LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/3860 09.10.2018 Datum des Originals: 08.10.2018/Ausgegeben: 12.10.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1425 vom 4. September 2018 des Abgeordneten Christian Loose AfD Drucksache 17/3547 Finanzspekulationen von Kommunen in NRW – Sachstand Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In der Vergangenheit haben eine Vielzahl von Kommunen Finanzderivate abgeschlossen. Finanzderivate können u.a. zur Zinssicherung (z.B. Forwarddarlehen) oder bei einem grundlegenden Wechsel der Einschätzung der Zinssituation (z.B. mittels Swaps) bewusst eingesetzt werden, um Risiken für den Bürger zu reduzieren. Allerdings wurden von einigen Kommunen in NRW Finanzderivate mit Spekulationscharakter eingesetzt. Hierbei handelt es sich um Geschäfte, bei denen Swaps abgeschlossen wurden, ohne dass ein zu sicherndes Grundgeschäft dahinter stand. Oder es wurden offene Währungspositionen (z.B. in Schweizer Franken) eingegangen. Weiterhin wurden Positionen eingegangen, bei denen die Kommune die Stillhalterposition eingenommen hat. Beispiel-Kommunen mit Verlusten aus diesen Zinsswapgeschäften in NRW sind die Stadt Hagen1 und die Gemeinde Weilerswist2. Es gab aber auch viele andere Kommunen, die ähnliche Geschäfte abgeschlossen haben.3 Beispiel-Kommunen mit Verlusten aus Fremdwährungsgeschäften sind u.a. Bochum und Essen.4 1 https://www.wp.de/staedte/hagen/derivate-minus-nur-noch-bei-40-millionen-euro-id1195891.html. Für eine weitergehende Analyse empfehlen wir: Stark, Gunnar/Loose, Christian (2007): Exotische Zinsderivate im kommunalen Schuldenmanagement – Eine Analyse der jüngsten CMS-Spread- Ladder-Swap-Geschäfte, in: Finanz Betrieb, S. 610-618. 2 https://www.ksta.de/region/euskirchen-eifel/euskirchen-eifel-archiv/swap-geschaefte-millionenverluste -fuer-kommunen-im-kreis-euskirchen-28579912 3 https://www.derwesten.de/staedte/hagen/swap-vergleich-unterliegt-der-verschwiegenheitspflichtid 11551707.html 4 https://www.zeit.de/2015/04/kommunen-schulden-schweizer-franken-essen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3860 2 In Baden-Württemberg wurden in 2017 kommunale Spitzenbeamte strafrechtlich in erster Instanz belangt.5 6 Aufgrund der positiven Konjunkturentwicklung und der niedrigen Zinsen mag es sein, dass die Kommunen einen Großteil ihrer Finanzspekulationen eingestellt haben. Dennoch liegt es im Interesse des Bürgers und der politischen Akteure zu erfahren, in welchem Umfang Kommunen noch aktuell solche Spekulationen eingehen können und welche Risiken sich für die Kommunen aber auch für das Land Nordrhein-Westfalen daraus ergeben können. Ebenso sind die möglichen Risiken aus bestehenden Verpflichtungen von Interesse. Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung hat die Kleine Anfrage 1425 mit Schreiben vom 8. Oktober 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen sowie dem Minister der Justiz beantwortet. 1. Nach welchen Kriterien dürfen Kommunen in NRW Finanzderivate abschließen? Die Finanzhoheit ist ein zentraler Bestandteil der verfassungsrechtlich garantierten kommunalen Selbstverwaltung. Dementsprechend gestalten die Gemeinden und Gemeindeverbände ihr Schuldenmanagement in eigener Verantwortung. Die rechtlichen Rahmenbedingungen, nach denen Kommunen u.a. Finanzderivate abschließen dürfen, ist abschließend im sogenannten „Krediterlass“ des Landes vom 16. Dezember 2014 (SMBl. NRW. 652) geregelt. 