LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/4002 16.10.2018 Datum des Originals: 05.10.2018/Ausgegeben: 22.10.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1447 vom 11. September 2018 des Abgeordneten Gordan Dudas SPD Drucksache 17/3625 Drohender Azubimangel durch G9? Auswirkungen der Umstellung von G8 auf G9 Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mit der geplanten Umstellung vom G8 auf das Abitur nach 9 Jahren wird den Wünschen von Schülerinnen und Schülern, aber auch Eltern Rechnung getragen. Das Ziel des G9 wird daher von einer großen Mehrheit geteilt. Die Auswirkungen durch eine erneute Umstellung des Systems - man erinnere sich an den doppelten Abiturjahrgang – müssen dabei aber auch beachtet werden. Nicht zuletzt der DGB hatte vor einigen Wochen zu Recht darauf hingewiesen, dass durch den Wechsel vom G8 zu G9 in einigen Jahren den Ausfall eines fast kompletten Abiturjahrgangs (an Gymnasien) nach sich ziehen wird. Dies hat natürlich auch Auswirkungen auf den Ausbildungsmarkt und muss gerade vor dem Hintergrund des wachsenden Fachkräftemangels dringend in den Fokus der Politik rücken. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 1447 mit Schreiben vom 5. Oktober 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, der Ministerin für Schule und Bildung und der Ministerin für Kultur und Wissenschaft beantwortet. 1. Welche Planungen verfolgt die Landesregierung mit Blick auf den Ausfall nahezu eines kompletten Abiturjahrgangs an Gymnasien? Circa 71,7 % der Schülerinnen und Schüler eines Abiturjahrgangs erwerben die Allgemeine Hochschulreife in der gymnasialen Oberstufe des Gymnasiums. Circa 28,3 % der Schülerinnen und Schüler eines Abiturjahrgangs erwerben in anderen Schulformen die Allgemeine Hochschulreife und sind von der Umstellung von G8 auf G9 nicht LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4002 2 betroffen. Diese Abiturientinnen und Abiturienten werden daher im Schuljahr 2026/2027 planmäßig ihre berufliche und akademische Ausbildung beginnen. Schülerinnen und Schüler, die im Schuljahr 2023/2024 mit dem Abschluss der Sekundarstufe I den mittleren Schulabschluss mit der Berechtigung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe erwerben, werden in der Regel nicht in die Einführungsphase des neuen G9-Gymnasiums eintreten können. Diese Schülerinnen und Schüler werden ihre Schullaufbahn vor allem in den Schulen bzw. Schulformen fort-setzen, die nicht von der zum Schuljahr 2019/2020 erfolgenden Umstellung von G8 auf G9 betroffen sind und damit die „Ausfallzahlen des Abiturjahrgangs im Schuljahr 2025/2026 an G9-Gymnasien“ verringern. Ebenfalls im Schuljahr 2025/2026 werden Schülerinnen und Schüler der weiterhin bestehenden G8-Bildungsgänge des Gymnasiums, der Gymnasien im Schulversuch „Abitur nach 12 oder 13 Jahren“, der Aufbaugymnasien, der Gesamtschulen sowie der Berufskollegs die Allgemeine Hochschulreife erwerben. Im Rahmen einer noch abzustimmenden Gesamtstrategie der Landes-regierung, die auch die Landesinitiative „Kein Abschluss ohne Anschluss – Übergang Schule - Beruf NRW“ (KAoA) umfassen wird, werden die Schulen über die oberen Schulaufsichtsbehörden dabei unterstützt werden, insbesondere Jugendliche mit Schulabschlüssen, die in anderen Jahrgängen geringere Chancen auf erfolgreiche Bewerbung um einen Ausbildungsplatz besitzen, in diesem Jahrgang zu Bewerbungen zu ermuntern und zu unterstützen. 2. Mit welchen Auswirkungen auf die Ausbildungssituation rechnet die Landesregierung? (Bitte aufgeschlüsselt nach beruflicher und akademischer Ausbildung im Verhältnis zu den Jahren vor und nach dem Ausfall). Unter der Annahme, dass sich das Angebot an Ausbildungsplätzen im dualen System im Schuljahr 2026/2027 nicht signifikant gegenüber den Vorjahren verändern wird, werden in diesem Ausbildungsjahr 2026/2027 nicht nur Jugendliche mit Schulabschlüssen, die in anderen Jahrgängen geringere Chancen auf erfolgreiche Bewerbung um einen Ausbildungsplatz besitzen, sondern auch sogenannte Altbewerberinnen und Altbewerber verbesserte Chancen haben, einen Ausbildungsplatz im dualen System zu erreichen. 