LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3788 02.10.2018 Datum des Originals: 02.10.2018/Ausgegeben: 08.10.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1405 vom 30. August 2018 des Abgeordneten Dr. Christian Blex AfD Drucksache 17/3502 Sind die elektronische Kurzzeitbetäubung und der anschließende Kehlschnitt bei rituellen Schlachtungen im Sinne des Tierschutzes? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Da in Nordrhein-Westfalen keine Genehmigungen für betäubungsloses Schächten erteilt werden, greifen Muslime auf Fleisch von Tieren zurück, die nach elektronischer Kurzzeitbetäubung durch Kehlschnitt vollständig ausgeblutet sind. Die elektronische Kurzzeitbetäubung wird allerdings von der „Islamischen Gemeinschaft Mili Görus“ abgelehnt1 und auch der „Zentralrat der Muslime“ hält das betäubungslose Schächten für zwingend vorgeschrieben.2 Dieser Ansicht schlossen sich der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) und der europäische Fatwa-Rat (EFC) an.3 Aber auch die elektronische Kurzzeitbetäubung vor dem Schächten ist im Sinne des Tierschutzes kritisch zu sehen. Häufig ist die Betäubung nicht lange genug, sodass das zu schlachtende Tier während des Ausblutens wieder aufwacht und große Qualen erleidet. Außerdem ist eine elektronische Kurzzeitbetäubung für große Tiere, wie Rinder, meist gar nicht möglich, da diese dadurch nicht stark genug betäubt werden können. Besonders problematisch ist darüber hinaus, wenn im Rahmen von islamischen Festen Tiere von Personen betäubt und geschlachtet werden sollen, die lediglich einen Wochenendkurs für einen Sachkundenachweis besucht haben. 1 https://www.igmg.org/ha%C2%A4ufig-gestellte-fragen-und-ihre-antworten-zum-scha%C2%A4chten/ 2 http://www.zentralrat.de/14594.php 3 https://www.islamische-zeitung.de/massentierhaltung-industrie-und-rechtssprechung-gestalten-diesuche -nach-halal-fleisch-schwierig/ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3788 2 Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1405 mit Schreiben vom 2. Oktober 2018 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Auf die nachstehende Vorbemerkung der Antwort der Landesregierung zur Beantwortung der Kleinen Anfrage 1028 (Drucksache 17/2771) wird verwiesen: „Vorbemerkung der Landesregierung; Nach dem bundesdeutschen Tierschutzrecht dürfen Tiere grundsätzlich nur geschlachtet werden, wenn sie zuvor betäubt worden sind, so dass eine tiefe Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit eintritt. Eine Aus-nahme hiervon ist nach § 4a Absatz 2 Nummer 2 des Tierschutz-gesetzes (TierSchG) nur zulässig, wenn bestimmte religiöse Vor-schriften dies zwingend erforderlich machen. Hierfür bedarf es jedoch in jedem konkreten Einzelfall einer behördlichen Ausnahmegenehmigung, für die in Nordrhein-Westfalen die Veterinärämter der Kreise und kreis- freien Städte zuständig sind. An das Genehmigungsverfahren sind sehr hohe Hürden geknüpft. Die religiösen Schlachthandlungen werden von den Veterinärämtern kontrolliert und auch in der Regel koordiniert. So werden zumeist zentral an ausgewählten Schlachtstätten zu vorgegebenen Terminen die Opferschlachtungen durchgeführt. Wichtig ist dabei die permanente Anwesenheit des amtlichen Überwachungspersonals, so dass ein reibungsloser und tierschutzkonformer Ablauf der Schlachtungen erfolgt.“ 1. Inwiefern sind die technischen Anforderungen der Elektrokurzzeitbetäubung rechtlich geregelt, um als Betäubungsmethode zugelassen zu sein? Die Vorgaben der Elektrokurzzeitbetäubung sind im Tierschutzrecht detailliert geregelt. § 13 der Tierschutzschlachtverordnung (TierSchlV) führt hierzu konkretisierend aus, dass die zuständige Behörde befristet die Elektrokurzzeitbetäubung zulassen kann, soweit es erforderlich ist, um den Bedürfnissen von Angehörigen bestimmter Religionsgemeinschaften zu entsprechen, denen zwingende Vorschriften ihrer Religionsgemeinschaft die Anwendung anderer Betäubungsverfahren untersagen. 