LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/374 21.08.2017 Datum des Originals: 17.08.2017/Ausgegeben: 24.08.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 120 vom 19. Juli 2017 der Abgeordneten Wibke Brems BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/202 Wie hoch sind die Folge- und Ewigkeitskosten des Braunkohleabbaus? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Abbau von Braunkohle hat erhebliche Auswirkungen auf Mensch und Natur. Feinstaubund Lärmbelastung sowie Bergschäden treten im täglichen Betrieb auf, der Abbau führte in den vergangenen Jahrzehnten zu erheblichen Umsiedlungen, ganze Landstriche wurden weggebaggert . Neben diesen unmittelbaren Auswirkungen ist es klar, dass auch lange Zeit nach der Beendigung des Braunkohleabbaus noch erhebliche Geldsummen aufgewendet werden müssen: Die Kosten für Rekultivierung und Wiederbefüllung der Restseen fallen nach Ende des Braunkohlenabbaus an. Darüber hinaus kommt es laut Gutachten, z.B. „Auswirkungen der Grundwasserhaltung im Rheinischen Braunkohlenrevier auf die Topographie und die Grundwasserstände, sowie daraus resultierende Konsequenzen für Bebauung, landwirtschaftliche Flächen, Infrastruktur und Umwelt“ von Dr. Krupp, zu Ewigkeitslasten durch das Ende des Braunkohleabbaus und den Wideranstieg des Grundwassers. So ist z.B. davon auszugehen , dass an einigen Orten der Wiederanstieg des Grundwassers zu Problemen führen wird, da der Entzug des Grundwassers zunächst zum Absacken des Bodens geführt hat, was beim Grundwasserwiederanstieg teilweise wieder aufgehoben wird. Ebenso ist mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass es zu einer dauerhaften Verschlechterung der Wasserqualität in der Region kommen könnte. Daher ist es entscheidend, dass ausreichende finanzielle Mittel nicht nur für alle möglichen Folgekosten, sondern auch für mögliche Ewigkeitskosten zur Verfügung stehen. Daten und Berechnungen für die Rückstellungen und finanzielle Absicherung der Folgekosten und Ewigkeitslasten durch RWE sind bisher nicht transparent, sodass kaum nachgeprüft werden kann, ob eine Finanzierung der Folgekosten und Ewigkeitslasten des Braunkohlenabbaus LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/374 2 wirklich gewährleistet ist. Laut einer Studie des FÖS1 aus dem Juni 2016 sind, neben der fehlenden Überprüfbarkeit und Transparenz, auch mögliche Risiken bei der Konzernhaftung zu beachten. Das aktuelle Bundesberggesetz sieht vor, dass Sicherheitsleistungen durch die Bergbehörde eingefordert werden können, um Folgekosten, z.B. für die Rekultivierung, und Ewigkeitslasten abzusichern. Sollte RWE die Kosten nach Ende des Braunkohlenabbaus nicht finanzieren können, müsste das Land die Rekultivierung übernehmen und die Mittel hierfür zur Verfügung stellen, sofern durch die Bergbehörde keine Sicherheitsleitungen vorab eingefordert wurden. Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 120 mit Schreiben vom 17. August 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. 1. Welche Maßnahmen unternimmt die Landesregierung, um die Auswirkungen des Endes des Braunkohlenabbaus für die Bodenbewegungen, den Grundwasserhaushalt sowie die Flächen im Rheinischen Revier genau zu bestimmen? (Bitte Maßnahmen getrennt und mit Datum versehen) Sowohl in den Braunkohlenplanverfahren als auch in den nachfolgenden bergrechtlichen und wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren werden die revierweit und tagebauspezifisch nach dem Auskohlen der Tagebaue verbleibenden Auswirkungen dezidiert untersucht und dem Bergbautreibenden die Durchführung geeigneter Maßnahmen zur ordnungsgemäßen Wiedernutzbarmachung aufgegeben. Dazu