3. Welche Strategien – gerade mit Blick auf die berufliche Ausbildung – verfolgt die Landesregierung, um der drohenden Verschärfung des Fachkräftemangels entgegenzuwirken? Die Landesregierung hat die unterschiedlichen Bedarfe in den Regionen von Nordrhein- Westfalen erkannt und setzt daher besonders auf die Unterstützung regionaler Strategien mit verschiedenen Instrumenten zur Sicherung des regional spezifischen Fachkräftebedarfs. Dazu zählen die Förderung der beruflichen Bildung durch Investitionen in die Modernisierung der beruflichen Aus- und Weiterbildungsinfrastruktur aus dem gemeinsamen ESF- und EFREfinanzierten Projektaufruf der Landes-regierung oder die ESF-Förderprogramme. Das Ausbildungsprogramm NRW ist ein gutes Beispiel für das Engagement der Landesregierung, um die Ausbildungsbeteiligung in der beruflichen Bildung mit Blick auf den regionalen Bedarf zu erhöhen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4002 3 Das Ministerium für Schule und Bildung entwickelt eine Agenda zur Stärkung Berufliche Bildung, die in einem Handlungsfeld „Beiträge zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses transparent machen und ausbauen“ ein umfangreiches Maßnahmenpaket plant. Dieses Maßnahmenpaket knüpft an folgende, bereits laufende und beispielhaft aufgeführte Aktivitäten an: Die Verbesserung des Erwerbs digitaler Schlüsselkompetenzen durch die Ausstattung von Berufskollegs mit zeitgemäßer digitaler Infrastruktur, die Entwicklung spezifischer Lehrerausund -fortbildung für Berufskollegs sowie die Integration digitaler Schlüsselkompetenzen in die Landesbildungspläne für Berufskollegs und Handreichungen zur entsprechenden didaktischmethodischen Umsetzung. Im Haushaltsjahr wurden 250 Stellen zur Stärkung der beruflichen Ausbildung zur Verfügung gestellt. So konnten auch die Umsetzung des Flexibilisierungskonzeptes zur Sicherung von Fachklassenstandorten gerade im ländlichen Raum sowie für leistungsstarke Auszubildende das Bildungsangebot „Duale Ausbildung plus Fachhochschulreife“ unter-stützt werden. Die Landesregierung wird die Entwicklung der Fach-klassen weiterhin genau im Blick halten. Für den wieder eingeführten Landeszuschuss bei notwendiger auswärtiger Unterbringung wurden Haushaltsmittel in Höhe von 8,6 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Modelle zur „Dualen Ausbildung plus Abitur“ sowie zur „studien-integrierten Ausbildung“ sollen die Durchlässigkeit von beruflicher und akademischer Bildung verbessern und Entwicklungsperspektiven verdeutlichen. Zur Integration und Qualifizierung von Lernschwächeren und Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund werden Fortbildungen und Unterstützungsmaterialien zur Sprachförderung in der Berufsschule entwickelt. 4. Welche Ansätze gerade mit Blick auf Jugendliche mit Haupt-schulabschluss verfolgt die Landesregierung vor dem Hinter-grund des drohenden Bewerber*innenmangels für das Ausbildungsjahr 2026/2027? Ergänzend zur Antwort auf Frage 2 ist auf folgende Aspekte hinzu-weisen: Im Rahmen des Landesvorhabens KAoA werden im Handlungsfeld „Steigerung der Attraktivität der dualen Ausbildung“ gezielt Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung der dualen Ausbildung bei Eltern und Jugendlichen ergriffen. Die Jugendlichen werden gezielt, schon zwei Jahre im Voraus, auf die besondere Situation des Ausbildungsjahres 2026/2027 hingewiesen, die begünstigte Bewerbungssituation verdeutlicht und insbesondere die Ausbildungsmessen beworben. Auf der Ebene des landesweiten Ausbildungskonsenses werden die Partner sensibilisiert werden, für diesen Zeitraum entsprechende Initiativen zu starten und ihrerseits verstärkt den Bewerberkreis mit Hauptschul-abschluss zu fokussieren. Mit dem Talentschulversuch am Berufskolleg wird die Entkoppelung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg und die nachweisbare Steigerung von Schülerleistung in Schulen in schwierigen sozialen Lagen modell-haft verfolgt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4002 4 5. Welche wirtschaftlichen Auswirkungen erwartet die Landes-regierung durch den zu erwartenden Rückgang der Jugendlichen in beruflicher und akademischer Ausbildung in dem angesprochenen Ausbildungsjahr? Eine Prognose von wirtschaftlichen Auswirkungen in den Jahren 2026 und 2027 lässt sich in seriöser Weise nicht abbilden. Der Umfang des jeweiligen Ausbildungsengagements der Betriebe beruht auf unternehmerischen Entscheidungen, die insbesondere durch die konjunkturelle Gesamtlage und die betriebliche Auftragslage beeinflusst werden. Zum gegenwärtigen Zeitraum verfügt Nordrhein-Westfalen über einen Bewerberüberhang und einen Anteil von Bewerbern, die aus dem Vorjahr stammen. Das angesprochene Ausbildungsjahr 2026/2027 bietet daher auch die Chance, dass auch den Bewerbern aus dem Vorjahr der Zugang zur beruflichen Bildung gelingt.