LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3566 10.09.2018 Datum des Originals: 07.09.2018/Ausgegeben: 13.09.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1360 vom 7. August 2018 der Abgeordneten Dr. Nadja Büteführ SPD Drucksache 17/3370 Wie steht die Landesregierung zu der fraktionsübergreifend einstimmig beschlossenen Bekämpfung der Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach Aussagen der Deutschen Diabetesgesellschaft sowie der Deutschen Diabetes Hilfe und Elterninitiativen fehlt es derzeit an ausreichend Personal, das im Umgang mit an Diabetes mellitus Typ-1 erkrankten Kindern sowie der Blutzuckerkontrolle und Insulingabe geschult ist. In der Konsequenz sind die Kinder und Jugendlichen oftmals an der Teilnahme an schulischen Veranstaltungen und somit an der Teilhabe am schulischen Alltag gehindert. Der Landtag hat in der vorangegangenen Legislaturperiode nach ausführlicher Diskussion im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales den gemeinsamen Entschließungsantrag der Fraktionen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP „Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes oder anderen chronischen Erkrankungen verhindern und Teilhabe durch Aufklärung und Schulungen verbessern!“ (Drucksache 16/8630) einstimmig beschlossen. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 1360 mit Schreiben vom 7. September 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, dem Minister für Finanzen sowie der Ministerin für Schule und Bildung beantwortet. 1. Hält die Landesregierung an der Umsetzung der gefassten Beschlüsse fest? Ja. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3566 2 2. Falls ja, sind in Schulen und Kitas bereits Sensibilisierungs- und Schulungsmaßnahmen umgesetzt? 3. Falls nicht, ist abzusehen, wann damit begonnen wird? Die Fragen 2 und 3 werden wegen ihres Sinnzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die 2011 von den beiden Landschaftsverbänden zu Aufklärungs- bzw. Sensibilisierungszwecken entwickelte Orientierungshilfe zum Thema „Medikamentenabgabe in Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege“ wird zurzeit umfassend überarbeitet. Die neue Arbeitshilfe soll noch in diesem Jahr veröffentlicht werden. In der Regel werden in der Kita weiterhin verantwortbare, individuelle Vorgehensweisen bei der Begleitung und Betreuung von Kindern mit Diabetes von pädagogischen Fachkräften im Einvernehmen mit den Eltern und dem behandelnden Arzt gefunden, um den Interessen aller Beteiligten gerecht zu werden. Eltern, Schulleitungen und Lehrkräften bietet das Ministerium für Schule und Bildung diverse Hilfen zum Umgang mit chronischen Krankheiten an, darunter auch Diabetes. Diese sind in das Bildungsportal der Landesregierung durch Verlinkung aufgenommen; die Materialien stehen zum Teil in der Verantwortung Dritter: https://www.schulministerium.nrw.de/docs/Recht/Schulgesundheitsrecht/Chronische- Erkrankungen-und-Diabetes/index.html Im Einzelnen handelt es sich um Folgendes: • Die Handreichung "Medikamentengabe durch Lehrerinnen und Lehrer" ist eine Empfehlung für die Schulen, greift die geltende Rechtslage auf und soll insbesondere Lehrkräfte, Schulleitungen sowie Schulaufsichtsbehörden unterstützen und sensibilisieren. • Liste der kinderdiabetologischen Schwerpunktkliniken mit Adressen, Ansprechpersonen und deren Kontaktdaten, in Zusammenarbeit mit den Ärztekammern, • Informationen zu Diabetes bei Schülerinnen und Schülern der Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Diabetologie e.V. zu folgenden Themen: Diabetesbehandlung, Ernährung, Sport, Schulausflüge und Schulfahrten, Mitschülerinnen/-schüler, Informationsmöglichkeiten für Lehrkräfte, Unterstützung durch Lehrkräfte, • Informationen zu Diabetes bei Schülerinnen und Schülern (Diabetiker-Ratgeber, Wort & Bild Verlag Konradshöhe GmbH & Co. KG). Die „Fortbildungssuchmaschine“ im Bildungsportal https://suche.lehrerfortbildung.schulministerium.nrw.de/ search/start enthält zurzeit u.a. folgende Veranstaltungen: • „Diabetes bei Kindern und Jugendlichen“. Diese richtet sich an Lehrkräfte und Sporttrainer, die auch Gelegenheit haben, Fragen zum Thema "Diabetes im Alltag des Kindes" zu stellen. • „Enzymatische Bestimmung von Glucose mit den Enzymen Glucoseoxidase und Peroxidase“ als eine deutlich fachlich geprägte Veranstaltung für Lehrkräfte für Biologie/Chemie in der Sekundarstufe II. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3566 3 Ebenfalls im Bildungsportal können folgende Broschüren eingesehen, heruntergeladen und bestellt werden: • „Suchtprävention in der Grundschule“ mit allgemeinen Informationen u.a. zur Diabetes, • „Chronische Erkrankungen als Problem und Thema in Schule und Unterricht“ für Lehrkräfte an Grundschulen und in der Sekundarstufe I, Informationen über chronische Erkrankungen und Vorschläge zum Umgang mit chronisch kranken Kindern und Jugendlichen in der Schule u.a. mit Ausführungen zur psychosozialen Situation betroffener Kinder. Auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Informationen arbeiten die Schulen eng mit der unteren und oberen Schulaufsicht zusammen und stimmen sich soweit erforderlich mit den Gesundheitsämtern ab. In der Antwort auf die Kleine Anfrage 1245 (Drucksache 16/3347) hatte die Landesregierung dargestellt, inwieweit das Thema Diabetes in den Lehrplänen für die Schulen aufgegriffen wird. Diese Angaben zu Lehrplänen und Kernlehrplänen gelten unverändert fort. Inzwischen gibt es weitere curriculare Vorgaben: • Wahlpflichtfach Biologie an Realschulen, 2015: Im Inhaltsfeld „Information und Regulation“ folgende Kompetenzerwartung: Schülerinnen und Schüler „können Diagnose und Behandlung einer durch Hormondrüsenüberfunktion oder – unterfunktion bedingten Krankheit (u.a. Diabetes mellitus) erläutern.