zählen insbesondere die Restraumgestaltung der Tagebaue einschließlich deren Wiederverfüllung, die Restseegestaltung, die Rekultivierung der Flächen für Land- und Forstwirtschaft und die wasserwirtschaftlichen Maßnahmen nach Tagebauende . So findet z.B. auf Basis des Braunkohlenplans für den Tagebau Garzweiler seit 1999 ein umfangreiches und weit über das Ende des Braunkohlenabbaus hinausreichendes Monitoring statt, mit dem Auswirkungen der Grundwasserabsenkungen und die Wirkungen der notwendigen Gegenmaßnahmen laufend und gesamtheitlich überwacht und gesteuert werden . Dabei gilt als verbindliches Ziel, dass die Region aus Gründen des öffentlichen Wohls wasserwirtschaftlich nicht schlechter gestellt werden darf als ohne den bergbaulichen Sümpfungseinfluss . Das Monitoring umfasst eine Vielzahl von Maßnahmen, die kontinuierlich für die Dauer der Auswirkungen durchzuführen sind und daher in der Regel nicht mit einem konkreten Realisierungsdatum versehen sind. Nähere Informationen können den Jahresberichten zum Monitoring entnommen werden (http://www.bezreg-koeln.nrw.de/brk_internet/gremien/braunkohlenausschuss/monitoring/index .html). Nach Abbauende werden die benötigten Wassermengen für die Versickerungen und Einleitungen für Anreicherung der Feuchtgebiete und Oberflächengewässer und die Befüllung des Restsees durch die Rheinwasserleitung sichergestellt. In der vorherigen Legislaturperiode hat das Landesumweltministerium in Abstimmung mit meinem Haus das Projekt „Flurabstandsprognose“ angestoßen. Damit soll im Bereich der für die Braunkohlegewinnung im Rheinischen Revier erforderlichen Absenkung des Grundwasserspiegels prognostiziert werden, ob und ggf. wo es bei einem nachfolgenden Grundwasserwiederanstieg in Gebieten mit ehemals geringem Flurabstand zu Geländevernässungen kommen 1 Wronski, Rupert/ Fiedler, Swantje u.a. (2016): Finanzielle Vorsorge im Braunkohlenbereich. Optionen zur Sicherung der Braukohlenrückstellungen und zur Umsetzung des Verursacherprinzips, Berlin/ Potsdam. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/374 3 kann. Dabei werden auch Bereiche mit nicht vollständig reversiblen Geländesenkungen betrachtet . Es geht u.a. auch um die Frage, ob und ggf. in welchem Ausmaß ein Verursachungsbeitrag des Bergbaus zu quantifizieren ist, für den das Unternehmen finanzielle Vorsorge zu betreiben hätte. Bis voraussichtlich zum ersten Quartal 2019 soll ein erster Ergebnisbericht erarbeitet werden. Daran schließt sich - zeitlich nicht befristet - die kontinuierliche Weiterentwicklung hinsichtlich des fortschreitenden Erkenntnisgewinns an. 2. Wie hoch werden die Kosten für mögliche Folgekosten und Ewigkeitslasten, die nach Ende des Braunkohlenabbaus anfallen werden, von unabhängigen Stellen, z.B. der Landesverwaltung, beziffert und bewertet? Die RWE Power AG hat zum Bilanzstichtag 31.12.2016 für den Braunkohlenbergbau insgesamt 2,2 Mrd. Euro und davon für die Wiedernutzbarmachungsverpflichtungen 1,6 Mrd. Euro an Rückstellungen gebildet. Damit trifft das Unternehmen Vorsorge, um die Durchführung der ordnungsgemäßen Wiedernutzbarmachung gem. § 55 Absatz 1 Satz 1 Nummern 3 bis 13 und Absatz 2 Bundesberggesetz nach Maßgaben der in den Braunkohleplänen enthaltenen Vorgaben zu gewährleisten. Dabei sind die Maßnahmen berücksichtigt, zu deren Erfüllung der Bergbautreibende auch noch nach Auslaufen der Kohleförderung rechtlich verpflichtet ist (siehe Antwort auf Frage 1). Diese Maßnahmen sind zum Teil über längere Zeit, jedoch nicht ewig erforderlich und damit endlich. Die Bergbehörde lässt sich von der RWE Power AG die im Geschäftsbericht der RWE AG bilanzierten Rückstellungen detailliert