LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3720 21.09.2018 Datum des Originals: 21.09.2018/Ausgegeben: 27.09.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1394 vom 28. August 2018 des Abgeordneten Norwich Rüße BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/3490 Wie unterstützt die Landesregierung den Umbau der nordrhein-westfälischen Schweinhaltung? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Unser Bundesland Nordrhein-Westfalen ist ein regionaler Schwerpunkt der Nutztierhaltung in Deutschland. Milchvieh, Mastrinder, Legehennen und Mastgeflügel werden bei uns gehalten. Insbesondere aber stellt die Schweinehaltung einen Schwerpunkt der nordrhein-westfälischen Tierhaltung dar. Angesichts sich verändernder rechtlicher Rahmenbedingungen sowie neuer Ansprüche der Verbraucherinnen und Verbraucher steht gerade die Schweinehaltung vor erheblichen Veränderungen. Dies gilt insbesondere bei der Einführung einer gesetzlichen Fleischkennzeichnung, die teilweise einen erheblichen Umbau der vorhandenen Ställe sowie die Entwicklung neuer Stallbaukonzepte zur Folge haben wird. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, das veränderte Wissen über die Ansprüche einer tiergerechten Haltung den Bäuerinnen und Bauern zur Verfügung zu stellen, d.h. z.B. Beratung, Informationsaustausch und Schulung deutlich zu intensivieren. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die landwirtschaftlichen Betriebe einen solchen Veränderungsprozess dann bewältigen können, wenn Lösungswege und Unterstützung angeboten werden. Zudem gilt es durch gezielte Unterstützungsangebote zu verhindern, dass der anstehende Umbau der Tierhaltung zu weiteren Strukturbrüchen zulasten kleinerer Betriebe führt. Mit Blick auf die Veränderungen in der Tierhaltung ist ein wichtiger Punkt für unsere Bäuerinnen und Bauern, dass sie sich modellhafte Lösungen in ihrer Nähe anschauen können, um dann anhand solcher Anregungen auf ihren eigenen Betrieben Veränderungen durchzuführen. Erst das eigene Erleben neuer Haltungsformen führt dazu, dass ein Bewusstsein dafür entsteht, das eine tiergerechtere Schweinehaltung möglich und auch auf dem eigenen Betrieb umsetzbar ist. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3720 2 Um Anregungen für ihre Tierhaltung zu bekommen sind interessierte Tierhalterinnen und Tierhalter leider bislang darauf angewiesen, sich entsprechende Versuchs- und Modellställe in der Schweiz und Österreich, sowie in der baden-württembergischen Landesanstalt Boxberg anzuschauen. Die weite Entfernung führt dazu, dass der Wissenstransfer in die nordrheinwestfälische Schweinehaltung bislang nicht in dem notwendigen Ausmaß stattfinden kann. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1394 mit Schreiben vom 21. September 2018 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Welche Veränderungen in der nordrhein-westfälischen Schweinehaltung sind aus Sicht der Landesregierung notwendig, um die gewachsenen Ansprüche an eine artgerechte Tierhaltung zu erfüllen (z.B. freies Abferkeln, größeres Platzangebot, Außenklimazugang, Haltung auf Stroh, mehr Beschäftigungsmaterial etc.)? In der Schweinehaltung stehen aus Sicht des Tierschutzes derzeit wichtige Änderungen an, die unmittelbar dem Tierwohl dienen. Bund und Länder haben sich u.a. darauf verständigt, dass im Deckzentrum die Fixierung der Sauen künftig für die Dauer von nur noch höchstens 8 Tagen bis zum Ende der Rausche begrenzt wird und zudem die Kastenstände neu bemessen werden. Ein Verordnungsvorschlag durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ist in Vorbereitung. Im Abferkelbereich bevorzugt die Landesregierung das Konzept der „Bewegungsbucht“, das allenfalls eine sehr kurzfristige Fixierung der Sau um den Geburtstermin zulässt, um ein Erdrücken von neugeborenen Ferkeln zu verhindern. Nach diesem kurzzeitigen Fixieren können sich Ferkel und Sau in der Bucht ungehindert bewegen. Förderprogramme sind hierauf entsprechend abzustimmen. Die Landesregierung unterstützt die Einführung eines bundesweit geltenden Tierwohlkennzeichens, das auch die Einbeziehung von Außenklimareizen vorsieht. Das staatliche Tierwohlkennzeichen bietet eine gute Grundlage dafür, dass die mit der Erfüllung der Kriterien verbundenen höheren Aufwendungen letztlich am Markt kompensiert werden können. 2. Wie hoch schätzt die Landesregierung den Investitionsbedarf ein, um die zu Frage 1 beschriebenen Veränderungen in der nordrhein-westfälischen Schweinehaltung umzusetzen? Da der Anpassungsbedarf auf den Betrieben indiviuell sehr verschieden ist und sich die Kriterien für eine tierwohlgerechte Schweinehaltung im Detail noch in der Erarbeitung befinden, ist eine Aussage zum Investitionsbedarf nicht möglich. Einen Anhaltspunkt gibt aber das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolititk beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“. Danach wurden die Mehrkosten der Umsetzung von Maßnahmen zur Verbesserung des Tierschutzes für die Tierhaltung auf jährlich 3 bis 5 Mrd. EUR geschätzt. Für die Schweinehaltung werden veschiedene Untersuchungen zitiert, die von Kostensteigerung in einer Spanne zwischen 28 bis 41 % ausgehen. Entscheidend für mögliche Investitionen sind verlässliche Rahmenbedingungen, die über die Zeit auch einen bewertbaren Planungsrahmen vorgehen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3720 3 3. Welche Möglichkeiten haben Bäuerinnen und Bauern, um sich praxisnah und an konkret umgesetzten Beispielen über besonders tiergerechte Haltungsformen (freies Abferkeln, Haltung auf Stroh, Auslaufgestaltung usw.) in Nordrhein- Westfalen zu informieren? Im Versuchs- und Bildungszentrum Landwirtschaft Haus Düsse (VBZL) der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (LWK NRW) werden verschiedene Varianten für besonders tiergerechte Haltungsformen im Bereich der Schweinehaltung, darunter auch ein Schweinestall nach der EU-Ökoverordnung, getestet und gezeigt. Die Erfahrungen aus diesen Haltungsverfahren werden entsprechend veröffentlicht und über die Beratung der LWK NRW in die Praxis transferiert. Dies erfolgt im Rahmen von Veranstaltungen, Betriebsrundgängen vor Ort, der überbertrieblichen Ausbildung sowie durch das Vorstellen der Ergebnisse in Form von Vorträgen und Artikeln in der Fachpresse. Aktuell fand Anfang September ein Beratungstag zur Schweinehaltung mit den Schwerpunkten Raufuttergabe, Beschäftigungsmaterial und Einstreu statt, bei denen auch verschiedene Firmen ihre Lösungen vorstellten und Führungen angeboten wurden. Darüber hinaus geht die Landesregierung davon aus, dass sich die Bäuerinnen und Bauern auch untereinander austauschen und sich über Praxiserfahrungen mit Änderungen der Schweinehaltung zu mehr Tiergerechtheit, z.B. bei Tagen der offenen Tür oder in Arbeitskreisen informieren. Erkenntnisquellen hierzu können u.a. Betriebe sein, die eine Förderung für „Haltungsverfahren auf Stroh“ erhalten, am NRW-Ringelschwanzprojekt teilgenommen haben, sich an der Initative Tierwohl beteiligen oder Tiere gemäß der EU- Ökoverordnung halten. Im Rahmen der gemeinsamen Informations- und Beratungsangebote der Landwirtschaftskammer und der ökologischen Anbauverbände Landbau werden regelmäßig Veranstaltungen zur ökologischen Tierhaltung durchgeführt, z.B. jährlich ein oder mehrere „Umstellertage Schweinehaltung“. Die Veranstaltungen stehen allen Interessenten offen, die sich über besonders tiergerechte Haltungsformen informieren möchten. Über den Kontakt zu den Betrieben, die sich im Rahmen des Projektes „Ökologische Leitbetriebe NRW“ und dem bundesweiten Projekt „Demonstrationsbetriebe Ökologischer Landbau“ beteiligen, und zu vielen weiteren Praxisbetrieben können darüberhinaus bei Interesse Betriebsbesuche vermittelt werden. 4. Ist es für Bäuerinnen und Bauern, die einen Umbau ihrer Tierhaltung beabsichtigen, aktuell möglich sich auf Haus Düsse umfassend über Stallbaukonzepte (insbesondere zum freien Abferkeln) zu informieren, indem sie hier eine Umsetzung in der Praxis besichtigen? Aktuell sind mehrere Abferkelbuchten im VBZL zur Durchführung der freien Abferkelung eingerichtet. Interessierte Besucher können sich diese vor Ort ansehen und sich über die dort gemachten Erfahrungen informieren. Die Praxiserprobung dieser Varianten wird fortgesetzt. Im Rahmen des letzten Beratungstages zur Schweinehaltung standen neben der Schweinemast insbesondere auch die Bereiche Ferkelerzeugung und Ferkelaufzucht im Fokus. Neben der Möglichkeit, sich verschiedene Verfahren in der Praxis anzusehen, wurden auch Einzelberatungen angeboten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3720 4 5. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, die für den oben beschriebenen Umbau der Schweinehaltung benötigten Praxisbeispiele und Informationen den Schweinehalterinnen und –haltern in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung zu stellen? Bitte auch Weiterentwicklung der beiden Zentren für Versuche, Aus- und Weiterbildung der Landwirtschaftskammer NRW benennen. Die Landesregierung verfolgt das Ziel, die Tierhalterinnen und Tierhalter bei der Neuausrichtung und Weiterentwicklung der Tierhaltung umfassend zu unterstützen. Hierzu wurde die Projektgruppe „Nutztierhaltungsstrategie“ eingerichtet, die u.a. Lösungen für Konflikte zwischen den Anforderungen des Tierwohls, des Umweltschutzes und der Ökonomie erarbeitet und in die Praxis trägt. In diesem Rahmen sollen auch Projekte und Initiativen unterstützt werden, die zur Entwicklung und Einführung von zukunftsfähigen Haltungsverfahren als „Stall der Zukunft“ beitragen. Zu den beschriebenen Aktivitäten steht die Landesregierung im engen Austausch u.a. mit der LWK NRW, als Schnittstelle in die Praxis. Über Landesinititiativen werden Projekte, die sich mit alternativen Haltungsverfahren sowie deren Umsetzung in der Praxis beschäftigen, gefördert. Mit diesen Landesinitativen wird grundsätzlich das VBZL in die Lage versetzt, weiter entwickelte Haltungssysteme im Rahmen der bestehenden Bauhüllen zeitnah und praxisorientiert zu installieren, zu erproben und im Rahmen der Aus- und Weiterbildung zu schulen. Aktuell ist der Umbau einer Stalleinheit für Mastschweine mit eingestreutem und überdachtem Auslauf in Planung, um ein Praxisbeispiel für die Umsetzung an die Tierwohlanforderung nach Außenklimakontakt zu realisieren.