LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3723 24.09.2018 Datum des Originals: 17.09.2018/Ausgegeben: 27.09.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1388 vom 23. August 2018 der Abgeordneten Wibke Brems BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/3479 Wie konnte ein Mitarbeiter Waffen in die Urananreicherungsanlage Gronau bringen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Laut Bericht der Westfälischen Nachrichten vom 17.08.2018 sind in der Urananreicherungsanlage Gronau im Spind eines Mitarbeiters Waffenteile entdeckt worden. Bei der Durchsuchung der Privatwohnung des Mitarbeiters wurden weitere Waffen und Chemikalien sichergestellt. In der Urananreicherungsanlage in Gronau wird Uranhexafluorid für die Herstellung von Brennelementen für Atomkraftwerke, primär im Ausland, angereichert. Auch wenn das Material für den Bau von Atomwaffen noch weiter angereichert werden müsste, so ist es doch gefährlich für Mensch und Umwelt, neben der radioaktiven Strahlung beispielsweise wenn es mit Wasser in Berührung kommt und starke Säuren bildet. Es handelt sich also um eine unter Sicherheitsaspekten äußerst kritische Anlage und eine damit einhergehend große Verantwortung der Betreiberin Urenco Deutschland GmbH dafür zu sorgen, dass weder unbefugte Personen noch unerlaubte Gegenstände auf das Gelände gelangen noch Material vom Betriebsgelände gestohlen wird. Es ist daher mehr als bedenklich, dass die fragwürdige Haltung des Mitarbeiters zu Waffen, bei Sicherheitsüberprüfungen ebenso unentdeckt blieb, wie das Mitbringen der Waffen auf das Betriebsgelände. Hier scheinen eklatante Mängel in der Sicherheitsarchitektur des Standortes vorzuliegen, die genauestens untersucht und schnellstmöglich behoben werden müssen. Als atomrechtliche Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde ist das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie dafür zuständig, die Betreiberinnen der atomwirtschaftlichen Anlagen im Land zu einem sicheren Betrieb zu verpflichten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3723 2 Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 1388 mit Schreiben vom 17. September 2018 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie stellt sich der Sachverhalt im Detail dar? Nach vorliegenden Informationen der Betreiberin gegenüber der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde wurden in der Nacht vom 12.08.2018 auf den 13.08.2018 der Leiter Mechanik und der Leiter Sicherung der Urananreicherungsanlage Gronau vom diensthabenden Schichtleiter darüber informiert, dass in der mechanischen Werkstatt der Anlage in zwei Schubladen eines Werkzeugschrankes verdächtige Gegenstände aufgefunden wurden. Dabei handelte es sich nicht um eine Waffe, vielmehr um Teilstücke einer Waffe, Teile von Patronen sowie um Fotos einer unvollständigen Pistole mit Maßangaben. Der Schichtmitarbeiter hat den Fund entsprechend den betrieblichen Vorschriften umgehend seinen Vorgesetzten gemeldet. Auf Weisung des Leiters Sicherung hat der Objektsicherungsdienst die Gegenstände sofort an sich genommen. Am 13.08.2018 wurde die Polizei Gronau durch die Betreiberin in einem persönlichen Gespräch über den Vorfall informiert. Daneben erfolgte telefonisch auch die Information an die atomrechtliche Aufsichtsbehörde. Die verdächtigen Teile wurden durch die Polizei beschlagnahmt und es wurden die polizeilichen Ermittlungen, auch vor Ort, aufgenommen. Im Weiteren stellte sich der Mitarbeiter der Urananreicherungsanlage Gronau freiwillig der Polizei in Gronau, die die Vernehmungen des Mitarbeiters aufnahm. Es wird weitergehend auf die laufenden Ermittlungsverfahren der Polizei bzw. Staatsanwaltschaft verwiesen. 2. Welche Sicherheitsüberprüfungen durchlaufen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Urananreicherungsanlage in Gronau in welchen Abständen? Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Urananreicherungsanlage in Gronau werden einer Überprüfung nach der Verordnung für die Überprüfung der Zuverlässigkeit zum Schutz gegen Entwendung oder Freisetzung radioaktiver Stoffe nach dem Atomgesetz (Atomrechtliche Zuverlässigkeitsüberprüfungs-Verordnung (AtZüV)) durch das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie unterzogen. Die Urananreicherungsanlage Gronau unterliegt über die Vorgaben für eine kerntechnische Anlage hinaus dem Geheimschutz in der Wirtschaft. Daher unterziehen sich im Gegensatz zu anderen kerntechnischen Anlagen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Urananreicherungsanlage in Gronau auch einer erweiterten Sicherheitsüberprüfung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie nach dem Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes und den Schutz von Verschlusssachen (Sicherheitsüberprüfungsgesetz - SÜG). Aktualisierungen bzw. Wiederholprüfungen ergeben sich gemäß § 17 SÜG. 3. Wie wird sichergestellt, dass kein Material die Anlage auf nicht vorgesehene Weise verlässt, wenn das unerlaubte Mitbringen von Waffen auf das Gelände unentdeckt blieb? Die Genehmigung einer kerntechnischen Anlage darf nur erteilt werden, wenn unter anderem der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter gewährleistet ist. Zur Gewährleistung dieses erforderlichen Schutzes hat der Genehmigungsinhaber Sicherungsmaßnahmen zu treffen, die mit den Schutzmaßnahmen der Polizei abzustimmen und zu verzahnen sind. Anders als zum Beispiel bei einem Kernkraftwerk mit seinem spezifischen Kernmaterial ist die Urananreicherungsanlage Gronau wegen ihres Inventars an schwach angereichertem Kernmaterial und der damit verbundenen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3723 3 Anforderungen an den physischen Schutz lediglich in die deutlich niedrigere Kategorie III (Uran angereichert auf mehr als den natürlichen Gehalt, jedoch weniger als 10 % 235U) gemäß Anhang 2 des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 26.10.1979 über den physischen Schutz von Kernmaterial vom 24.04.1990 eingeordnet. In der Urananreicherungsanlage Gronau erfolgt gemäß den betrieblichen Vorschriften beim Betreten bzw. Verlassen des Anlagengeländes eine Zugangs- bzw. Ausgangskontrolle. Dabei werden nach festgelegten Verfahren, die als Verschlusssache eingestuft sind und naheliegend nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden dürfen, das Eigenpersonal sowie alle anderen Personen auf das Mitführen unerlaubter Gegenstände und unbefugt mitgeführter Stoffe kontrolliert. Da Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Urananreicherungsanlage Gronau sowohl einer atomrechtlichen Zuverlässigkeitsüberprüfung (AtZüV) und zudem einer erweiterten Überprüfung nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) unterzogen wurden, findet für sie eine Personenkontrolle nach dem Zufallsprinzip statt. Für die Kontrollen stehen die erforderlichen Bereiche, Ausrüstungen und das hierfür speziell geschulte Personal im Zugangs- bzw. Ausgangsbereich der Anlage zur Verfügung. 4. Wann wurde die Atomaufsicht über den Vorfall informiert? Es wird auf die Antwort zur Frage 1 verwiesen. 5. Welche Maßnahmen hat die Atomaufsicht bislang eingeleitet, um den Vorfall aufzuklären und eine Wiederholung zu verhindern? Es wurden unmittelbar nach dem Vorfall durch die Betreiberin mehrere Maßnahmen in technischer als auch organisatorischer Hinsicht zur Vermeidung einer Wiederholung eines solchen Vorkommnisses in der Anlage umgesetzt. Diese sind durch den hinzugezogenen Sachverständigen der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde aus Anlagensicherungssicht bewertet worden, ergänzt um eine Inaugenscheinnahme vor Ort. Weitergehende Schritte sind nicht zuletzt abhängig von den polizeilichen bzw. staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsergebnissen. Im Übrigen sind die Maßnahmen als Verschlusssache eingestuft, daher dürfen diese nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.