LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3551 06.09.2018 Datum des Originals: 05.09.2018/Ausgegeben: 11.09.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1346 vom 31. Juli 2018 des Abgeordneten Guido van den Berg SPD Drucksache 17/3311 Inwieweit schränkt die Hitzewelle die Stromversorgung ein? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die besonders heiße Wetterlage stellt die Stromproduktion aus Kraftwerken offenbar vor die Herausforderung, dass die Nutzung von Kühlwassern aus Flüssen zum Teil nur eingeschränkt möglich ist. Limitierend ist dabei für viele Atomkraft- und Steinkohlekraftwerke einerseits, dass insbesondere das verbrauchte Kühlwasser eine bestimmte Temperatur nicht überschreiten darf, wenn es zurück in die Flüsse geleitet wird. Andererseits ist mancherorts durch die hohe Lufttemperatur das eingesetzte Kühlwasser aus Flüssen für die Kühltürme der Kraftwerksblöcke zu warm und damit für die notwendige Kühlung unbrauchbar. Die Aachener Zeitung vom 27.07.2018 berichtet, dass in der vergangenen Woche beispielsweise das Atomkraftwerk Grundremmingen bei Günzburg an der Donau gedrosselt werden musste und auch das Steinkohlekraftwerk Bergkamen A seine Leistung um 150 Megawatt zurückfahren musste. Angaben der Zeitung Die Welt zufolge soll die Landesregierung Baden-Württemberg für das Großkraftwerk Mannheim beantragt haben, trotz einer möglichen Erwärmung des Rhein-Wassers auf über 28 Grad zumindest einen 900 Megawatt Leistung weiter am Netz lassen zu dürfen. Das dort von den Grünen geführte Umweltministerium wird zitiert: „Zur Erhaltung der Versorgungssicherheit des Landes und um Stromabschaltungen zu vermeiden, können für bestimmte Kraftwerke Ausnahmegenehmigungen zum Weiterbetrieb erteilt werden, wenn es die gewässerökologischen Randbedingungen zulassen.“ Nach Angaben der Bundesnetzagentur soll die Photovoltaik aktuell punktuell 30 bis 40 Prozent der Stromversorgung decken können; ihre gesicherte Leistung hingegen liegt bekanntlich bei 0 Prozent und auch sie leidet unter Leistungsverlusten bei hohen Temperaturen. Die Ausbeute der Windenergie sei in der Phase der Hitzewelle eher überschaubar. Zuverlässlich und weitgehend unabhängig von der Hitze würden hingegen die Braunkohlekraftwerke LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3551 2 funktionieren, da zu ihrer Kühlung Sümpfungswasser eingesetzt werde, das ganzjährig aus der Erde bei konstant 20 Grad gepumpt werde. Die Aachener Zeitung berichtet weiter, dass die Hitzewelle so auch die Strompreise steigen lasse. An der europäischen Energiebörse in Leipzig sei so der Preis für eine Megawattstunde seit Monatsbeginn von knapp 35 auf inzwischen fast 60 Euro angestiegen. Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 1346 mit Schreiben vom 5. September 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Hinsichtlich langanhaltender Hitze- oder Trockenperioden kommt der Kühlwasserversorgung in Kondensationskraftwerken (fossil gefeuerten konventionellen Kraftwerken sowie auch Kernkraftwerken) eine besondere Bedeutung zu. Sowohl die Wassertemperatur bei der Kühlwasserentnahme als auch die Wassertemperatur bei der Kühlwassereinleitung in ein Gewässer spielt dabei im Hinblick auf normative Grenzwerte eine wichtige Rolle, da diese nicht überschritten werden dürfen. Speziell bei Steinkohlekraftwerken ist darüber hinaus der Pegelstand von Flüssen und Kanälen von Bedeutung, soweit die Anlieferung der Kohle durch Schiffe erfolgt. Bei niedrigen Pegelständen aufgrund von langanhaltenden Hitze- oder Trockenperioden kann die Belieferung eines Steinkohlekraftwerks mit Brennstoff in Folge verminderter Transportkapazitäten eingeschränkt werden. Auch die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien kann durch die Hitze und den entsprechenden Wetterlagen beeinflusst werden. Die Solarstromerzeugung ist insbesondere von der Solareinstrahlung und deren Dauer abhängig. Hitzebedingt kann es zu einer Minderung der Leistung der Solarmodule kommen. Im Zusammenhang mit stabilen Hochdruckwetterlagen kann es zu Windflauten und damit verbundenen Rückgängen in der Windstromerzeugung kommen. 