erläutern. Die Bergbehörde prüft danach, ob die Höhe der Rückstellungen sowie die damit abgedeckten Verpflichtungen, die das Unternehmen zu erfüllen hat, eine Wiedernutzbarmachung nach Einstellung der Braunkohlenförderung gesichert erscheinen lassen. Bisher war dies der Fall. Die Prüfung der zuletzt für den Zeitraum bis zum Bilanzstichtag 31.12.2016 vorgelegten Angaben ist noch nicht abgeschlossen. Eine Fortschreibung der Bewertung der Wiedernutzbarmachungsverpflichtungen wird nach dem zur Umsetzung der Leitentscheidung zur Verkleinerung des Tagebaus Garzweiler erforderlichen Braunkohlenplanverfahren sowie der Anpassung der Rahmenbetriebsplanzulassung erforderlich. Die erforderliche Höhe der Rückstellungen muss ohnehin zu jedem Bilanzstichtag aktualisiert werden. Daher kann heute noch keine definitiv abschließende Aussage zu den nach Ende des Braunkohlenabbaus anfallenden nachlaufenden Kosten getroffen werden. 3. Wie wird die Landesregierung die Kosten und mögliche Ewigkeitslasten, die nach Ende des Braunkohlenabbaus anfallen, transparent darstellen? Die Landesregierung und die Bergbehörde setzen sich in Gesprächen mit dem Unternehmen für größtmögliche Transparenz ein und prüfen in diesem Sinne auch, welche der innerhalb der Landesverwaltung dazu vorliegenden Angaben (siehe Antwort auf Frage 2) unter Beachtung der informationsrechtlichen Regelungen öffentlich zugänglich gemacht werden können. Entsprechende Angaben bzw. die dazu vorliegenden Unterlagen werden kurzfristig veröffentlicht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/374 4 4. Wie sind die Folgekosten und mögliche Ewigkeitslasten, die nach Ende des Braunkohlenabbaus anfallen, abgesichert, insbesondere unter Berücksichtigung des aktuellen Kreditratings von RWE? 5. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass die Kosten für die Rekultivierung und mögliche Ewigkeitslasten nach dem Ende des Braunkohleabbaus nicht durch die Steuerzahler finanziert werden müssen? Die Fragen 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet. Zunächst ist festzustellen, dass – bei fast gleicher Ausgangslage wie heute – auch von Seiten der Vorgängerregierung keine Zweifel geäußert wurden, dass die Folgekosten durch RWE übernommen werden können. Das Bergbauunternehmen RWE Power AG muss aus handelsrechtlichen Gründen für alle Verpflichtungen, die ihm aus bergrechtlichen Zulassungen und anderen Genehmigungen und den auf dieser Grundlage vorgenommenen bergbaulichen Tätigkeiten erwachsen, bilanzielle Rückstellungen bilden. Die erforderliche Höhe der Rückstellungen wird unter Zugrundelegung der sich aus den aktuellen bergrechtlichen Genehmigungen bei planmäßiger Fortführung des Unternehmens ergebenden technischen Konzepte und Planungen zu jedem Bilanzstichtag aktualisiert. In der Handelsbilanz müssen Aufwendungen für zukünftige Verbindlichkeiten ausgewiesen werden, sobald die Verbindlichkeiten rechtlich entstanden oder wirtschaftlich verursacht sind. Unabhängige Wirtschaftsprüfer achten darauf, ob diese Rückstellungen nach Art und Höhe in der Bilanz vollständig und ordnungsgemäß angesetzt und angemessen bewertet sind. Die entsprechenden Testate liegen vor. Das Unternehmen betreibt zur Früherkennung von Risiken und Unsicherheiten ein konzernweites Risikomanagementsystem unter Anwendung einheitlicher Standards der Erfassung, Bewertung und Steuerung in Form eines revolvierenden Risikoreportings. Zudem besteht zwischen der RWE Power AG und der RWE AG ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag i. S. d. § 291 Abs. 1 Satz 1 Aktiengesetz. Auf dieser Grundlage hat das herrschende Unternehmen (RWE AG) während der Vertragsdauer bei dem beherrschten