2. Ist die Landesregierung der Ansicht, dass der Erwerb von Sachkundenachweisen, insbesondere um rituelle Schlachtungen durchzuführen, eine genauso tiergerechte Schlachtung ermöglicht, wie eine mehrjährige Lehre zum Fleischer? Der Nachweis über die erforderliche Sachkunde wird in Form eines förmlichen Sachkundenachweises erbracht. Hierfür sind in Nordrhein-Westfalen die Veterinärämter auf Ebene der Kreise und kreisfreien Städte zuständig. Der Sachkundenachweis wird auf Antrag erteilt, wenn die Sachkunde im Rahmen einer erfolgreichen Prüfung als gegeben nachgewiesen worden ist. Konkret führt die zuständige Behörde dazu eine Prüfung durch, die sich auf die im Antrag benannten Tierkategorien sowie auf die hierfür relevante Betäubungsund Tötungsverfahren erstreckt. Die Prüfung besteht aus einem theoretischen und einem praktischen Teil und setzt grundsätzlich die Teilnahme an einer Sachkunde-schulung voraus. Die Ausbildung zum Fleischer ist in Nordrhein-Westfalen keine gleich-wertige Schulung zur Erlangung der Sachkunde für das Betäuben und Töten von Tieren nach den Bestimmungen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3788 3 des Artikels 7 der VO (EG) Nr. 1099/2009. Daher müssen gelernte Fleischer ebenfalls eine Sach-kundeschulung zur Erlangung des Sachkundenachweises absolvieren. 3. Auf welche Weise wird bei den Lehrgängen zur Sachkunde im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 der Kehlschnitt thematisiert, der zu einer rituellen Schlachtung nach muslimischen Ritus gehört? In § 4 der Tierschutz-Schlachtverordnung ist die Sachkunde explizit ge-regelt. Danach muss jeder, der ein Tier betreut, ruhigstellt, betäubt, schlachtet oder tötet, über die hierfür notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten (Sachkunde) verfügen. Dies setzt die Teilnahme an ge-eigneten Schulungen voraus. In Nordrhein-Westfalen wurde die Durchführung der Schulung für die Schlachtung der betroffenen Tierarten auf die Firmen bsi Schwarzenbek „Beratungs- und Schulungsinstitut für Tierschutz bei Transport und Schlachtung“ und Quh-Lab Lebensmittelsicherheit übertragen. Die Schulungsinhalte richten sich nach Anhang IV der VO (EG) Nr. 1099/2009, § 4 TierSchlV und dem zwischen den Bundesländern ab-gestimmten Handbuch Tierschutzüberwachung bei der Schlachtung und Tötung. Für die Durchführung des Entbluteschnittes bedeutet das nicht nur Kenntnisse über die Schnittführung und Anatomie an der Schnittstelle , z.B. Wissen über die Anzahl und die Art der Blutgefäße, sondern darüber hinaus auch Kriterien einer erfolgreichen Betäubung und Ent-blutung und Maßnahmen, die ggf. ansonsten zu ergreifen sind. Die Phy-siologie, wann und wie lange ein Tier betäubt ist, innerhalb welcher Zeitspanne nach dem Entbluten der Tod des Tieres eintritt und wie der Tod überprüft werden kann, ist ebenfalls Bestandteil der Schulungen. Weiterhin werden die Anforderungen an das Messer, dessen Hand-habung und richtige Schärfung, berücksichtigt. Im Rahmen der Schulungen werden auch unterschiedliche Schnitt-techniken berücksichtigt. 4. Ist die Landesregierung der Ansicht, dass bei der elektronischen Kurzzeitbetäubung jedes zu schlachtende Tier, also auch große Tiere, wie beispielsweise Rinder, lange genug betäubt wird, bis es durch den Kehlschnitt bei rituellen Schlachtungen vollständig ausgeblutet ist? Entsprechende Veröffentlichungen der European Food Safety Authority (EFSA) kommen zu dem Schluss, dass die Betäubungszeit bei einer korrekten Anwendung der Betäubungsanlagen ausreichend ist. Dem Land liegen derzeit keine Erkenntnisse vor, die die Veröffentlichungen der EFSA in Frage stellen würden. 5. Auf welche Weise wird bei einer rituellen Schlachtung die Effektivität und fachgerechte Durchführung der elektronischen Kurzzeitbetäubung kontrolliert? Die Elektrokurzzeitbetäubung gemäß § 13 Absatz 1 Nummer 3, 1. Alter-native TierSchlV wird lediglich in zugelassenen Schlachtbetrieben an-gewendet. Diese Betriebe werden insbesondere auch bezüglich der Einhaltung der tierschutzrechtlichen Anforderungen behördlich überprüft. Die Überwachung liegt in Nordrhein-Westfalen im Zuständigkeits-bereich der Kreisordnungsbehörden.