1. Welche Drosselungen von Kraftwerkskapazitäten gibt es in Nordrhein-Westfalen aufgrund der aktuellen Hitzewelle (bitte einzeln aufführen)? In diesem Sommer gab es nach hier vorliegenden Informationen bisher keine die Versorgungssicherheit gefährdenden Drosselungen von Kraftwerkskapazitäten in Nordrhein- Westfalen. Vereinzelt mussten Erzeugungseinheiten in ihrer Leistungseinspeisung zurückgefahren werden, da die zulässigen Grenztemperaturen des Kühlwassers bei der Entnahme bzw. der Einleitung erreicht waren. So wurde beispielsweise die Einspeiseleistung des Steinkohlekraftwerks Bergkamen an einem besonders warmen Tag Ende Juli 2018 halbiert. Dies war gleichermaßen für eine Erzeugungseinheit im Steinkohlekraftwerk in Duisburg Walsum festzustellen. Darüber hinaus gab es Einschränkungen im Kraftwerk Westfalen aufgrund von Minderungen in der Kohleanlieferung. Hitzebedingte Einschränkungen bei der Verstromung von Braunkohle traten in diesem Sommer nicht auf und sind aufgrund der in der Antwort zu Frage 4 dargestellten Zusammenhänge auch nicht zu erwarten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3551 3 Alle geplanten und ungeplanten Nichtbeanspruchbarkeiten von Erzeugungseinheiten können auf der Transparenzoberfläche der Strombörse EEX eingesehen werden (Meldepflicht für Einheiten > 100 MW). Die zugehörige Internetadresse lautet: https://www.eextransparency .com/startseite/strom/deutschland/produktion/verfuegbarkeit/nichtbeanspruchba rkeit-blockscharf/nichtbeanspruchbarkeit-historie 2. Welche Folgen hat die Hitzewelle für die Strompreisentwicklung? Der Strompreis wird von einer Vielzahl von Faktoren bestimmt. Am Spotmarkt der Strombörse EEX ist er seit Beginn der warmen Phase des Jahres Anfang Mai 2018 gestiegen, wobei eine Quantifizierung des Preisanstiegs aufgrund der Hitzeperiode nicht möglich ist. Die Auswirkungen der Spotmarktpreise auf die Endkundepreise aufgrund der Hitzeperiode können als vernachlässigbar angesehen werden, da der Großteil der Beschaffung bereits im Voraus am Terminmarkt erfolgt. Auf die Strompreise für Haushaltskunden hat die Hitzewelle keine erkennbaren Auswirkungen, da Haushaltskunden in der Regel fest vereinbarte Preise mit Vertragslaufzeiten von einem Jahr oder länger haben und hier keine kurzfristigen Anpassungen stattfinden. Der generelle Anstieg der Strompreise am Großhandelsmarkt seit Beginn des Jahres 2018 kann überwiegend auf gestiegene CO2-Preise sowie auf gestiegene Erdgas-, Steinkohle- und Mineralölpreise zurückgeführt werden. 3. Inwieweit können aktuell erneuerbare Energien die durch Hitze bedingte Drosselungen von Kraftwerkskapazitäten ausgleichen? Grundsätzlich haben Erneuerbare Energien nach dem Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz - EEG) einen sogenannten Einspeisevorrang in Deutschland und werden überwiegend nicht zur Deckung von Lastspitzen oder zum Ausgleich von ausgefallenen Kraftwerkskapazitäten eingesetzt. Nach aktuellen (vorläufigen, auf Hochrechnungen beruhenden) Angaben der „Energy Charts“ des Fraunhofer ISE betrug die Nettostromerzeugung aus Solarenergie im Juli 2018 6,7 TWh und hat mit einem Anteil von 15% bezogen auf die monatliche Erzeugung einen neuen Rekordwert erreicht. Die Windenergie trug mit 4,49 TWh (10,1%) zur Nettostromerzeugung bei. Mit dem Anteil der Biomasse von 7,6% und der Wasserkraft von 4,5% steuerten die Erneuerbaren Energien in diesem Zeitraum insgesamt 37,2% zur Nettostromerzeugung bei (Werte jeweils bundesweit). Genaue Daten für die Jahreserzeugung stehen immer erst Ende September des Folgejahres zur Verfügung. Unabhängig von der Gesamtstromerzeugung sind Solar- und Windenergieanlagen aufgrund ihrer fluktuierenden Einspeisung generell nur in sehr geringem Umfang in der Lage, zur gesicherten Leistung und damit zur Versorgungssicherheit beizutragen solange keine ausreichenden Speicherkapazitäten zur Verfügung stehen. 4. Wie beurteilt die Landesregierung die Versorgungsleistung des Energieträgers Braunkohle in länger anhaltenden Hitze-Wetterlagen? Ein grundsätzlicher Unterschied beim Betrieb von Braunkohlekraftwerken gegenüber Kondensationskraftwerken auf Basis von Steinkohle oder Erdgas ist, dass die Kühlwasserversorgung über Sümpfungswasser (Grundwasser) erfolgt. Dies wird kontinuierlich zur Trockenhaltung der Tagebaue gehoben und besitzt ein konstanteres und niedrigeres LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3551 4 Temperaturniveau als das Wasser in Flüssen oder Kanälen. Darüber hinaus erfolgt die Brennstoffversorgung direkt über Bandanlagen oder Eisenbahnen aus den benachbarten Tagebauen. Der Betrieb von Braunkohlekraftwerken ist somit unabhängig von niedrigen Pegelständen in Flüssen oder Kanälen. Daher werden auch keine bedeutenden Einschränkungen in der Braunkohleverstromung aufgrund der Hitze oder Trockenheit erwartet. Die Entwicklung in diesem Jahr bestätigt dies. 5. Inwieweit ist die Bedeutung von gesicherten Kraftwerksleistungen bei Hitzewellen Thema in der aktuellen energiewirtschaftlichen Planung bzw. in der Kommission für „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ der Bundesregierung? Die jederzeitige Bereitstellung gesicherter Kraftwerksleistung ist ein besonderes Anliegen der Landesregierung. Dementsprechend ist dieses Thema in die Diskussionen der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ prominent eingebracht worden.