LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3856 09.10.2018 Datum des Originals: 08.10.2018/Ausgegeben: 12.10.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1429 vom 6. September 2018 der Abgeordneten Dr. Dennis Maelzer, Karl Schultheis und Eva-Maria Voigt-Küppers SPD Drucksache 17/3561 Was unternimmt die Landesregierung zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse bei Erzieherinnen und Erziehern? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die grenzüberschreitende Anerkennung akademischer Abschlüsse wurde mittels des Bologna-Prozesses bereits vor über zehn Jahren gestartet und kann weitestgehend als erfüllt angesehen werden. Dagegen ist nach wie vor die Anerkennung nicht-akademischer Abschlüsse problematisch. Dabei wird in der Diskussion um den Fachkräftemangel immer wieder darauf hingewiesen, dass in Deutschland vor allem Fachkräfte in nicht-akademischen Berufen fehlen. Konkret bedeutet das für das nordrhein-westfälische Bildungssystem, dass es nicht nur an Lehrerinnen und Lehrern mangelt, sondern im ganzen Land auch tausende Stellen für Erzieherinnen und Erzieher unbesetzt sind. Gerade im deutsch-belgisch-niederländischen Grenzgebiet besteht gleichzeitig eine hohe Mobilität von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die als eine der vier Grundfreiheiten der Europäischen Union etabliert und ausdrücklich erwünscht ist. Die grenzüberschreitende Arbeitnehmerfreizügigkeit stößt natürlich dort an ihre Grenzen, wo die Anerkennung der Berufsabschlüsse nicht besteht. Berichtet wird mittlerweile, dass ausländische Erzieherinnen den Klageweg beschreiten, um auch in Nordrhein-Westfalen in ihrem Beruf arbeiten zu können. Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 1429 mit Schreiben vom 9. Oktober 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales und dem Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3856 2 1. Wie bewertet die Landesregierung den niederländischen Abschluss „gespecialiseerd pedagogisch medewerker 4 kinderopvang“ im Zusammenhang mit der Anerkennung als Berufsabschluss? Die Landesregierung selbst bewertet keine ausländischen Abschlüsse. Die Bewertung erfolgt vielmehr auf gesetzlicher Grundlage durch die zuständigen Stellen und bezieht sich stets auf individuelle Anträge. Den rechtlichen Rahmen für Anerkennungsverfahren liefert dabei das Gesetz zur Feststellung der Gleichwertigkeit ausländischer Berufsqualifikationen in Nordrhein- Westfalen (BQFG NRW). Bei reglementierten Berufen wie dem der staatlich anerkannten Erzie-herin bzw. des staatlich anerkannten Erziehers wird durch die zuständige Bezirksregierung in jedem Einzelfall geprüft, ob eine Gleichwertigkeit mit dem deutschen Referenzberuf gegeben ist. Bei positivem Ergebnis der Überprüfung wird die Gleichwertigkeit bescheinigt und die Aufnahme einer Tätigkeit als Erzieherin bzw. Erzieher ist in Nordrhein-Westfalen unmittelbar möglich. Beim niederländischen Abschluss als „gespecialiseerd pedagogisch medewerker 4 – kinderopvang“ liegen strukturelle Unterschiede zum deutschen Qualifikationsprofil der staatlich anerkannten Erzieherin bzw. des staatlich anerkannten Erziehers vor. Die Ausbildung sozialpädagogischer Fachkräfte ist in Deutschland deutlich breiter angelegt. Sie bereitet nicht nur auf eine Tätigkeit in der Kinderbetreuung, sondern z.B. auch in der offenen Kinder- und Jugendarbeit oder in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe vor. Mit Blick auf dieses „generalistische“ Qualifikationsprofil wird von den Bezirksregierungen als zuständigen Stellen häufig festgestellt, dass wesentliche Ausbildungsunterschiede zum Referenzberuf im Sinne des BQFG NRW vorliegen. In solchen Fällen wird den Antragstellerinnen bzw. Antragstellern in der Regel eine Ausgleichsmaßnahme (Anpassungslehrgang) angeboten, die nach erfolgreichem Abschluss zur Anerkennung führt. Die Vereinbarung zu den Grundsätzen über die Qualifikation und den Personalschlüssel nach § 26 Abs. 3 Nr. 3 des Gesetzes zur frühen Bil-dung und Förderung von Kindern (Personalvereinbarung KiBiz), lässt unter den dort genannten Voraussetzungen bereits jetzt zu, dass in begründeten Einzelfällen die Landesjugendämter Ausnahmen für den Einsatz als Fachkraft zulassen, wenn der Träger von Kindertagesseinrichtungen dies im Einvernehmen mit dem örtlichen Jugendamt beantragt. Aktuell prüfen die zuständigen Ressorts unter Einbeziehung der Ver-einbarungspartner, ob über eine neue Regelung in der Personalvereinbarung der Zugang für Bewerberinnen bzw. Bewerber aus dem EU-Ausland, die gezielt und ausschließlich eine Tätigkeit in einer Kindertageseinrichtung anstreben, erleichtert werden kann. 2. Welche ausländischen