LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3680 17.09.2018 Datum des Originals: 14.09.2018/Ausgegeben: 20.09.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1364 vom 7. August 2018 des Abgeordneten Guido van den Berg SPD Drucksache 17/3391 Hat ein schneller Braunkohlenausstieg wirklich kaum Arbeitsplatzauswirkungen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Wie schon im Rahmen der „Jamaika-Sondierungsgespräche“ von CDU, CSU, Grünen und FDP, bei denen Ende 2017 eine Stilllegung von 7 Gigawatt Kohlekraftwerken zur Disposition standen, wird auch aktuell im Rahmen der Kohlekommission durch Studien des Umweltbundesamtes und der Agora Energiewende versucht, einen Sofort-Ausstieg als harmlos darzustellen. So erklärt das Öko-Institut aktuell, dass ein Kohleausstieg „weniger Auswirkungen aus die Arbeitsplätze in der Braunkohleindustrie als befürchtet“ habe. Es wird behauptet, dass kaum betriebsbedingte Kündigungen nötig seien. Im Jahr 2030 seien insgesamt nur noch 8.000 Beschäftigte in der Förderung von Braunkohle und der Stromerzeugung beschäftigt. Und der Arbeitsplatzabbau sei verträglich, da bis 2030 etwa zwei Drittel der Beschäftigten in den Ruhestand gehen würden und man schließlich weitere Arbeitsplätze für die Übergangszeit in der Rekultivierung der Tagebaue schaffen könne – so die Arbeitsmarktexperten des Öko-Instituts. Hingegen haben die Industrie- und Handelskammern (IHKen) Aachen, Köln und Mittlerer Niederrhein in einer Studie von Frontier Economics und Economic Trends Research gezeigt, dass 93.000 Menschen in energieintensiv produzierenden Unternehmen auf verlässliche Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen angewiesen sind. Durch Multiplikatoren- Wirkungen wird gezeigt, dass bundesweit 325.000 Menschen durch die Aktivitäten der energieintensiven Unternehmen bzw. deren ausgelöste Wertschöpfung betroffen sind. Im Gegensatz zu den Voraussagen des Öko-Institut ist die Studie von Frontier Economics und Economic Trends Research eine reine Bestandsaufnahme und enthält keinerlei Aussagen auf Basis von Simulationen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3680 2 Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 1364 mit Schreiben vom 14. September 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales und der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutzbeantwortet. 1. Wie schätzt die Landesregierung die volkswirtschaftlichen Beschäftigungswirkungen eines raschen Ausstiegs aus der Braunkohleindustrie ein, die das Öko-Institut ohne irgendwelche Folgen auf energie- und arbeitsplatzintensiven Industrien angenommen hat? Die Landesregierung geht davon aus, dass die schrittweise Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung Beschäftigungs- und Wertschöpfungsverluste in den betroffenen Regionen verursachen wird und dass dies in Abhängigkeit von dem durch die WSB-Kommission noch zu beratenden Zeitplan auch zu Strukturbrüchen führen könnte. Um die Dimension dieser Problematik einzuschätzen, beabsichtigt das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, diese Effekte quantifizieren zu lassen. 2. Wir beurteilt die Landesregierung, den vom Öko-Institut angenommenen kompletten Verzicht auf Neueinstellungen sowie Beschäftigungsausgleich in der Rekultivierung für die verbleibenden Betriebszeiträume der Tagebaue und Kraftwerke? Derartige betriebsinterne Organisationsfragen zum Personaleinsatz können im Wesentlichen nur durch das bergbautreibende Unternehmen selbst beantwortet werden. RWE führt dazu aus, dass es Stellen gebe, die nach der Verrentung von Beschäftigten zwingend neu besetzt werden müssen, um den Tagebau und Kraftwerksbetrieb aufrecht zu erhalten und zum Erhalt von betriebswirtschaftlichem Know-how kontinuierliche Ausbildung und Wissenstransfer an junge Beschäftigte unerlässlich sei. Darüber hinaus sei die Rekultivierung heute schon ein paralleler Prozess, der daher auch künftig kein zusätzliches Personal benötige. Weitergehende Erkenntnisse zu den Beschäftigungseffekten von Tagebaufolge- und Rekultivierungsmaßnahmen werden im Rahmen der oben erwähnten Szenario-Berechnung erwartet. 3. Von welchem Strompreis-Anstieg wäre auszugehen, wenn man Szenarien des Öko-Instituts für Stilllegung von Kohlekapazitäten ausgehen würde? Die genannte Studie des Öko-Instituts untersucht die Beschäftigungsentwicklung in der Braunkohleindustrie. Die Effekte eines (Braun-)Kohleausstiegs auf den Strompreis werden nicht betrachtet und stehen in Abhängigkeit von weiteren zusätzlichen Einflussfaktoren. Die zukünftige Entwicklung des (Großhandels-)Strompreises hängt grundsätzlich u.a. von der Entwicklung des deutschen und europäischen konventionellen Kraftwerksparks, der Entwicklung der Brennstoffpreise, der Entwicklung der CO2-Zertifikatepreise, dem Ausbau der erneuerbaren Energien und der Entwicklung der Stromnachfrage ab. Ob und ggf. in welcher Höhe es zukünftig vor diesem Hintergrund zu einem Anstieg des Strompreises speziell in Bezug auf die vom Ökoinstitut dargestellten Annahmen kommen könnte, lässt sich auf Grundlage der vorliegenden Informationen nicht verlässlich prognostizieren. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3680 3 4. Inwieweit sind die von den IHKen durch die Studie von Frontier Economics und Economic Trends Research dargestellten Bestandsaufnahmen der Beschäftigungswirkungen Grundlage etwaiger weiterer Szenarien-Bewertungen durch die Landesregierung? In der Leistungsbeschreibung zu dem oben genannten Auftrag ist festgehalten, dass die Untersuchung von frontier economics „Die Bedeutung des Wertschöpfungsfaktors Energie in den Regionen Aachen, Köln und Mittlerer Niederrhein“ für das Ausstiegsszenario zu berücksichtigen ist. 5. Wie wird die Landesregierung den Landtag über die Ergebnisse des „Beratungsvertrags, ´Beschäftigungs- und Wertschöpfungsverluste aufgrund einer vorzeitigen Beendigung der Kohleverstromung´ zur Unterstützung der Positionierung des MWIDE im Hinblick auf die Kohlemission informieren? Der Beratungsvertrag soll insbesondere dazu dienen, die Landesregierung bei den Verhandlungen in der WSB-Kommission zu unterstützen und die zu erwartenden Beschäftigungs- und Wertschöpfungsverluste in Abhängigkeit von dem durch die WSB- Kommission noch zu beratenden Zeitplan für einen Kohleausstieg zu quantifizieren. Insofern ist aktuell noch nicht absehbar, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form eine Information des Landtages über die Ergebnisse des Beratungsvertrages erfolgen kann.