Unternehmen ggf. entstehende Jahresfehlbeträge auszugleichen, soweit diese nicht aus anderen Gewinnrücklagen gedeckt werden können. Voraussetzung für die Zulassung von bergrechtlichen Betriebsplänen ist u.a., dass die erforderliche Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche in dem nach den Umständen gebotenen Ausmaß getroffen ist. Deshalb muss die RWE Power AG der Bergbehörde im Rahmen der bergrechtlichen Prüfverfahren jährlich Auskunft zur Vorsorge für die Wiedernutzbarmachung geben und nimmt dabei insbesondere auf die Rückstellungen Bezug. Die Bergbehörde prüft diese Auskünfte im Hinblick darauf, ob die Höhe der Rückstellungen sowie das dadurch abgedeckte Spektrum der vom Bergbauunternehmer zu erfüllenden Verpflichtungen eine Wiedernutzbarmachung nach Einstellung der Braunkohleförderung gesichert erscheinen lassen. Daneben wird hinsichtlich des bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags in den Blick genommen, über welche Haftungsmasse das herrschende Unternehmen verfügt und wie sich diese Haftungsmasse entwickelt. Das gilt auch für die Entwicklung der Unternehmensbewertungen durch Rating-Agenturen. Drei Ratingagenturen (Moody’s, Standard & Poor‘s und Fitch) bescheinigen RWE derzeit eine anlagewürdige Bonität und stufen den Ausblick auf die zukünftige Bewertung als stabil ein. Soweit dies erforderlich ist, um die Erfüllung der in § 55 Absatz 1 Satz 1 Nummern 3 bis 13 und Absatz 2 Bundesberggesetz genannten Voraussetzungen zu sichern (dazu gehört die Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung bzw. die Sicherstellung der Wiedernutzbarmachung), LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/374 5 kann die Bergbehörde nach § 56 Absatz 2 Satz 1 Bundesberggesetz die Zulassung eines Betriebsplans und nach § 56 Absatz 3 Bundesberggesetz auch die Verlängerung, Ergänzung oder Änderung eines Betriebsplans von der Leistung einer Sicherheit abhängig machen. Die Bergbehörde hat im Rahmen der Prüfungen zu den erteilten Betriebsplanzulassungen für den Braunkohlenbergbau der RWE Power AG bis dato keine konkreten Anhaltspunkte für ein Missverhältnis zwischen dem Umfang der Unternehmerpflichten und der künftigen Leistungsfähigkeit feststellen können. Somit hat die Bergbehörde bei bisher erteilten bergrechtlichen Zulassungen keine Veranlassung gesehen, eine Sicherheitsleistung zu erheben. Außerdem wurde im Rahmen des Gesetzes über den Erftverband eine Regelung getroffen, nach der der Erftverband aus den Beiträgen des Bergbautreibenden Rücklagen bilden soll. Diese können dann in Anspruch genommen werden, wenn der Erftverband im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgabenbestimmung wasserwirtschaftliche Aufgaben übernehmen müsste und hierfür ein Mitglied (Pflichtiger) nicht mehr vorhanden ist. Die Landesregierung wird die Entwicklung der wirtschaftlichen Lage und finanziellen Leistungsfähigkeit des zur Wiedernutzbarmachung verpflichteten Unternehmens ebenso wie die Entwicklung der darauf maßgeblich Einfluss nehmenden energiewirtschaftlichen und –politischen Rahmenbedingungen sorgfältig im Blick behalten. Auf dieser Grundlage ist auch weiterhin zu prüfen und zu entscheiden, ob und ggf. welche weiteren Maßnahmen zur Sicherstellung einer vollständigen Kostentragung durch das verantwortliche Bergbauunternehmen getroffen werden müssen. Darüber hinaus erwartet die Landesregierung für die Zukunft einen parteiübergreifenden Konsens, dass sich die Politik für Planungssicherheit für die bergbautreibenden Unternehmen und damit ihre modernen Industriearbeitsarbeitsplätze einsetzt, nicht zuletzt, um die ungeplante Übernahme von Kosten durch den Steuerzahler zu vermeiden.