2. In welchem Umfang sind Kommunen in NRW im Jahr 2017 und im ersten Halbjahr 2018 Finanzspekulationen, z.B. Zinsswaps, Optionsgeschäfte und Fremdwährungsgeschäfte eingegangen? (Bitte nach Kommune, Art und Umfang des Finanzderivats aufschlüsseln.) Zum Stand der am 31. Dezember 2017 in fremder Währung aufgenommenen Verbindlichkeiten der kommunalen Kernhaushalte in Nordrhein-Westfalen sowie zu ihrer Veränderung gegenüber dem Vorjahreswert wird auf die anliegende tabellarische Übersicht verwiesen. Zahlen zur Höhe und Entwicklung der kommunalen Fremdwährungskredite im aktuellen Jahr 2018 liegen derzeit noch nicht vor. Der Einsatz von Finanzderivaten in Kommunen wird statistisch nicht erfasst. 3. In welchem Umfang muss das Land Nordrhein-Westfalen ggf. für Risiken aus diesen Geschäften aufkommen? Für Risiken aus Geschäften, die diese selbst abgeschlossen haben, haften ausschließlich die Kommunen. 5 https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/swap-geschaefte-monate-auf-bewaehrung-fuerpforzheims -ex-buergermeisterin-1.3758969 6 Die Urteilsbegründung liegt inzwischen ebenfalls vor: https://beckonline .beck.de/Dokument?vpath=bibdata%2Fents%2Fbeckrs%2F2017%2Fcont%2Fbeckrs.2017.1 32332.htm&pos=1&hlwords=on LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/3860 3 4. In welchem Umfang hat das Land gemeinsam mit Kommunen solche Finanzspekulationsgeschäfte abgeschlossen? (Bitte nach Kommune, Art und Umfang des Finanzgeschäfts aufschlüsseln.) Das Land Nordrhein-Westfalen hat keine Finanzspekulationsgeschäfte mit Kommunen abgeschlossen. 5. Wo wurden in NRW strafrechtliche Ermittlungen gegen kommunale Beamte aufgrund des Eingehens von derivativen Geschäften aufgenommen? Eine gesonderte statistische Erfassung von Ermittlungsverfahren gegen kommunale Beamte wegen des Eingehens von derivativen Geschäften erfolgt nicht. Insoweit liegen verlässliche Zahlen nicht vor. Gleichwohl haben die Generalstaatsanwältin und die Generalstaatsanwälte dem Ministerium der Justiz berichtet, dass aufgrund einer Befragung des dortigen Personals - und daher ohne Anspruch auf Vollständigkeit - die folgenden Verfahren festgestellt werden konnten: • Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat in den Jahren 2009 in zwei und 2015 in einem Verfahren Ermittlungen aufgenommen. • Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat im Jahre 2017 ein Ermittlungsverfahren geführt. • Die Staatsanwaltschaft Essen hat in den Jahren 2015 und 2016 zwei Verfahren geführt. • Die Staatsanwaltschaft Hagen hat in den Jahren 2007/2008 mehrere Ermittlungsverfahren geführt. • Die Staatsanwaltschaft Siegen hat im Jahre 2008 ein Ermittlungsverfahren durchgeführt. • Die Staatsanwaltschaft Bochum hat 2017/2018 in einem Verfahren ermittelt. • Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat 2011 bis 2013 ein Ermittlungsverfahren geführt. • Die Staatsanwaltschaft Wuppertal hat im Jahre 1998 - 2000 ein Verfahren geführt. Anlage Stand zum 31.12.2017 in 1000 Euro Veränderung ggü. dem Vorjahr in 1000 Euro Bottrop 0 -13.933 Bünde 0 -5.133 Burbach 0 -2.800 Datteln 1.709 -153 Dorsten 21.364 -84.044 Emsdetten 2.446 -104 Gladbeck 55.557 -24.014 Hattingen 24.336 -12.668 Herne 13.750 -16.234 Herten 60.023 -18.805 Köln 329.000 329.000 Lünen 0 -45.000 Marl 0 -20.323 Moers 110.000 110.000 Mülheim an der Ruhr 0 -48.069 Münster 112.272 13.522 Oer-Erkenschwick 53.000 36.667 Siegen 19.606 -35.313 Velbert 1.588 -1.295 Waltrop 0 -19.790 Wilnsdorf 15.186 100 Nordrhein-Westfalen insgesamt 819.836 141.609 In fremder Währung aufgenommene Verbindlichkeiten (Kredite, Liquiditätskredite und Wertpapierschulden im Kernhaushalt)Name der Kommune Quelle: IT.NRW (jährliche Schuldenstatistik) Stand: 20.09.2018