“ • Rahmenvorgabe Verbraucherbildung an Schule – in der Primarstufe und Sekundarstufe I: Anknüpfungspunkte für eine Auseinandersetzung mit Diabetes finden sich u.a. im „Inhaltsbereich B – Ernährung und Gesundheit“ in den Aspekten „Gesundheitsförderliche und nachhaltige Lebensführung und Ernährung“, „Geschmacksbildung und Esskulturen“, „Nahrungsproduktion und –zubereitung“, „Lebensmittelkennzeichnung“. Im Sinne eines Beitrags zur „gesunden Lebensführung“, zu „gesundheitsförderlichen Verhaltensweisen“ oder der „Prävention“ und Auseinandersetzung mit Essbiographien und Lebens-stilen ist als Kompetenzerwartung u.a. die Identifikation und Analyse gesundheitlicher Auswirkungen von Konsumentscheidungen formuliert. Kinderdiabetologische Teams haben die Möglichkeit, auf der Fortbildungsplattform des Ministeriums für Schule und Bildung ihre Angebote einzustellen. Hier handelt es sich im Wesentlichen um Schulungen zur Diabetologie, die in der Schule für die Lehrkräfte und ggf. auch die betreffenden Schulklassen durchgeführt werden. Schulen können im Rahmen des ihnen zur Verfügung stehenden Fortbildungsbudgets solche Angebote buchen. Die Landesregierung wird im Übrigen im Rahmen ihrer Möglichkeiten die in den Einrichtungen tätigen Beschäftigten sensibilisieren, die angebotenen Schulungen wahrzunehmen. Zur Frage der Berücksichtigung von Diabetes und anderen chronischen Erkrankungen in den Lehrplänen der Erste-Hilfe-Ausbildung (s. Ziff. IV 5. des Entschließungsantrags) hat das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales im Oktober 2015 mit der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen (UK NRW) Kontakt aufgenommen. Nach Mitteilung der UK NRW ist das Thema „Diabetes und andere chronische Erkrankungen“ in den Curricula für Lehrpersonal nicht verpflichtend berücksichtigt, kann aber im Rahmen der Fortbildung von Ersthelferinnen und Ersthelfern im schulischen Bereich und in der Erste-Hilfe-Aus- und Fortbildung in LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3566 4 Kindertageseinrichtungen und in der Kindertagespflege in anderen Kontexten als optionales Thema abgehandelt werden. 4. Welche Unterstützung der Landesregierung bei der Finanzierung des Einsatzes qualifizierter Fachkräfte zur Durchführung von Schulungsmaßnahmen ist angedacht? Schulungsmaßnahmen über den richtigen Umgang mit chronisch erkrankten Kindern und Jugendlichen für das Personal von Kindertageseinrichtungen oder Schulen sieht der gesetzlich vorgeschriebene Leistungskatalog des SGB V nicht vor. Da es sich bei einem z.B. an Diabetes erkrankten Kind wegen der chronischen Erkrankung um ein von Behinderung bedrohtes Kind i.S. des § 2 SGB IX handelt, können grundsätzlich Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe in Betracht kommen. Die Landesregierung hat sich 2016 im Rahmen der Beratung zum „Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG)“ mit der Mehrheit der anderen Länder für die Schaffung einer gesetzlichen Regelung ausgesprochen, die einen eindeutig zuständigen Kostenträger für den über Blutzuckermessung und Insulinabgabe hinaus entstehenden Aufwand für Kinder mit Diabetes- Typ-1 in Kindertageseinrichtungen, Schulen und Horte bestimmt. Die Bundesregierung hat eine solche Regelung mit Hinweis auf die geltende Rechtslage, wonach Sozialleistungsträger zur zügigen Klärung der Zuständigkeiten untereinander verpflichtet sind, und die seinerzeit beabsichtigte – und inzwischen verankerte - Koordinierungsverpflichtung im Bundesteilhabegesetz abgelehnt. Die Landesregierung wird sich für eine Umsetzung der geltenden Regelungen im Interesse der betroffenen Kinder einsetzen. 5. Mit welchem Ergebnis hat sich die Landesregierung in der Landesgesundheitskonferenz NRW für die Befassung mit der Thematik „Gesundheitsförderung zur frühen Prävention von Diabetes“ eingesetzt bzw. selbige in geeignete Landesinitiativen eingebracht? Die 24. Landesgesundheitskonferenz (LGK) hat mit ihrer Entschließung im Jahr 2015 "Gesundheitsversorgung umfassend verbessern: Selbstbestimmung von Patientinnen und Patienten stärken“ auch die Belange von Kindern mit Diabetes mellitus und anderen chronischen Erkrankungen in den Blick genommen und empfohlen, vorhandene Unterstützungs- und Beratungsangebote für Familien und Bezugspersonen (z.B. Lehrkräfte) von Kindern und Jugendlichen mit komplexen chronischen Krankheiten weiter zu entwickeln und durch die Mitglieder der LGK verstärkt publik zu machen. Die Entwicklung von geeigneten Maßnahmen der „Gesundheitsförderung zur frühen Prävention“ wird auch Aufgabe der von der 26. Landesgesundheitskonferenz (November 2017) beschlossenen „Landesinitiative Gesundheitsförderung und Prävention“ in Fortschreibung des Landespräventionskonzeptes sein.