteile bzw. Außenwandbekleidungen mit einem allseitigen Abstand von Öffnungen von LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/355 4 mindestens 1,0 m).1 Seit 1986 müssen Außenwände von Hochhäusern in allen ihren Teilen aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen (diese Vorschrift ist seit 2009 in der Sonderbauverordnung enthalten). Sämtliche Hochhäuser unterliegen der Brandverhütungsschau der Gemeinde (§ 26 BHKG). Hochhäuser mit mehr als 60 m Höhe werden zusätzlich wiederkehrend durch die Bauaufsichtsbehörden geprüft (§ 10 PrüfVO NRW). 5. Welche Maßnahmen will die Landesregierung gegen die Gefahren von Hochhausbränden ergreifen? Hierzu verweise ich auf die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 51 der Abgeordneten Sarah Philipp und Jochen Ott der Fraktion der SPD „Die Landesregierung muss Farbe bekennen: Wie steht es mit dem Brandschutz bei Hochhäusern in NRW?“ (LT-Drucksache 17/278). 1 Die Ausnahmevoraussetzungen sind im Detail den Richtlinien für die Verwendung brennbarer Baustoffe im Hochbau v. 04.02.1972 zu entnehmen.