LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3752 25.09.2018 Datum des Originals: 25.09.2018/Ausgegeben: 28.09.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1399 vom 27. August 2018 des Abgeordneten Thomas Röckemann AfD Drucksache 17/3495 Deutsch als Gerichtssprache – Übersetzungstätigkeiten bei Gericht Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Durch die Zunahme an Kriminalität durch nicht-deutsche Muttersprachler wird die Rolle von Dolmetschern bei gerichtlichen Strafprozessen immer wichtiger. Bei der Übersetzung von Protokollen oder im Rahmen von Vernehmungen und Zeugenaussagen ist ein Dolmetscher immer häufiger unerlässlich, da sonst die Aufklärungsarbeit im Prozess an den mangelnden Sprachkenntnissen des Angeklagten oder der Zeugen scheitern kann und ein rechtsstaatliches Verfahren somit nicht mehr gewährleistet würde. Besonders wichtig ist dabei auch die Integrität der eingesetzten Dolmetscher, damit nicht nur die fachliche Qualifikation gewährleistet ist, sondern auch die Zuverlässigkeit und Neutralität. So hatte das Bundesamt für Migration die Zusammenarbeit mit 2100 Dolmetschern eingestellt, die kein ausreichend hohes Niveau im Gemeinsamen europäische Referenzrahmen für Sprachen (GeR) aufweisen konnten oder gegen den Verhaltenskodex bzw. die Neutralitätspflicht verstoßen hatten.1 Die Amtssprache an deutschen Gerichten ist deutsch. Jedoch sind unter Beteiligung von Personen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, Dolmetscher heranzuziehen; dies gilt insbesondere für Fälle, in denen der Beschuldigte im Strafverfahren der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Um dem grundrechtsgleichen Recht auf richterliches Gehör zu entsprechen, sind daher qualifizierte Übersetzer notwendig und rechtsstaatliche Voraussetzung einer funktionierenden Justiz. Um diesem hohen Anspruch gerecht zu werden, müssen alle Gerichtsdolmetscher, bis auf wenige Ausnahmen, zwingend vereidigt werden. Als Ausnahme zum Grundsatz können auch die Urkundsbeamten der Geschäftsstelle als Dolmetscher herangezogen werden. 1 https://www.sueddeutsche.de/politik/asyl-warum-dolmetscher-nicht-mehr-fuer-das-bamfarbeitenduerfen -1.3954387 (abgerufen am 13.08.2018). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3752 2 Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 1399 mit Schreiben vom 25. September 2018 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie viele Richter und Urkundsbeamten der Geschäftsstellen verfügen über weitergehende Sprachkenntnisse in einer anderen Sprache als der deutschen Sprache mit dem Sprachniveau von mindestens C1 im Sinne des Gemeinsamen europäische Referenzrahmen für Sprachen (GeR) des Europarats? (Bitte aufschlüsseln nach Gericht, Sprache, Migrationshintergrund und Sprachniveau gemäß GeR) Erkenntnisse über weitergehende Sprachkenntnisse von Richterinnen und Richtern bzw. Urkundsbeamtinnen und Urkundsbeamten in einer anderen Sprache als der deutschen Sprache mit dem Sprachniveau von mindestens C1 im Sinne des Gemeinsamen Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GER) des Europarats liegen der Landesregierung nicht vor. Die Erhebung dieser Sprachkenntnisse würde einen äußerst erheblichen Aufwand bedeuten und kann überdies innerhalb der für eine Kleine Anfrage zur Verfügung stehenden Zeitspanne nicht geleistet werden. 2. Wie häufig konnten Gerichtsprozesse ohne Heranziehung externer Dolmetscher beendet werden, weil auf Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zurückgegriffen werden konnte bzw. ein Dolmetscher aufgrund der Ausnahme von § 185 Abs. 2 GVG nicht hinzugezogen werden musste? (Bitte aufschlüsseln nach Gericht, Sprache, Migrationshintergrund und Sprachniveau gemäß GeR) Statistische Erhebungen zu dieser Frage liegen nicht vor. Die Erhebung dieser Daten würde eine Durchsicht sämtlicher in Betracht kommender Verfahrensakten erforderlich machen, was innerhalb der für eine Kleine Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist. 3. Wie hoch war der tatsächliche finanzielle Umfang der externen Dolmetscher- Tätigkeiten im Vergleich zum dafür bereitgestellten Budget in den letzten fünf Jahren? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Haushaltstitel mit bereitgestelltem Budget und tatsächlich benötigtem finanziellen Umfang) Die Haushaltsansätze und die Ist- Ausgaben für Vergütungen der Dolmetscher und Übersetzer werden nur in den Kapiteln 04 210 (ordentliche Gerichtsbarkeit) und 04 215 (Generalstaatsanwaltschaften und Staatsanwaltschaften) gesondert erfasst. Bis zum Haushaltsjahr 2015 einschließlich waren die Einnahmen und Ausgaben der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Staatsanwaltschaften zusammen im Kapitel 04 210 veranschlagt. Mit dem Haushalt 2016 erfolgte eine Kapiteltrennung und der Bereich der Generalstaatsanwaltschaften und Staatsanwaltschaften wurden in das Kapitel 04 215 überführt. In der nachfolgenden Übersicht sind daher auch die im Kapitel 04 215 in den Haushaltsjahren 2016 und 2017 etatisierten Ansätze und Ist- Ausgaben für Vergütungen der Dolmetscher und Übersetzer mit aufgeführt: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3752 3 Jahr Kapitel Titel Soll Ist 2013 04 210 532 10 Unterteil 10 14.356.000 15.538.732,91 2014 04 210 532 10 Unterteil 10 15.081.000 20.283.042,71 2015 04 210 532 39 16.496.000 22.987.173,25 2016 04 210 532 39 17.696.000 22.971.368,00 04 215 532 39 3.902.000 4.191.436,94 Summe 21.598.000 27.162.804,94 2017 04 210 532 39 19.896.800 23.656.427,50 04 215 532 39 4.409.123 4.447.000,00 Summe 24.305.923 28.103.427,50 Soweit die tatsächlichen Ist-Ausgaben die Haushaltsansätze überschritten haben, erfolgte die Deckung aus Titeln der Gruppe 532 aufgrund entsprechender Haushaltsvermerke zu den sächlichen Verwaltungsausgaben in den jeweiligen Haushaltsplänen. In den Fachgerichtsbarkeiten werden die anfallenden Gebühren und Auslagen der dortigen Verfahren nicht nach Sachgebieten differenziert gebucht. 4. Nach welchen formalen Kriterien gelten die vorzulegenden Unterlagen als geeignet, um die persönliche und fachliche Eignung eines Dolmetschers gemäß § 35 Justizgesetz Nordrhein-Westfalen sicherzustellen, um im Rahmen von Gerichtsverfahren als vereidigter Dolmetscher herangezogen werden zu können? Die allgemeine Beeidigung von Dolmetscherinnen und Dolmetschern sowie die Erteilung der Ermächtigung an Übersetzerinnen und Übersetzer für gerichtliche und staatsanwaltschaftliche Zwecke für das Gebiet des Landes Nordrhein-Westfalen erfolgt nach Maßgabe des Gesetzes über die Justiz im Land Nordrhein-Westfalen (JustG NRW). Danach kann die allgemeine Beeidigung bzw. Erteilung der Ermächtigung auf Antrag erfolgen, wenn die persönlichen und fachlichen Voraussetzungen vorliegen (§ 35 JustG NRW). Der Nachweis dieser Voraussetzungen ist durch Vorlage geeigneter Unterlagen zu führen. Zur Feststellung und Gewährleistung der persönlichen Eignung i.S.d. § 35 Abs. 2 JustG NRW werden von den mit der allgemeinen Beeidigung von Dolmetscherinnen und Dolmetschern sowie der Erteilung der Ermächtigung an Übersetzerinnen und Übersetzer betrauten Oberlandesgerichte folgende Unterlagen verlangt: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3752 4 ein handschriftlicher, ausformulierter Lebenslauf eine schriftliche ausdrückliche Versicherung des Antragstellers/der Antragstellerin, dass er/sie nicht vorbestraft ist und auch kein Ermittlungsverfahren gegen ihn/sie anhängig ist eine schriftliche ausdrückliche Versicherung des Antragstellers/der Antragstellerin, dass er/sie nicht im Schuldnerverzeichnis nach § 882b der Zivilprozessordnung eingetragen ist eine