LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/4038 23.10.2018 Datum des Originals: 22.10.2018/Ausgegeben: 26.10.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1521 vom 11. September 2018 der Abgeordneten Christina Kampmann SPD Drucksache 17/3728 ArbeitnehmerInnenweiterbildung und Weiterbildung von Betriebsräten in Nordrhein-Westfalen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage ArbeitnehmerInnen, die vornehmlich in Nordrhein-Westfalen beschäftigt sind, haben einen Anspruch auf Bildungsurlaub von fünf Arbeitstagen im Kalenderjahr. Die Freistellung von der Arbeit kann zum Zwecke der beruflichen und politischen Weiterbildung in anerkannten Bildungsveranstaltungen erfolgen. Betriebsräte haben nach § 37 Abs. 6 BetrVG einen unbegrenzten sachbezogenen Weiterbildungsanspruch und nach § 37 Abs. 7 BetrVG Anspruch auf drei Wochen bezahlte Freistellung an Bildungs- und Schulungsveranstaltungen. Nach § 4 Abs. 2 AWbG kann eine Anrechnung bei betrieblich veranlassten Bildungsveranstaltungen erfolgen. Betrieblich veranlasst ist eine Veranstaltung, deren Teilnahme durch den Arbeitgeber veranlasst ist. Der Betriebsrat einer Firma beschließt für ein Betriebsratsmitglied die Entsendung zu einer Weiterbildungsmaßnahme und stellt beim Arbeitgeber einen Antrag auf Freistellung und Kostenübernahme nach §37 Abs. 6 BetrVG. Der Arbeitgeber bewilligt diesen und kündigt an Zeiten der Weiterbildung nach § 4 Abs. 2 AWbG zu verrechnen, da die Bildungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG betrieblich veranlasst sei. Die Ministerin für Kultur und Wissenschaft hat die Kleine Anfrage 1521 mit Schreiben vom 22. Oktober 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten sowie allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4038 2 1. Wie viele ArbeitnehmerInnen haben im Jahr 2017 in Nordrhein-Westfalen ihr Recht auf Weiterbildung nach dem AWbG wahrgenommen? Der Landesregierung liegen keine Daten über die Inanspruchnahme des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes (AWbG) durch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor. Die nach dem AWbG anerkannten Einrichtungen erheben keine teilnahmebezogenen Daten über die Inanspruchnahme der Bildungsveranstaltungen im Rahmen einer Freistellung nach AWbG. 2. Ist die Rechtsansicht des Arbeitgebers korrekt, dass er auch Freistellungen für Betriebsratsseminare auf Anspruchsgrundlage des BetrVG als betriebliche Bildungsveranstaltungen auf den Bildungsanspruch nach § 4 Abs. 2 AWbG bis zu zwei Tage pro Jahr anrechnen kann? Die in der Fragestellung beschriebene Rechtsauffassung ist nicht zutreffend. Freistellungen für Betriebsratsseminare können nicht auf den allgemeinen Anspruch der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Bildungsurlaub nach dem AWbG NRW angerechnet werden. Bei den in Zusammenhang gestellten Regelungen handelt es sich um unterschiedliche Ansprüche und Voraussetzungen, die nebeneinander bestehen. Der Freistellungsanspruch nach BetrVG ist ein kollektivrechtlicher Anspruch, während der Anspruch auf Bildungsurlaub nach dem AWbG ein Individualanspruch jedes einzelnen Beschäftigten im Betrieb ist. Die Anrechnungsmöglichkeit nach § 4 Abs. 2 AWbG besteht für „betrieblich oder dienstlich veranlasste Bildungsveranstaltungen“, für die der Arbeitgeber seine Beschäftigten freigestellt hat. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei einer Betriebsratsschulung weder begrifflich noch inhaltlich um eine „betrieblich oder dienstlich veranlasste“ Schulung. Denn sowohl die Schulungen des Betriebsrats nach § 37 Abs. 6 BetrVG als auch nach § 37 Abs. 7 BetrVG sind allein durch das Betriebsratsmandat veranlasst und nicht durch den Betrieb, in dem das Mandat besteht. Die gesetzlich verankerte Anrechnungsmöglichkeit in § 4 AWbG kann nicht auf Betriebsratsschulungen übertragen werden, unabhängig davon ob es sich um eine erforderliche Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG oder um eine geeignete Schulung nach § 37 Abs. 7 BetrVG handelt (vgl. dazu BAG vom 04.05.1984 - 6 AZR 495/81). Eine Anrechnung würde ferner eine unzulässige Benachteiligung der einzelnen Betriebsratsmitglieder nach § 78 BetrVG darstellen. Denn es entspricht der einschlägigen Rechtsprechung des BAG, dass jedes Betriebsratsmitglied verpflichtet ist, sich auf sein Mandat als Betriebsrat umfassend vorzubereiten und sich die dafür erforderlichen Kenntnisse anzueignen (BAG vom 21.04.1983 - 6 ABR 70/82). Diese Kenntnisse sind in erster Linie durch den Besuch von Schulungen zu erwerben (BAG vom 05.11.1981 - 6 ABR 50/79). Würde eine Anrechnung von Betriebsratsschulungen auf den Anspruch auf Bildungsurlaub nach dem AWbG zulässig sein, würden die einzelnen Betriebsratsmitglieder schlechter gestellt werden als Beschäftigte ohne Mandat, die den vollen Anspruch auf jährlich 5 Tage Bildungsurlaub nach dem AWbG haben. Dies würde eine unzulässige Schlechterstellung bedeuten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4038 3 3. Welchen Status hat der Arbeitgeber gegenüber Betriebsräten und Personalräten hinsichtlich der Anrechnung von Anspruchstagen, wenn der Arbeitgeber selbst die Teilnahme an der Bildungsveranstaltung nicht direkt veranlasst, sondern den Beschäftigten "nur" freigestellt hat und der Betriebsrat bzw. Personalrat durch seinen Beschluss die Teilnahme an der Bildungsveranstaltung veranlasst hat? Da keine Anrechnungsmöglichkeit besteht, kann sich hieraus auch kein entsprechender Status des Arbeitgebers ableiten. 4. Welche Maßnahmen gedenkt die Landesregierung zu ergreifen, um ArbeitnehmerInnen zu schützen, sofern Arbeitgeber den Bildungsanspruch für Betriebsräte oder Personalräte verringern? Der "Bildungsanspruch" für Betriebs- und Personalräte ergibt sich in erster Linie aus dem BetrVG, das in die Kompetenz des Bundesgesetzgebers fällt. Der Landesregierung liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor, die es nahelegen, weitergehende Maßnahmen zum "Schutz" von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Rahmen des AWbG zu prüfen.