Abschlüsse sind bereits als gleichwertig mit dem Abschluss der/des staatlichen anerkannten Erzieherin/Erziehers anerkannt? Wie bei Frage 1 dargelegt, sieht das Berufsqualifikationsfeststellungs-gesetz (BQFG NRW) keine automatische Anerkennung eines bestimmten ausländischen Abschlusses vor, sondern es wird jeweils die Gleichwertigkeit überprüft. Das gilt in Nordrhein-Westfalen für über 160 verschiedene landesrechtlich geregelte Berufe. Alle Anträge auf Feststellung der Gleichwertigkeit mit dem Referenzberuf staatlich anerkannte Erzieherin bzw. staatlich LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3856 3 anerkannter Erzieher werden – ggf. unter zusätzlicher Einbeziehung der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) bei der KMK – im Einzelfall überprüft. 3. Bei welchen ausländischen Berufsabschlüssen in Erziehungsberufen prüft die Landesregierung aktuell ebenfalls die Anerkennung der Vergleichbarkeit? Siehe Antworten zu Frage 1 und 2. 4. Welche Instrumente möchte die Landesregierung einsetzen, um Niveauunterschiede im Zuge der Anerkennung ausländischer Abschlüsse zu egalisieren? Das für Erzieherinnen und Erzieher vorgesehene Instrument sind die in der Antwort auf Frage 1 genannten Anpassungslehrgänge, die zum Ausgleich der entsprechenden Unterschiede dienen. 5. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung zur Beseitigung des Mangels bei Erzieherinnen und Erziehern? Das Thema hat für die Landesregierung hohe Priorität. Schon der Koalitionsvertrag sieht eine Überprüfung der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung vor, um dem Mangel an Erzieherinnen und Erziehern entgegenzuwirken. Es bedarf im Ergebnis eines differenzierten Maßnahmenbündels, um die quantitativen Zielvorstellungen zu erfüllen und trotzdem die Ausbildungsstandards dauerhaft beizubehalten. Einige Bausteine lassen sich wie folgt skizzieren: Die vergleichsweise neue Form der Praxisintegrierten Ausbildung (PiA), die bislang schon ca. 2.300 Studierende absolviert haben, wird weiter gestärkt. Bei dieser Ausbildungsstruktur wird die klassische Ausbildungsform, die sich in eine zweijährige überwiegend fachtheoretische Phase und ein daran anschließendes einjähriges Berufspraktikum gliedert, durch ein integriertes Modell ersetzt. Die Tarifpartner haben bei den Tarifverhandlungen in diesem Jahr eine Einigung erzielt, durch die mit Wirkung vom 1. März 2018 Studierende der Praxisintegrierten Ausbildung in den Geltungsbereich des TVAöD einbezogen werden. Durch die Festlegung einer Ausbildungsvergütung ist mit einer weiteren Attraktivitätssteigerung dieses Modells und mit der Erschließung zusätzlicher Zielgruppen zu rechnen. Auch über die Möglichkeiten von PiA hinaus müssen zusätzliche Ziel-gruppen für die Erzieherinnen- bzw. Erzieherausbildung angesprochen werden. Die Berufskollegs bieten z.B. eine Doppelqualifikation aus Allgemeiner Hochschulreife (Abitur) und dem integrierten Berufsabschluss als staatlich anerkannte Erzieherin bzw. staatlich anerkannter Erzieher. Dieser Bildungsgang stellt eine interessante Alternative zum Abitur an allgemeinbildenden Schulen dar, dessen Bekanntheit weiter gesteigert werden kann. Darüber hinaus wird auch die Ausbildung an den Fachschulen für Sozialpädagogik überprüft. Ziel ist es dabei, die bestehenden Ausbildungsstrukturen so weiterzuentwickeln, dass die Ausbildung unter Wahrung der Qualität möglichst noch schneller als bisher abgeschlossen werden kann. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3856 4 Wichtig ist auch, dass die öffentlichen Berufskollegs, die an ihren Fachschulen für Sozialpädagogik zukünftige Erzieherinnen und Erzieher ausbilden, ihren Aufgaben weiterhin in vollem Umfang nachkommen können. Zu diesem Zweck wird aktuell die Re-Zertifizierung von Berufskollegs nach Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung (AZAV) vorbereitet. Ein wichtiger Baustein ist auch die Erhöhung der Ausbildungskapazität für Lehrkräfte, damit an den Berufskollegs genügend Ressourcen für die Ausbildung von staatlich anerkannten Erzieherinnen bzw. staatlich anerkannten Erziehern zur Verfügung stehen. Der Mangel an qualifiziertem Lehrpersonal ist auch darauf zurückzuführen, dass Lehrkräfte für Sozialpädagogik (als Lehramt an Berufskollegs) bundesweit nur an sechs Hochschulstandorten ausgebildet werden. Angesichts dieses Umstands wird derzeit geplant, die Ausbildungskapazitäten am einzigen Standort in Nordrhein-Westfalen, der TU Dortmund, zu erhöhen und perspektivisch einen zweiten Ausbildungsstandort im Land aufzubauen. Darüber hinaus werden im Rahmen der Überarbeitung der Personal-vereinbarung bestehende Spielräume und Handlungsmöglichkeiten überprüft.