schriftliche ausdrückliche Erklärung des Antragstellers/der Antragstellerin, dass er/sie bereit ist, auch kurzfristige und besonders umfangreiche Aufträge anzunehmen ein aktuelles Führungszeugnis des Antragstellers/der Antragstellerin, das zur Vorlage bei einer Behörde geeignet ist -Belegart<>; in diesem Führungszeugnis dürfen insbesondere keine Straftaten i.S.d. § 35 Abs. 2 Ziffer 1. vermerkt sein eine aktuelle Bescheinigung des zuständigen Insolvenzgerichts, dass dort kein Insolvenzverfahren bezüglich des Antragstellers/der Antragstellerin anhängig ist falls der Antragsteller/die Antragstellerin nicht Deutsche/r oder EU-Ausländer/in ist: eine Bescheinigung der Ausländerbehörde, dass ihm/ihr eine selbständige Erwerbstätigkeit erlaubt ist Darüber hinaus wird eine Abfrage im gemäß § 882b ZPO geführten Vollstreckungsregister getätigt. Eine Eintragung in diesem Register steht einer Zulassung als Gerichtsdolmetscher/in oder ermächtigte/r Übersetzer/in zwingend entgegen. Zur Feststellung und Gewährleistung der fachlichen Eignung i.S.d. § 35 Abs. 3 Ziffer 1. JustG NRW (allgemeine Sprachkenntnisse) sind Nachweise über Sprachkenntnisse zu erbringen, die der höchsten Stufe der Sprachkompetenz - C 2 - des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) des Europarates entsprechen, und zwar sowohl für die deutsche als auch die fremde Sprache. Dieser Nachweis kann grundsätzlich geführt werden durch: ein Dolmetscher- oder Übersetzer-Diplom eines Hochschulinstituts oder einer Fachhochschule (Fachbereich Sprachen), ein Prüfungszeugnis der Industrie- und Handelskammer über eine Dolmetscher- oder Übersetzerprüfung, ein Abschlusszeugnis über den erfolgreichen Besuch einer staatlich anerkannten Sprachschule oder ein Prüfungszeugnis für Übersetzer/innen und Dolmetscher/innen eines deutschen Staatlichen Prüfungsamtes. Der Nachweis muttersprachlicher Kenntnisse kann auch geführt werden durch Vorlage eines Abiturzeugnisses oder Studienabschlusszeugnisses des Heimatlandes oder ggf. auch durch ein mittleres Schulabschlusszeugnis des Heimatlandes mit guten Noten, sofern weitere vorgelegte Unterlagen (z.B. Referenzen) in der Gesamtschau dafür sprechen, dass Sprachkenntnisse auf dem Niveau C2 vorliegen. Der Nachweis ausreichender deutscher Sprachkenntnisse kann auch geführt werden durch Vorlage eines C2-Zertifikates des Goethe-Institutes oder durch Vorlage eines Zeugnisses über einen in Deutschland erlangten Hochschulabschluss in deutscher Sprache. Darüber hinaus sind gemäß § 35 Abs. 3 Ziffer 2. JustG NRW fundierte Kenntnisse der deutschen Rechtssprache nachzuweisen, insbesondere auf den Gebieten des Zivil-, Strafund Verwaltungsrechts einschließlich des jeweiligen Verfahrensrechts. Als Nachweis geeignet sind qualifizierte Zeugnisse oder Bescheinigungen über den erfolgreichen Abschluss eines entsprechenden Kurses. Anerkannt werden nur Lehrveranstaltungen, die mit einer Prüfung LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3752 5 abgeschlossen werden. Aus dem Zeugnis, der Prüfungsordnung oder der Bescheinigung müssen sich Art und Umfang des vermittelten Stoffes und der abgelegten Prüfung ergeben. Alle Nachweisurkunden sind dabei in amtlich beglaubigter Form vorzulegen. Ausländischen Nachweisurkunden ist immer eine von einer ermächtigten Übersetzerin bzw. einem ermächtigten Übersetzer gefertigte deutsche Übersetzung beizufügen. 5. In wie vielen Fällen stellte die Justiz in Nordrhein-Westfalen die Zusammenarbeit wegen mangelnder Integrität des Dolmetschers in den letzten fünf Jahren ein, wenn sich diese bspw. nicht neutral verhalten haben? Der Landesregierung ist ein Fall aus dem Jahr 2013 bekannt, in dem ein Widerruf der allgemeinen Beeidigung aufgrund Wegfalls der persönlichen Eignung (Leben in ungeordneten wirtschaftlichen Verhältnissen) erfolgt ist.